„Ich habe noch nie Leute so erschüttert da stehen sehen…“ murmelt ein Polizist betroffen und schaut in die Menge. „Ich einmal schon. In einer Stadt in West Virginia.“ antwortet ein Reporter. Ein LKW Fahrer sitzt heulend und zitternd auf der Straße. Ihm war während der Fahrt eine Ratte auf den Arm gesprungen, was zu einem Auffahrunfall führte. Das verkraftet der Gute nicht und flennt. Ein Verletzter wird mit einem Krankenwagen abgefahren und Passenten stehen stumm und erschüttert um den LKW Fahrer herum. Die Ratten sind wieder da! Willkommen zu BEN, der wilden B-Movie-Fortsetzung zum Rattenepos WILLARD.

Regie: Phil Karlson

Darsteller: Lee Montgomery, Joseph Campanella, Arthur O´Connell, Meredith Baxter

Artikel von Kai Kinnert

BEN schließt nahtlos an seinen Vorgänger an und beginnt sogar mit einem etwas verkürzten Zusammenschnitt des Finales von WILLARD, in dem Willard Stiles von Bens Horde getötet wird. Polizei und Presse sind nun am Tatort eingetroffen und geben sich ratlos. Stiles wurde zwar von Ratten tot gebissen, aber es sind nirgends welche zu finden. Man hat alle Räume durchsucht, aber keine Ratte weit und breit. Das sich die Biester in die Holzwände zurückgezogen haben könnten, darauf kommt keiner. Draußen hat sich eine Menschenmenge zusammen gefunden und schaut der Polizei zu. Darunter ist auch der kränkliche Danny Garrison (Lee Montgomery) mit seiner Mutter und seiner Schwester.

Nachdem alle wieder abgerückt sind, bleiben zwei Streifenpolizisten vor Willards Haus zurück und schieben Wache. Einer bemerkt eine Katze an Willards Haus und folgt ihr, denn scheinbar hat sie etwas entdeckt. Und tatsächlich – als er die Holzwand aufreißt, kommen ihm lauter Ratten entgegen. Der Bulle kreischt dabei wie ein Mädchen und stirbt. Wurden im ersten Teil die Ratten noch auf die Schauspieler geworfen, verwendete man hier deutlich mehr charmant-schlechte Tricks, um die Angriffe auf die Menschen zu simulieren. Es gibt sogar ins Bild gezeichnete Ratten, die das Opfer anspringen.

Ein Schuss fällt, doch alles ist zu spät. Das Rattenheer stürzt sich auf die Staatsgewalt und verschwindet danach in die Kanalisation. Nur Ben, die Oberratte nicht. Denn der wird später von Danny gefunden, der Ben unbedingt als Freund gewinnen will und ihm deshalb allerlei Wahnsinn entgegen bringt. So ist Danny ein seltsames und scheinbar über talentiertes Kind, das irgendwie in seiner Harmlosigkeit nicht minder diabolisch ist. Er könnte der Cousin von Damien aus THE OMEN (1976) sein. Der Bengel ist musikalisch. Und zwar so musikalisch, das man kurz glaubt, man schaut ein Musical. Ständig trällert der Bengel vor sich hin und komponiert ein Liedchen. Nicht nur das er in seinem riesigen Hobbykeller mit einem Marionettentheater spielt und dabei singt als wäre er der Großvater von CHUCKY – DIE MÖRDERPUPPE (1988), nein er kann auch noch Mundharmonika spielen und ist ein Ass am Klavier. Tatsächlich erleben wir ihn dabei, wie er „Bens Song“ komponiert, den Song, der am Ende von Michael Jackson gesungen wird.

Danny freundet sich also mit Ben an und spielt ihm Theaterstücke vor, kuschelt mit ihm oder versucht ihm Moral beizubringen. Doch Ben hat trotz der Zuwendung eigene Pläne. Er plant einen Raubzug durch die Stadt. Ein Supermarkt soll dran glauben. Die Ratten haben sich dafür tatsächlich die Kellog´s Abteilung des Marktes ausgesucht. Kaum hat der letzte Angestellte das Licht ausgemacht, stürzen sich die Ratten aus den Luftschächten hervor und machen sich minutenlang über Fruity Loops und Crispy Rice her. Ein Nachtwächter trifft auf das Geschehen und kollabiert fast. Alarm! Polizei! Presse!

