In diesem neuen Artikel aus meiner Classics-Reihe, möchte ich diesmal eine Komödie vorstellen, die zu den Besten ihres Genres zählt. Robert Moores „Eine Leiche zum Dessert“ (1976) strotzt nur so vor genialen Gags und Wortspielen, und ist gleichzeitig eine augenzwinkernde Parodie auf klassische Kriminalgeschichten. Warum dieser Film ein absolutes Must-See darstellt, erfahrt ihr in einer ausführlichen Lobhuldigung.

Originaltitel: Murder by Death

Drehbuch: Neil Simon
Regie: Robert Moore

Darsteller: Peter Sellers, David Niven, Maggie Smith, Peter Falk, Alec Guinness, Truman Capote, James Cromwell…

Artikel von Christopher Feldmann

Vielleicht haben es einige schon in irgendeiner Form bemerkt, dass ich großer Fan von klassischen Kriminalfilmen bin. Immer wenn ein Mord geschieht und ein Rätsel gelöst werden muss, um den Täter zu ermitteln, beziehungsweise zu überführen, habe ich meinen Spaß. Schon als Kind habe ich mit Spannung die Edgar Wallace-Filme im Fernsehen geguckt und die Adaptionen diverser Agatha Christie-Romane genossen. Und auch heutzutage darf es auch gerne mal eine Episode „Columbo“ sein, um mich zu unterhalten. Ich hatte schon immer eine Schwäche diese Detektivgeschichten und werde sie auch immer haben, weswegen „Eine Leiche zum Dessert“ (1976) einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen einnimmt, obwohl es sich hier nicht um einen klassischen Krimi handelt, sondern um eine geniale Komödie, die Konventionen eben genannter Vorbilder clever parodiert und ad absurdum führt. Was Robert Moores Kult-Film so genial macht, will ich euch verraten!

Der exzentrische Millionär Lionel Twain (Truman Capote) will beweisen, dass er der größte Kriminalist aller Zeiten ist und lädt die fünf angesehensten lebenden Detektive in sein Schloss ein, zum Dinner und einer Leiche zum Dessert. Denn um Punkt Mitternacht wird jemand aus der illustren Runde das Zeitliche segnen und keiner wird in der Lage sein das Verbrechen aufzuklären. Unter den Gästen befinden sich Inspektor Sidney Wang (Peter Sellers), nebst Adoptivsohn Willie (Richard Narita), das detektivische High Society-Ehepaar Dick und Dora Charleston (David Niven & Maggie Smith), die belgische Spürnase Milo Perrier (James Coco) mit seinem Assistenten Marcel (James Cromwell), die resolute britische Hobby-Ermittlerin Jessica Marbles (Elsa Lanchester), inklusive ihrer Krankenschwester Miss Withers (Estelle Winwood), sowie der raubautzige Sam Diamond (Peter Falk) aus San Francisco, nebst Sekretärin Tess Skeffington (Eileen Brennan). Es folgt ein turbulenter Abend, der bald schon für große Verwirrung sorgt!

Das Drehbuch zu „Eine Leiche zum Dessert“, im Original witziger Weise „Murder by Death“, schrieb Neil Simon, der sich bereits vorher als Dramatiker für das Theater, sowie als Drehbuchautor, für Filme wie „Barfuß im Park“ (1967) oder „Ein seltsames Paar“ (1968), einen Namen gemacht hatte. Es ist wahrlich nicht weit hergeholt, dass Simon mit dem Skript zu „Eine Leiche zum Dessert“ sein Meisterstück abgeliefert hat. Die Komödie versteht sich als Parodie bekannter Muster der klassischen Kriminalliteratur und zieht die bekannten Klischees jener Vorbilder genüsslich durch den Kakao. Man kennt ja den klassischen Ablauf von Geschichten alá Agatha Christie. Es passiert ein Mord, der Ermittler tappt im Dunkeln und muss in Folge dessen ein kniffliges Rätsel aus Indizien lösen, um letztendlich das Motiv und den dazugehörigen Mörder zu überführen. Oftmals bedienen sich diese Geschichten zahlreicher falscher Fährten, um den Leser, beziehungsweise Zuschauer, in die Irre zu führen. Auch werden gewisse Sachverhalte gerne mal zurückgehalten, um später für einen Twist zu sorgen, der das bereits Geschehene bewusst auf den Kopf stellt. Simons Skript macht diese Eigenheiten zum Dreh und Angelpunkt des Films und führt sie bewusst ins Absurde, denn die Geschehnisse in „Eine Leiche zum Dessert“ ergeben bewusst keinen wirklichen Sinn. Der Zuschauer bekommt eine Menge an hanebüchenen Wendungen vorgesetzt, dass es schlicht unmöglich ist, den wahren Grund zu erraten. Auch in der Auflösung knickt der Film nicht ein und lässt den Betrachter verwirrt zurück. Ein gekonnt frecher Seitenhieb auf konstruierte Geschichten und ihre Autoren, der nachklingt und nur wirklich zündet, wenn man mit den Vorbildern einigermaßen vertraut ist. Dabei lässt es sich der Film nicht nehmen, die Kernaussage des Films wörtlich darzustellen, die sich darin bemerkbar macht, dass der Zuschauer vergeblich nach einem Sinn in der Handlung sucht:

„Ihr Kriminalhelden seid so lange so clever gewesen, dass ihr euch inzwischen wie Götter vorkommt. Mit der billigsten Effekthascherei führt ihr eure Leser an der Nase herum. Ihr quält sie mit aus den Fingern gesogenen Schlüssen, die keinen Sinn ergeben. Noch auf den fünf letzten Seiten führt ihr Charaktere ein, die im ganzen Buch mit keinem Federstrich erwähnt werden. Informationen werden zurückgehalten, damit ja keiner errät, wer der Täter ist.“

Die angesprochenen Kriminalhelden, die ihre Fälle gierig als Romane ausschlachten lassen, sind der größte Trumpf dieses meisterlichen Stück Comedys. Alle Detektive sind Parodien bekannter Figuren aus unterschiedlichen Geschichten bekannter Autoren. Der, von Peter Sellers verkörperte, Inspektor Sidney Wang ist dem Detektiv Charlie Chan nachempfunden, der von Earl Derr Biggers erfunden wurde, inklusive seinem „Number One Son“. Dick und Dora Charleston, gespielt von David Niven und Maggie Smith, sind nach dem Vorbild von Nick und Nora Charles aus der „Thin-Man“-Reihe gestaltet, während Jessica Marbles ganz klar der berühmten Agatha Christie-Figur „Miss Marple“ nachempfunden ist. Der verfressene Milo Perrier und sein Chauffeur Marcel sind Parodien auf Hercule Poirot und dessen Assistenten Hastings, welche ebenfalls von Agatha Christie erfunden wurden. Der Detektiv Sam Diamond stellt eine überzeichnete Version des, von Humphrey Bogart gespielten, Sam Spade aus dem Film Noir-Klassiker „Die Spur des Falken“ (1941) dar. Alle Figuren verwenden die Eigenschaften und Marotten ihrer Vorbilder, um sie überspitzt in den Film einzubauen, woraus große Teile des Humors entstehen. So hat Wang Schwächen bezüglich der Grammatik und ist nie fähig den bestimmten Artikel korrekt zu verwenden, Perrier hat ständig Hunger und entpuppt sich als fresssüchtiger Gourmet (eine Parodie auf Hercule Poirots Leidenschaft für gutes Essen), die Charlestons geben sich übertrieben snobistisch, Jessica Marbles ist die resolute und übertrieben mütterliche Dame und Sam Diamond vereint jegliches Klischee des Film-Noir, indem er ständig flucht, raucht, zur Gewalt neigt und sich als unantastbarer Hard Boiled-Ermittler aufspielt. Besondere Ironie ist die Besetzung von Truman Capote, der sich selbst als Autor des Romans „Kaltblütig“ (1966) einen Namen machte, in dem er auf die bereits erwähnten Tricks verzichtete und das Genre neu definierte. Das ist aber nicht der einzige witzige Umstand, der „Eine Leiche zum Dessert“ so sehenswert macht. Neben der Meta-Ebene brilliert die Komödie mit einer ganzen Kanonenladung voller Gags. Es vergeht kaum eine Minute ohne ein gelungenen Wortwitz oder ein Slapstick-Element. Dies zieht sich über die gesamte Laufzeit von gerade einmal 95 Minuten, was den Film erstaunlich kurzweilig gestaltet, denn Langeweile hat hier keinen Platz.

Regisseur Robert Moore verlässt sich dabei auf das geniale Skript und hält sich in Sachen Verspieltheit etwas zurück, hat aber ein glänzendes Gespür in Bezug auf Timing. Jeder Gag sitzt und ist dermaßen zitierfähig, dass man seine helle Freude hat. Besonders die, mit Stars gespickte, Besetzung trägt diesen Film. David Niven, Maggie Smith, Peter Sellers, Peter Falk und James Cromwell sind die großen Namen in diesem Spiel, welches von Truman Capote abgerundet wird. Ein besonderer Knaller ist Alec Guinness, der Ur-Obi Wan Kenobi, als blinder Butler Mr. Bensonmumm allerlei Auseinandersetzungen mit seiner taubstummen Köchin führen muss. Allein das ist schon eine goldene Kombination. Alle beteiligten sind absoluter Spiellaune und veredeln diese Perle bis auf den letzten Filmmeter. Dabei überzeugt sogar die deutsche Synchronisation, welche von Rainer Brandt angefertigt wurde. Diese hält sich eng an den Witz des Originaltons und schafft es die Gags sehr gut in die deutsche Sprache zu transformieren. Dabei kommen versierte Sprecher wie Friedrich G. Beckhaus, Jürgen Thormann, Thomas Danneberg, Friedrich Schoenfelder und Harald Juhnke zum Einsatz. Besonders Juhnke stellt mit seinem Kaugummi-Englisch, auf Peter Falk, ein absolutes Highlight dar.

In Deutschland hat es Robert Moores Kult-Komödie leider noch nicht in das HD-Zeitalter geschafft. Der Film ist lediglich für kleines Geld auf DVD oder als Digital-Version auf Amazon erhältlich. Es wird also höchste Zeit, dass sich ein Label einer Veröffentlichung auf Blu-Ray annimmt!

Fazit:

„Eine Leiche zum Dessert“ (1976) ist eine meiner Lieblingskomödien. Die gagreiche, und starbesetzte, Parodie zieht genüsslich die Klischees und Konventionen der klassischen Kriminalliteratur durch den Kakao und überzeugt als ausgesprochen cleverer Kommentar auf ein ganzes Genre, zu einer Zeit als „Meta“ noch gar nicht erfunden war. Definitiv ein Film, den Filmfans unbedingt gesehen haben sollten!

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