Mit „Disenchantment“ bringt „Simpsons“-Schöpfer Matt Groening seine dritte Serie ins heimische Wohnzimmer. Anders als bei seinen Vorgänger-Serien, ist Groenings Fantasy/Zeichentrick-Comedy nicht im herkömmlichen TV zu sehen, sondern kann in Gänze auf NETFLIX aufgerufen werden. Auch ich habe nun endlich alle zehn Episoden gesehen und verrate euch meine Eindrücke.

Originaltitel: Disenchantment

Buch: Matt Groening

Sprecher (Original): Abbi Jacobson, Nat Faxon, Eric André, John DiMaggio…

Sprecher (Deutsch): Jenny Löffler, Heiko Akrap, Christian Intorp, Marko Bräutigam…

Artikel von Christopher Feldmann

Der Hype war groß, als NETFLIX die neue Serie von Matt Groening ankündigte und ähnlich hoch waren die Erwartungen. Immerhin hat der Autor und Comic-Zeichner mit „The Simpsons“ (seit 1989) die bis Dato langlebigste Zeichentrickserie aller Zeiten geschaffen, welche mit über 600 Folgen immer noch ein großes Publikum findet. Auch seine zweite Kreation, „Futurama“ (1999-2003/2007-2013), feierte große Erfolge. Während „The Simpsons“ als gesellschaftskritische Comedy mit Popkultur-Referenzen und Slapstick-Humor punkten konnte und, streckenweise, immer noch kann, war „Futurama“ vollends eher auf ein Nerd-Publikum zugeschnitten. Nun liegt uns „Disenchantment“ vor, die wesentlich massenkompatibler daher kommt, als sein, dem Science-Fiction-Genre zugeordneter, Vorgänger. Dass Groening etwas mehr in Richtung Mainstream schielt, tut der charmanten Zeichentrickserie keinen Abbruch, denn „Disenchantment“ macht viel Spaß und bietet einige interessante Figuren und Ideen, die die Serie äußerst sehenswert machen.

Prinzessin Bean (Abbi Jacobson) führt ein tristes Leben im Königreich Dreamland. Während sie unter der strengen Ägide ihres Vaters, König Zog (John DiMaggio), einen Prinzen heiraten soll, damit das Königreich ein hilfreiches Bündnis eingehen kann, hat Bean keine Lust sich den Gepflogenheiten des königlichen Hofes unterzuordnen. Stattdessen geht sie lieber in Pubs, betrinkt sich und ist der einen oder anderen Rauferei nicht abgeneigt. Eines Tages begegnet sie dem Elfen Elfo (Nat Faxon), der sein Elfenreich verlassen hat, da ihm die überschwängliche Heiterkeit zunehmend auf den Sack ging und er das wahre Leben mit allen Höhen und Tiefen kennenlernen wollte. Das Trio vervollständigt der Dämon Luci (Eric André), der geschickt wurde um Bean vom rechten Pfad abzubringen, was die rebellische Prinzessin aber auch gut alleine schafft. Gemeinsam erleben sie zahlreiche Abenteuer.

