Krimifans bekommen mit der neusten Veröffentlichung aus dem Hause FILMJUWELEN ein ganz besonderes Schmankerl geboten, denn mit „Ein Unbekannter rechnet ab“ (1974) hat das Label die Verfilmung des berühmten Agatha Christie-Romans in das HD-Zeitalter transportiert. Grund genug, um darüber zu sinnieren, inwiefern der „Whodunit“ sich anno 2018 schlägt.

Originaltitel: And Then There Were None (alt. Ten Little Indians)

Drehbuch: Erich Kröhnke, Enrique Llovet, Harry Alan Towers
Regie: Peter Collinson

Darsteller: Oliver Reed, Elke Sommer, Richard Attenborough, Gert Fröbe, Herbert Lom, Adolfo Celi…

Artikel von Christopher Feldmann

Ich bin seit jeher ein Fan von Agatha Christie, begründet durch die Vielzahl an hochkarätigen Filmadaptionen. Egal ob die Poirot-Filme mit Peter Ustinov oder die Miss Marple-Geschichten mit der guten alten Margaret Rutherford. Wenn der Mörder zuschlägt und im Nachklang Beweise gesammelt werden müssen, um selbigen zu überführen, bin ich mit dem Herz dabei, auch wenn das Muster immer wieder wiederholt wird. Mit „Ein Unbekannter rechnet ab“ (1974) erwartet uns eine klassische Verfilmung des wohl berühmtesten und meistverkauften Romans von Agatha Christie, „And Then There Were None“ (1939), der in Deutschland bis ins Jahr 2003 noch unter dem Titel „Zehn kleine Negerlein“ geläufig war. Heute natürlich nicht mehr, weil Political Corectness und so! Die hochkarätig besetzte, von Harry Alan Towers produzierte, Romanverfilmung weißt zwar alle Elemente eines spannenden Krimis auf, aber so ganz begeistern konnte sie mich nicht.

Handlung:

Zehn Personen werden von einem mysteriösen Unbekannten unter unterschiedlichsten Vorwänden in ein abgelegenes Hotel in der iranischen Wüste eingeladen. Der Hausherr zeigt sich zwar nicht, jedoch bekommen die Gäste über ein Tonband den Grund für die Einladung präsentiert. Jeder wird mit einem ungesühnten Verbrechen konfrontiert, an welchem er beteiligt gewesen sein soll und das ausstehende Todesurteil soll nun vollstreckt werden. Unter ihnen befinden sich unter anderem der Privatdetektiv Wilhelm Blore (Gert Fröbe), die Schauspielerin Ilona Morgan (Stéphane Audran), der General André Salvé (Adolfo Celi), und der Richter Arthur Cannon (Richard Attenborough). Der unbekannte Gastgeber lässt sich nicht lange bitten und nacheinander müssen die Anwesenden ihr Leben lassen. Man ist sich sicher, der Mörder ist unter Ihnen!

„Ein Unbekannter rechnet ab“ ist bei Weitem nicht die erste Adaption des Bestsellers. Bereits 1943 wurde er als Theaterstück auf die Bühne gebracht und 1945 unter dem Titel „Das letzte Wochenende“ verfilmt. Unter der Regie von George Pollock entstand im Jahr 1965 ein weiterer Film unter dem Titel „Geheimnis im blauen Schloß“, in dem sich internationale Größen wie Shirley Eaton, Marianne Hoppe und Mario Adorf die Ehre gaben. „Ein Unbekannter rechnet ab“ ist also die vierte Version des berühmten Stoffs, wenn man einen deutschen Fernsehfilm aus dem Jahr 1969 mal außen Fort lässt. Die hier vorliegende Version krankt vor Allem an einem Umstand, nämlich die Länge von gerade einmal 90 Minuten. Die Drehbuchautoren haben den Originalstoff zwar adäquat adaptiert aber ihn auf in eine schneidige Länge gepresst, so dass erstaunlich viel Charakterentwicklung einbüßt. Der Zuschauer muss sich damit zufrieden geben, dass die einzelnen Figuren sich zum Beginn kurz vorstellen und ihre Daseinsberechtigung erläutert wird, mehr erfahren wir nicht wirklich. Somit bleiben die „Ten Little Indians“, so der alternative Titel, erstaunlich blass. Dem Film fehlen Identifikationsfiguren, die die Story tragen und uns mitfiebern lassen. Wenn dann nacheinander gestorben wird, wurde ich in keiner Weise berührt. So verkommt der Krimi quasi zum gewöhnlichen Slasherfilm, der lediglich Abziehbilder anbietet, um sie möglichst effektiv in den Tod zu schicken. Erschwerend hinzu, kommt die Tatsache, dass man sich einen neuen Schluss ausgedacht hat, den man mehr schlecht als recht in den Film integriert hat. Warum man dies bei einer so berühmten Vorlage tut, erschließt sich mir nicht wirklich.

