Mir seiner dritten Regiearbeit bewies der einstige Master of Horror Dario Argento, dass er keine Eintagsfliege im Business sein würde. Doch damit nicht genug. Er bestätigt uns, was wir schon immer wussten: Bud Spencer ist Gott – und als solcher trat er damals tatsächlich in diesem frühen Krimi / Thriller / Horrorfilm auf, dessen synchronisierte Fassung lange als verschollen galt.  Halleluja!

Originaltitel: 4 Mosche di velluto grigio

Regie: Dario Argento

Darsteller: Michael Brandon, Mimsy Farmer, Jean-Pierre Marielle, Bud Spencer

Artikel von Christian Jürs

Nach den Vögeln („The Bird with the Crystal Plumage“ aka „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“) und den Katzen („Die neunschwänzige Katze“) sollte mit den Fliegen die Giallo-Trilogie von Dario Argento beendet werden und der Filmemacher sich neuen Herausforderungen stellen. Die Realität sah dann einen Film mit Adriano Celentano später so aus, dass Herr Argento sich wieder seinen Lieblingskillern mit den schwarzen Lederhandschuhen widmen sollte.

Doch hier geht es jetzt nicht um „Rosso – Die Farbe des Todes“, sondern eben um „Vier Fliegen auf grauem Samt“. Dieser lief im Mai 1972 in den deutschen Kinos. Damals noch als Frei ab 18 Titel und um die härteste Mordszene zensiert, kam der Film jetzt ungekürzt mit einer 16er Freigabe bei der FSK davon. Auf VHS gab es den Film hierzulande leider nie, doch bereits vor einiger Zeit konnte Koch Media die verloren geglaubte Tonspur wieder auffinden und veröffentlichte den Film in einer wunderschönen Mediabook-Variante. Jetzt hat sich der Verleiher ein Herz gefasst und bringt eine Neuauflage für den kleinen Geldbeutel noch einmal auf den Markt.

Bzzzzzzzzzzz… eine Fliege macht unserer Hauptfigur, dem Drummer Roberto (Michael Brandon), gleich zu Beginn die Arbeit schwer. Während er im Proberaum Schlagzeug spielt, schwirrt eines dieser nervigen Biester um den armen Mann herum. Doch kurz darauf, Tierschützer müssen jetzt stark sein, ist die Fliege Matsch und Robertos Welt wieder im Gleichgewicht. Zumindest so lange, bis ihm ein geheimnisvoller Mann auffällt, der ihn zu beschatten scheint. Als er seinen Verfolger in einer Seitenstraße zur Rede stellen will, zückt dieser ein Messer. Es kommt zum Handgemenge und der Fremde endet mit der Klinge im Bauch.

Zusätzlich zu diesem Schlamassel entdeckt Roberto auch noch einen maskierten Beobachter, der aus sicherer Entfernung die Tat fotografiert hat und dann verschwindet. Roberto bekommt Panik und flieht vom Tatort. Fortan fühlt sich Roberto beobachtet und fürchtet, unter Mordverdacht zu geraten. Seine Freundin Nina (Mimsy Farmer) glaubt ihm zunächst auch nicht, findet dann jedoch einen verdächtigen Gegenstand zwischen ihren Sachen. Als nach und nach bestialische Morde in Robertos Umfeld geschehen, wendet sich dieser an Gott (Bud Spencer)…

Nein, nein, Mücke ist nicht heilig geworden. Bud Spencers Charakter wird nur so genannt. Trotzdem wird sein erster Auftritt selbstironisch mit „Halleluja“-Gesang eingeleitet. Ein netter, schräger Gag in Argentos bis dahin wohl verspieltester Regiearbeit. Die Kamera kreist ständig umher, es werden lange, dunkle Gänge ganz speziell gefilmt und eingebaut. Die Mordszenen kommen zwar harmloser als in seinen späteren Werken daher, enthalten aber schon die irren Bildkompositionen. So gibt es einen Mord, bei dem das Opfer rückwärts die Treppe herunterstürzt. Die Kamera folgt hierbei dem Gesicht des Opfers von oben gefilmt bis zum Boden. Das daraufhin herabstürzende Messer ist dann das i-Tüpfelchen. Allerdings wirkt die Montage dieser Szenen noch wesentlich rauher als vier Jahre später bei „Suspiria“.

Doch Vorsicht. Einen Hochspannungsthriller sollte man hier mitnichten erwarten. Mehr einen surrealen Krimi mit Thrillerelementen in der Welt des Technicolor. Sehr erfreulich ist übrigens der am Ende enttarnte, wie üblich wahnsinnige Killer, bei dem uns das Overacting derer aus „Phenomena“, „Tenebre“ oder „Sleepless“ erspart bleibt. Ja, auch die Darsteller machen ihre Sache ausgezeichnet.

Die Qualität, in der wir die vier Fliegen zu Gesicht bekommen, ist übrigens durchaus schwankend. Einige Filmszenen waren durch die unsachgemäße Lagerung wohl derart zerstört, dass alternatives Material hinzugezogen werden musste. Auch bei der Synchro klingen so manche Szenen wie durch den Blecheimer gesprochen. Da sollte man aber nicht meckern, immerhin bekommt man den Streifen überhaupt einmal bei uns im Handel.

Das Bonusmaterial ist, bis auf das fehlende Booklet, identisch mit dem Mediabook. Trailer, Bildergalerien, sowie eine Featurette und eine 92-minütige Dokumentation mit Bud Spencer, Dario Argento und Luigi Cozzi bekommt man noch oben drauf.

Noch ein paar Worte zur deutschen Sprachfassung: Diese ist ganz ausgezeichnet. Norbert „Burt Reynolds“ Langer gibt den Roberto. Wolfgang Völz, Christian Brückner, Wolfgang Draeger, die Liste enthält nur Hochkaräter hinter dem Mikro. Unglaublich passend wirkt Heinz Theo Brandings einziger Einsatz auf Bud Spencer. Ich war skeptisch, wurde jedoch von Gott bekehrt.

Auch wenn so manches blanker Humbug ist („Das letzte Bild, dass das Opfer sah, hat sich auf seine Netzhaut eingebrannt. Wir können es fotographieren!“) und die Spannungskurve so manchem Zuschauer zu niedrig sein dürfte, kommen Fans von Dario Argento und dem Genre Giallo an sich voll auf ihre Kosten. Zudem darf man Bud Spencer, der gerade mit „Vier Fäuste für ein Halleluja“ durchstartete, in einer ungewöhnlichen Rolle spielen sehen.

Trailer:

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