Nach einer Reihe von eher ungewöhnlichen Genrefilmen, die David Cronenberg als Regisseur für Horrorstoffe bekannt machte, folgte mit DIE UNZERTRENNLICHEN ein Film, bei dem Cronenberg zu Gunsten einer verstörenden und beklemmenden Atmosphäre fast gänzlich auf blutige Effekte verzichtete. Obwohl der Film eher ein Theaterstück sein könnte, schuf David Cronenberg mit einem hervorragenden Hauptdarsteller und einer erstklassigen Kameraarbeit ein in sich geschlossenes Werk, das bis heute zu den besten Filmen seiner Karriere zählt. Doch ist der Streifen, der just bei Koch Films erschien, auch heute noch ein Meisterwerk?

Originaltitel: Dead Ringers

Regie: David Cronenberg

Darsteller: Jeremy Irons, Geneviève Bujold, Heidi von Palleske, Stephen Lack

Artikel von Kai Kinnert

Die Story ist genau richtig für David Cronenberg. Die eineiigen Zwillinge Beverly und Elliot Mantle waren schon als Kinder daran interessiert zu operieren und zeigen eine starke, innere Verbundenheit zueinander. Wie siamesische Zwillinge auf geistiger Ebene begannen die beiden eine erfolgreiche medizinische Karriere und spezialisierten sich als Gynäkologen auf die Fruchtbarmachung unfruchtbarer Frauen. Und weil wir hier in einem Cronenberg-Film sind, entwickeln die beiden auch noch ihr eigenes OP-Besteck, das aussieht, als hätte man damit bereits den Nachwuchs von ALIEN entbunden. Die beiden seltsamen und doch brillanten Zwillinge haben also fortan ihre eigene Praxis, die sehr steril wirkt und in der blutrote OP-Anzüge getragen werden, um gynäkologische Eingriffe an Frauen zu vollziehen. Eineiige Zwillinge, in blutroter OP Kleidung mit seltsamen OP Besteck, die ein seltsames Verhältnis zu Körpern haben und als Gynäkologe tätig sind…wer sich in der Praxis behandeln lässt, scheint selber schuld zu sein.

Doch die beiden sind Profis und geübt im Umgang mit Frauen. Während Elliot ein Womanizer ist und mit selbstbewussten Auftreten punkten kann, ist Beverly der sanfte, schüchterne und empathische Teil des Brüderpaars, der immer dann zum Einsatz kommt, wenn mehr Gefühl gefragt ist. Auseinanderhalten kann die beiden sowieso niemand, daher tauschen Beverly und Elliot gerne ihre Rollen im Alltag. Das soll sich ändern, als Claire Niveau in das Leben der Brüder tritt. Mit einer anatomischen Seltenheit ihrer Gebärmutter ist Claire unfruchtbar und bedarf der Hilfe durch die Mantle-Brüder. Erstaunlich schon die Namensgebung der Hauptfiguren: Mantle gleich Mental und Claire bringt plötzlich das Niveau ins Spiel der Brüder. Während der ersten Untersuchungen verliebt sich Claire in den schüchternen Beverly und treibt so einen Keil ins Leben der Brüder. Nicht nur das Claire ihn Tablettensüchtig macht, sie setzt ihm auch den Floh ins Ohr, das nur eine Trennung von Elliot die einzig richtige Schlussfolgerung für ein glückliches Leben mit Claire sei.

Nach und nach versucht sich Beverly von seinem Bruder zu emanzipieren (zumal er auch noch einen weiblichen Vornamen hat) und beide Brüder einigen sich darauf, das nur eine körperliche OP helfen kann, sich endgültig voneinander zu trennen. Damit einer ganz Leben kann, muss der andere sterben. Diese Erkenntnis zieht den Stöpsel in ihrem Leben und so beginnt der Strudel in ein Drogenwahnsinn, der für beide das Ende darstellen wird. Elliot landet auf dem OP Tisch und Beverly holt das gruselige OP Besteck, das sie zuvor an vielen Frauen verwendet hatten.

Basierend auf einen wahren, aber ungeklärten Fall zweier Brüder, die Ende der 70er in New York als Gynäkologen praktizierten und eines Tages vollgepumpt mit Drogen und halb verwesend in ihrem zugemüllten und verwahrlosten Luxusarpartment auf gefunden worden sind, zelebriert David Cronenberg seinen Alptraum als Kammerspiel frei von blutigen Effekten mit einem großartigen Jeremy Irons, der in einfacher und doch geschickter Split-Screen-Technik mit sich selber spielt. Für diesen Film arbeitete Cronenberg zum ersten Mal mit dem Kameramann Peter Suschitzky zusammen, der für diesen Film elegante und doch schnörkellose Bilder und eine großartige Farbgebung gefunden hatte, die Suschitzky fortan zum Stammkameramann für Cronenbergs Filme machte. Braun-Rot-Grün-Blau-Gelb bilden das Farbspektrum und entsprechen nicht zufällig der Farbpalette von verwesendem Fleisch. Der Film verzichtet wahrlich auf jede Art der Effekthascherei, spart mit aufwendigen Kamerafahrten und zeigt Jeremy Irons in nur 5 Szenen mit sich selber spielend im Bild. Zu der schönen Kameraarbeit, den gut aufgelegten Darstellern, einer geschlossenen und durchdachten Regie gesellt sich noch ein gekonnt-unaufdringlicher Soundtrack von Howard Shore, der den Film bis in den letzten Winkel abrundet.

DIE UNZERTRENNLICHEN ist bis heute noch immer einer der besten und beklemmensten Filme von David Cronenberg. Atmosphärisch und von der Geschlossenheit seiner Inszenierung her ist der Streifen wirklich ein Meisterwerk, eben auch deshalb, weil er auf seine bis dahin üblichen Sperenzien aus dem Horrorfilmsegment verzichtete. Der faszinierend schwarze Strudel der Filme Cronenbergs findet hier seinen künstlerischen Höhepunkt. Der Mann machte einige gute Filme, aber nicht viele, die so gut wurden wie DIE UNZERTRENNLICHEN. Ein Tipp für Cineasten.

Das Bild der BD ist makellos und satt und es gibt, neben einem schön gestalteten Mediabook mit interessantem Booklet jede Menge Extras, wie zB Audiokommentare, Interviews, Behind the Scenes, Featuretten zu den Effekten und der Kameraarbeit.

Trailer:

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