In seinem vorletzten Film widmet sich Michael Cimino dem Remake von AN EINEM TAG WIE JEDER ANDERE (1955) und greift dabei voll in die Style-Kiste des späten 80er Kinos. Mit Leinenhose, Sakko und auftoupierter Föhnfrisur fährt Cimino eine gute Besetzung in teilweise großen Kinobildern auf und lässt Mickey Rourke auf die Familie von Anthony Hopkins los. Schwerverbrecher Rourke taucht nach seinem Ausbruch aus dem Gefängnis mit seinen Kumpanen im Haus von Hopkins unter und führt so Michael Cimino an die Grenze seiner Kreativität.

Originaltitel: Desperate Hours

Regie: Michael Cimino

Darsteller: Mickey Rourke, Anthony Hopkins, David Morse, Demi Moore

Artikel von Kai Kinnert

Eigentlich ist 24 STUNDEN IN SEINER GEWALT eher eine charmante Mode-Katastrophe als ein spannender Krimi. Wenn David Morse nach 72 Minuten in der Steppe vor den Bergen Utahs auf die beiden Studentinnen in Hotpants, Stirnband und offen Holzfällerhemden, natürlich mit BH, trifft, fühlt man sich eher an MAD MAX oder Filme aus der TROMA-Reihe erinnert, als an ein Remake eines Krimi-Klassikers. Im gesamten Film haben Frauen ihre Haare entweder als brave Bob-Frisur oder als New-Wave-Haarspray-Schnitt oder wie Farah Facett aus DREI ENGEL FÜR CHARLIE. Die Kerle tragen entweder zu große Anzüge oder sehen aus, als hätten sie auch in DEATH WISH 3 mitspielen können. Dazu kommen die für damals angesagten Dialoge und eine Innenausstattung, wie sie nicht besser den schlechten Geschmack von 1990 wiedergeben könnte.

Der Film beginnt mit einer Gerichtsverhandlung, in der Rourke ausrastet und so mit Hilfe seiner Anwältin ausbrechen kann. Zwei Dinge stellt man hier sofort fest: Mickey Rourke ist neben dem Kameramann der besten Mann am Set. Er gibt den arroganten Aggressor in entspannter Höchstform und rettet so seinen Regisseur in den Szenen, die im Haus von Anthony Hopkins spielen. Und das ist über die Hälfte der Laufzeit des Films. Mickey Rourke dringt während seiner Flucht in das Haus der Familie Hopkins ein und nimmt nach und nach immer mehr Leute als Geisel.

Die Tochter, den Makler, dann gibt’s da noch den Freund der Tochter, die verunsicherte Ehefrau Hopkins usw usf. Rourke hat dabei Unterstützung von seinem Bruder und einem Freund. Während der Geiselnahme erwacht in Hopkins der Kämpfergeist, was die Situation zuspitzt und Rourke skrupelloser werden lässt. Parallel dazu entwickelt sich draußen eine Fahndung nach Rourke. Und David Morse, der Freund von Rourke, gerät später im Laufe der Story an die Studentinnen mit gelbem BH und Karo-Hemd in den Bergen Utahs.

Und plötzlich verändert der Film seine Qualität. Während die vielen Innenaufnahmen eigentlich recht künstlich-theatralisch inszeniert und gespielt werden, denn Cimino kann mit geschlossenen Räumen nichts anfangen, öffnet sich der Film plötzlich in der wunderschönen Landschaft Utahs und inszeniert gekonnt die Tragik seines Geschehens. Michael Cimino ist der Mann für Weite und Größe, nicht für Räume und Spannungen von Leuten, die in einem Raum gefangen sind. Die Innenwelt seiner Figuren verlangt das Große einer Landschaft und die Bewegung in ihr.

Mit DIE LETZTEN BEISSEN DIE HUNDE, DIE DURCH DIE HÖLLE GEHEN und HEAVENS GATE fand Cimino die geschickte Symbiose aus Story und der Natur, in der sie spielte. Michael Cimino ist eher ein frecher Cousin von John Houston und braucht für die Spannung seines Geschehens eine Umgebung, die den Kern der Story mitträgt. Und mit Utah hat Cimino eine so atemberaubende und schön gefilmte Landschaft gefunden, in der Morse später sein Ende finden wird, das man sich fragt, wieso er sich dieses Remakes angenommen hat. Mit Sicherheit war es die Spannung der Grundsituation, doch mit der kann die Regie, bis auf wenige Ausnahmen, nicht wirklich viel anfangen. Erst wenn es vor die Tür geht, wird der Regisseur wach und er verlässt das Zeitgeist-Theater der 80er.

Es ist nicht so, das Cimino sich bei den Innenaufnahmen keine Mühe gegeben hätte, auch hier gibt es großartige Kamerafahrten und Einstellungen, doch die Geiselnahme gestaltet sich als zu künstlich, die Inszenierung und die Dialoge hauen heute so nicht mehr hin. Erst zum Ende hin wird der Film durch seine Action geschlossener. Doch leider schafft es der Film nie sich der Zeit zu entheben, in der er entstanden ist. Mit IM JAHR DES DRACHEN konnte sich Cimino noch zeitloser geben und einen auch heute nach passablen Triaden-Film abliefern, denn Chinatown ist Chinatown und Triade ist Triade. Doch hier will der Funke nicht überspringen.

Teilweise wirklich gut gefilmt und auch nicht untalentiert in Szene gesetzt, kann der Film heute so nicht mehr überzeugen. Utah ist schön und Blut ist Rot, daraus hätte der Film mehr machen können. Doch so bleibt 24 STUNDEN IN SEINER GEWALT ein übergroßes TV-Drama, das zwar auf Kino umschalten kann, aber am Ende doch recht klein bleibt. Michael Cimino findet zu wenig Momente, um sein Talent zu aktivieren und verweist den Film in seiner Filmografie so auf die hinteren Plätze.

Das Bild der BD ist sauber und klar, kein Körnchen krümmt das Vergnügen und die Aufnahmen von Utah hätte ich gerne als Poster. Als Extra gibt es den englischen Trailer und eine Bildergalerie.

Trailer:

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