Die fehlende Charakterzeichnung ist umso schmerzlicher, da man hier eigentlich ein famoses Ensemble auffährt, welches komplexe Figuren durchaus hätte spielen können. Mit Richard Attenborough, Gert Fröbe, Oliver Reed, Elke Sommer, Maria Rohm, Herbert Lom, Alberto de Mendoza, Elke Sommer und Adolfo Celi tummeln sich hier eigentlich äußerst verdiente Gesichter des Kinos der 60er und 70er Jahre. Als Stimme des Unbekannten fungiert in der Originalfassung sogar niemand geringeres als Orson Welles. Damit reiht sich „Ein Unbekannter rechnet ab“ problemlos in die bekannten Christie-Verfilmungen ein, die fast ausschließlich ein Star-Aufgebot zu bieten haben. Auch hier kann man über die schauspielerischen Leistungen in keiner Weise meckern, denn die Mimen machen aus dem Material das Beste. Leider ist auch die Inszenierung eher auf TV-Niveau. Mit einem Hotel in der iranischen Wüste, hat man auch den Schauplatz geändert, da sich das Geschehen im Roman auf einer Insel abspielt. Das ist nicht schlimm, doch der Regisseur Peter Collinson macht recht wenig aus seinem Setting, da er nur spärlich Bilder findet, die im Gedächtnis bleiben. Auch mit dem Spannungsbogen hat es Collinson nicht so wirklich, denn so richtig Nervenkitzel stellt sich nicht ein. Die Morde geschehen schnell und kaum sichtbar, die Liste wird im Schnellschritt abgearbeitet, da man ja auch nur 90 Minuten zur Verfügung hat. So erreicht der Film kaum Tragweite und irgendwann ist dem Zuschauer auch egal, wer jetzt der Mörder ist, vorausgesetzt er kennt die Vorlage oder eine andere der zahlreichen Verfilmungen. Das schmerzt, wenn man bedenkt wie viel Potential sichtbar vorhanden war.

Die Blu-Ray aus dem Hause FILMJUWELEN kommt, wie gewohnt, im Keep-Case mit Schuber daher und bietet den Krimi in einer restaurierten HD-Fassung, natürlich ungeschnitten. Das Bild sieht relativ gut aus, bietet aber nicht die Tiefenschärfe, die ich mir gewünscht hätte. Ähnlich der Veröffentlichung von Sergio Corbuccis „Leichen pflastern seinen Weg“ (1968), der es auch an Details gemangelt hat. Der DTS 2.0-Ton ist dafür optimal und bietet einen guten Klang. Als Bonusmaterial gibt es, neben dem originalen Kino-Trailer, ein 28-seitiges Booklet mit vielen Hintergrundinformationen, was sich sehr begrüßt habe.

Fazit:

Die Agatha Christie-Verfilmung „Ein Unbekannter rechnet ab“ (1974) ist ein eher lauwarmer Thriller. Die Inszenierung ist behäbig, die Figuren bekommen keine richtige Tiefe und die Spannung geht recht schnell verloren. Eine vergeudete Chance, wenn man bedenkt welch hochkarätiges Ensemble man hier versammeln konnte. Das ist auch der einzige Faktor, weshalb sich Filmfans diesen Streifen mal ansehen sollten/könnten. Die Blu-Ray bietet dazu ein nettes aber nicht weltbewegendes Upgrade zur bisher erhältlichen DVD-Veröffentlichung.

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