„Disentchantment“ ist im Mittelalter angesiedelt und kombiniert verschiedenste Motive. Ein bisschen „Game of Thrones“, etwas norwegische Mythologie, eine Prise klassischer angelsächsischer Legenden und ein gehöriger Schuss Märchen alà Gebrüder Grimm. Die Serie folgt keinem klassischen Vorbild oder Struktur, sondern bedient sich frei bei diversen Vorlagen, was sehr sympathisch ist. So verkommt Groenings Fantasy-Comedy nie zur reinen Parodie, sondern bleibt immer überraschend. Anders als in „The Simpsons“, besitzt „Disenchantment“ eine stringente Erzählung und wird nie episodisch, was dem Erzählfluss durchaus zu Gute kommt. Der Humor ist dabei ganz im typischen Groening-Stil und greift Probleme und gesellschaftliche Missstände des 21. Jahrhunderts auf und transportiert sie in das mittelalterliche Setting, um es überspitzt zu parodieren. Aber nicht nur aktuelles Zeitgeschehen wird aufs Korn genommen, natürlich tobt man sich genüsslich in den typischen Konventionen klassischer Märchen und Legenden aus. Hier bekommt jeder sein Fett weg, was in einigen Momenten ganz besonders großartig ist. Wenn zum Beispiel das Märchen von „Hänsel & Gretel“ aufgegriffen wird, nur um ihm einen sehr schönen Twist zu verpassen, dann hat man als kundiger Zuschauer seine pure Freude. Klar, „Disenchantment“ ist nicht so gut wie „The Simpsons“ zu ihren besten Zeiten aber die Serie will sich auch gar nicht mit Groenings größtem Erfolg messen. Das macht sich schon dadurch bemerkbar, dass man die Popkultur-Verweise extrem heruntergefahren hat. Anstatt Seitenhiebe auf Schauspieler XY oder Film XY zu verteilen, arbeitet die Serie mehr mit ihrem Setting und erzählt kleine Geschichten, verpackt in eine große Rahmenhandlung. Man schafft es auch hier viele kleine Gags zu platzieren, die dem Zuschauer vielleicht erst bei dem zweiten Mal auffallen. Man muss sich aber auch im Klaren sein, dass man hier viel Wert auf die Charaktere legt und nicht eine Punchline oder Slapstick-Szene nach der anderen um die Ohren gehauen bekommt, stattdessen gibt es viel Dialogwitz, Anspielungen und absurde Momente. Auch nicht jeder Gag sorgt für den ganz großen Lacher, jedoch fügt sich der Humor gut mit der Geschichte zusammen und ergibt ein homogenes Ganzes. Jedoch präsentiert sich die Gangart der Serie sehr viel progressiver als es noch bei „The Simpsons“ oder „Futurama“ der Fall war. Graphisch ist „Disenchantment“ weniger für Kinder geeignet und richtet sich mehr an ein älteres Publikum.

Die Figuren sind eigentlich der größte Trumpf der, bisher, zehn Episoden umfassenden Comedy. Bean ist eine emanzipierte Frauenfigur, die gerne Abenteuer erlebt und sich mit Männern messen kann. So trinkt sie und macht gerne einen drauf. Sie setzt sich gegen die Konventionen zu wehr und verzichtet gerne auf den, ihr präsentierten, Prinzen, den sie heiraten soll. Bean ist eine Figur, die aus dem Käfig ausbrechen möchte und es auch tut, ohne dabei in irgendeiner Form gerettet werden zu müssen. Sie kann auf sich selbst aufpassen, was ein netter Twist auf bekannte Märchen-Formeln ist und die klassische Prinzessin in ein aktiveres und differenzierteres Bild rückt. Das sticht besonders in der vierten Episode hervor, als Bean eine Party im Schloss veranstaltet und nach einem Mann für eine Nacht sucht. Nicht für die Ehe, nicht für eine Beziehung, sondern einfach nur für eine heiße Nacht ohne Verbindlichkeiten. Hier kommt die Emanzipation besonders zum Tragen, denn warum sollen Frauen nicht auch mal Spaß haben? Die Charaktere besitzen eine Entwicklung und erst gegen Ende der, zehn Episoden umfassenden, Staffel lernt die wahren Bewegründe des Königs kennen und welche Hintergründe Luci umgeben. König Zog ist dabei vordergründig ein egomanischer Dummkopf und weist nicht zufällig Parallelen zu Donald Trump auf. Dies sorgt für viele unterhaltsame Gags, die sich mit der Ahnungslosigkeit des Königs befassen. Elfo und Luci fungieren meist als gegensätzliche Figuren im Stil des bekannten Engel und Teufel-Schemas. Während Elfo Lust auf Abenteuer hat aber trotzdem oft an die Vernunft appelliert, ist der Dämon Luci für das Abkommen vom rechten Weg zuständig und liefert viele Steilvorlagen für absurde Momente. Natürlich sind die daraus resultierenden Gags im typischen Groening-Stil, werden aber nie infantil und verkommen auch nicht zum blosen Selbstzweck. Der Animationsstil ist etwas anders als bei „The Simpsons“ aber durchaus ähnlich. Viele haben bisher den Look von „Disenchantment“ kritisiert, ich mag ihn eigentlich sehr gerne aber ich bin auch kein Experte auf diesem Gebiet. Die einzelnen Episoden haben eine Laufzeit von ca. 30 Minuten und sind somit leicht konsumierbar.

Fazit:

Mit „Disenchantment“ liefert Matt Groening seine neue Serie ab. Etwas weniger kultig als „The Simpsons“, aber immer noch spaßig genug um zu unterhalten. Emanzipierte Figuren, teilweise charmante Gags und eine gelungene Erzählung machen die Serie auf jeden Fall sehenswert!

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