Die Polizei ist mal wieder ratlos. Woher kommen die Viecher nur? Die Bevölkerung gerät in Panik. Man beginnt Rattenfallen aufzustellen und Kellerfenster zu vernageln. Die Polizei fährt von Tür zu Tür und warnt vor den Ratten. Wer Ratten bei sich sieht, soll sich bei der Polizei melden. Danny gibt zwar der Polizei gegenüber zu, dass er Ben kennt, aber das er nie ein Rattenheer gesehen hat. Natürlich glaubt niemand dem kleinen Fratz und so kann Danny weiter mit Ben spielen und ihn vor den Fallen warnen. Danny wird im Laufe des Films übrigens immer wieder mal zu den Ratten befragt, aber egal was er sagt, nie glaubt ihm die Polizei. Ermittler Kirtland erstaunt den ganzen Film über, ebenso der Einfluss der Presse, denn ständig ist ein Chefredakteur mit am Tatort.

Doch Ben hat nicht genug und steuert in Minute 55 des Films auf einen überraschend skurrilen Einfall zu. Die Ratten haben einen Käseladen im Auge. Sie planen den Überfall auf eben diesen und müssen dazu in den nebenan liegenden Spa-Fitness-Club, wahrscheinlich um sich durch die Wände zum Käse zu nagen. Was folgt, ist eine launige und selten gesehene Szene in einem Spa Club von 1972. Allerlei Damen beim Wellness und Sportprogramm, bis der blond-gestählte schwule Fitnesstrainer irgendeinen Schrank öffnet und ihm tausende Ratten entgegen kommen. Der nun ausbrechende Kreischalarm ist tatsächlich sogar komisch und recht gelungen umgesetzt. Man könnte BEN hier sogar unterstellen, das die Ratten für etwas mehr standen, als nur verfressene Mistviecher zu sein, die eine strunzdumme Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzen. Denn eigentlich wird in BEN die weiße Mittelschicht von einer unbekannten Gefahr überrollt, die sich am Ende mit Waffen zu wehren weiß.

In einer anderen großartigen Szene greift ein LKW Fahrer während der Fahrt nach hinten zu seinen Zigaretten, als ihm plötzlich eine Ratte auf dem Arm sitzt. Er kreischt wie Bruce Darnell und fährt in ein entgegen kommendes Auto. Danach sitzt der LKW Fahrer stammelnd am Boden und fasst sich an den Arm. Um ihn herum, stumm stehende Passanten, die ihn ansehen, als wären wir bei George Romero.

Das B-Movie verlagert sich nun in die Kanalisation, in der die Ratten hausen. Dort wird ein Arbeiter Opfer der fiesen Nager, in dem sich drei auf seine Schulter fallen lassen und fünf weitere ihn in die Ecke drängen. Er stirbt panisch und kreischend. Sein Kollege ist vor Ekel unfähig einzugreifen und rennt weg. Später sitzt er heulend bei Kirtland und schildert, das die Ratten so schlimm waren, das er flüchten musste. Ohne Knarre ist der weiße Mann eben ein Weichei.

Da sie nun schon mal alle an der Kanalisation versammelt sind, fassen Kirtland, die Presse und sein Chef einen Plan, die Ratten nun für immer loszuwerden. Dabei sollen Flammenwerfer und Pumpguns gegen die Ratten eingesetzt werden. Doch Danny hat sich derweil auch in die Tunnel zu Ben geschmuggelt. Endlich stösst Danny im Inneren auf das Rattenheer und versucht Ben zur Flucht zu bewegen. Derweil beginnt das Gemetzel an den Ratten. Es gibt Opfer auf beiden Seiten.

BEN ist ein schrulliges B-Movie mit einem dubiosen Kind, Musikeinlagen und vielen Ratten, die eigentlich nur in eine Bonbonfabrik wollen. Der Endkampf hat durchaus das Format einer frühen Zombiefilm-Inszenierung, nur dass es eben Ratten sind, die mit Flammenwerfer durch die Kanalisation getrieben werden. Das ist deutlich mehr Tierhorrorfilm als bei WILLARD.

Insofern ist BEN tatsächlich eine Spur schriller, wenn auch unausgewogener, als sein Vorgänger und stellt somit eine konsequente Fortsetzung dar, die sich meist positiv mit filmischen Dämlichkeiten abgibt. Die Inszenierung ist meist Low Key Ausgeleuchtet, was mehr an Film Noir erinnert, als an den Hollywood-Stil. Die Action am Ende überrascht angenehm und rundet so den knalltütigen Film gut ab.

Wem WILLARD schon gefallen hatte, kann bei BEN bedenkenlos zuschlagen. Wer auf der Suche nach alten Tierhorrorfilmen mit komischen Kindern und denkwürdigen Dialogen ist, darf hier einen Blick wagen.

Das Bild der BluRay ist angenehm satt in seinen körnigen, analogen Farben und liefert einen schönen 70er Charme. Als Extras gibt es allerlei Spots und Pressebeigaben, ebenso einen Audiokommentar mit  Lee Montgomery und die deutsche Kinofassung. Der Hauptfilm ist uncut.

Trailer:

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