In dem noch ungeschliffenen Erstling von Martin Scorsese blitzt das Talent des späteren Meisters schon durch. Während der Weltwirtschaftskrise in den 1930ern schlägt sich die 16-jährige Bertha mit ihrem Freund Morton auf den Straßen Arkansas durch. Wie viele andere auch, fahren sie in den Güterwagons der Überlandzüge und tingeln so von Ort zu Ort. Dabei trifft Bertha auf den Bahngewerkschafter Big Bill Shelly und verliebt sich in ihn. Bertha gerät nun auch ins Visier der Polizei und es baut sich langsam eine Spirale der Gewalt auf, denn Bertha und Bill leben von Überfällen…

Regie: Martin Scorcese

Darsteller: Barbara Hershey, David Carradine, Barry Primus, Bernie Casey

Artikel von Kai Kinnert

BOXCAR BERTHA ist ein klassischer Vertreter des New Hollywood, das mit EASY RIDER (1969) begann und mit Einführung des Box Office (dem Einspielergebnis am ersten Wochenende) endete. Diese Ära von 10 Jahren gab vielen jungen Regisseure wie Coppola, Hopper, Lucas, Spielberg und Scorsese die Möglichkeit, erstmals Regie- und Autorenkino für ein Publikum zu drehen, das satt war von den Filmen des alten Hollywood-Systems, das für die Bibelschinken, Western und Komödien zuständig war. Vom europäischen Kino inspiriert und vom Medium Film begeistert, begannen diese Regisseure damit, ihre Figuren und Themen realistischer und Zeitgeist-Gerechter zu inszenieren, um so einen neuen, persönlichen Filmstil zu kreieren. Mit dem Erfolg von EASY RIDER war plötzlich die Bereitschaft gestiegen, in neue, künstlerisch orientierte Projekte zu investieren und so wurde Martin Scorsese der Job angeboten, das Drehbuch von BOXCAR BERTHA zu verfilmen. Obwohl Martins erste Regiearbeit eine Auftragsarbeit ist, hatte er den Streifen schon vor dem Dreh komplett als Storyboard aufgezeichnet und findet vom ersten Moment an genau die Art und Weise der Inszenierung, die viele seine späteren Filme zu Meisterwerken ihrer Zeit machte.

Dabei entlädt sich Scorseses Tatendrang in der ersten Hälfte des Films in ungeschliffene, tolle Filmmomente, die sich dann wieder in einem mehr konventionellen Erzählungsstil beruhigen, um dann am Ende zur Waffe zu greifen und plötzlich sieben oder acht Leute umzulegen. Das ist filmisch so famoses Kino des New Hollywood, das man hier von einem kleinen Frühvormeisterwerk Martin Scorseses sprechen kann. Alle Elemente, die seinen späteren Stil prägten, sind hier schon vorhanden und über weite Strecken gut verknüpft. Die Kamera findet schöne Bilder im Stil der 70er und schockierte damals mit dem blutigen Finale, für das sonst Sam Peckinpah zuständig war.

Es stimmt noch nicht alles an dem ersten Spielfilm von Martin Scorsese. Das wäre wohl auch zu viel erwartet und trotzdem ist BOXCAR BERTHA ein früher Klassiker des unabhängigen Regie-Kinos, das mit David Carradine, Barbara Hershey und Barry Primus passend besetzt ist. Produziert hat den Streifen Roger Corman.

Wer sich für die frühen Filme Scorseses interessiert, sollte hier unbedingt zuschlagen. Der Meister legt mit BOXCAR BERTHA den Grundstein von HEXENKESSEL (1973) und TAXI DRIVER (1976) in Form eines Beinahe-Exploitation-Films.

Wer nur mal den Blick auf das Kino der 70er werfen will, bekommt mit diesem Streifen einen solide-frechen Vertreter des New Hollywood Kinos, der einen Filmabend wert ist. Romantisch angehauchte Sozialkritik paart sich mit einer kleinen Gangsterstory, die blutig ausgeht.

Der Film ist uncut und in wirklich guter Bildqualität. Als Extras gibt es zwei deutsche Synchronfassungen, Trailer und ein recht kurzes Interview mit Martin Scorsese.

Trailer:

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