Es ist lange her, dass Nicolas Cage in einem guten Film zu sehen war. Unter der Regie des Visionärs Panos Cosmatos, hat der gefallene Hollywood-Star nun ein Werk gedreht, welches im Laufe des Jahres für Furore auf den Festivals sorgte. Der psychedelische Horror-Trip „Mandy“ (2018) trotzt dabei fast jeder Beschreibung und schon bald dürfen sich die Genre-Fans dem fiebrigen Bilderrausch hingeben, denn KOCH FILMS bringt uns den heiß erwarteten Streifen nach kurzer Kinoauswertung ins heimische Wohnzimmer. Ob „Mandy“ dabei den Vorschusslorbeeren gerecht wird, erfahrt ihr in unserer Kritik.

Originaltitel: Mandy

Drehbuch: Panos Cosmatos, Aaron Stewart-Ahn
Regie: Panos Cosmatos

Darsteller: Nicolas Cage, Andrea Riseborough, Linus Roache, Bill Duke, Ned Dennehy…

Artikel von Christopher Feldmann

Wir erinnern uns fast schon wehmütig an eine Zeit, in der der Name Nicolas Cage mal für große Kinounterhaltung stand. Der kalifornische Schauspieler erarbeitete sich in den 80er Jahren den Ruf als vielversprechender Charakterdarsteller, drehte mit David Lynch, John Dahl und den Coen-Brüdern und sorgte auch in diversen Komödien für leichte Unterhaltung im Mainstream-Kino. Mitte der 90er befand Cage sich schließlich auf dem Zenit seiner Karriere. Mit Blockbustern wie „The Rock – Fels der Entscheidung“ (1996), „Con Air“ (1997) oder John Woos „Face/Off – Im Körper des Feindes“ (1997) avancierte er zum Star und Kassenmagnet, für das Alkoholiker-Drama „Leaving Las Vegas“ (1995) heimste er sogar einen OSCAR für den besten Hauptdarsteller ein. Es folgten erfolgreiche Jahre, in denen er zu den Bestverdienern der Branche gehörte, doch Ende der 2000er ging es bergab. Schulden und mehrere Flops in Folge zwangen den, für sein Overacting bekannten, Schauspieler in das Direct to DVD-Fach. Dort hangelte sich Cage von einer Produktion der Güteklasse B bis C zur Nächsten. Anno 2018 erwartet man eigentlich nichts mehr Brauchbares, in dem der einst gefeierte Mime die Hauptrolle spielt. Doch dann kommt ein Film wie „Mandy“ (2018) um die Ecke, ein Film der dermaßen polarisiert, wie kaum ein anderer in diesem Jahr. Zu Recht, denn Panos Cosmatos wilder Rache-Trip ist nichts für Ottonormalverbraucher, sondern ein psychedelisch berauschendes Fest für Genre-Fans mit einem Faible für experimentelle Kunst und visuelle Konzepte.

Handlung:
Kalifornien 1983: Der Holzfäller Red Miller (Nicolas Cage) lebt gemeinsam mit seiner Freundin Mandy Bloom (Andrea Riseborough) in einem abgelegenen Holzhaus in den Shadow Mountains. Das Leben ist idyllisch ruhig und die Beiden geben sich ihrer Liebe hin, bis Mandy auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz, einer Tankstelle, von Jeremiah Sand (Linus Roache) entdeckt wird, dem Anführer einer fanatisch christlichen Endzeitsekte, den „Children of the New Dawn“. Gemeinsam mit einer Gruppe dämonisch wirkender Biker, dringt Sand mit seiner Gruppe in Millers Haus ein und setzt Mandy unter Drogen. Sie soll sich dem egozentrischen Jeremiah, der sich für von Gott auserwählt hält, hingeben, lacht diesen aber nur aus. Vor Reds Augen verbrennen die Mitglieder der Sekte Mandy bei lebendigem Leib und lassen den gepeinigten Holzfäller gefesselt zurück. Doch dieser kann sich befreien, verfällt dem Wahnsinn und macht sich auf die Jagd, um das Leben seiner Feinde erbarmungslos auszulöschen.

Als der Trailer zu „Mandy“ im Netz die Runde machte, ging den Filmfans und Genre-Freunden erstmal ordentlich einer ab. Schnell wurde ein Meisterwerk prognostiziert, ein visuell berauschendes Rache-Fest, ein Horrorfilm der sich jeglichem Vergleich entzieht. Die ersten Kritikerstimmen befeuerten diese Meinungen, denn auf den Festivals wurde der Film begeistert aufgenommen. Die Nachfrage war so hoch, dass man den Streifen sogar in den Kinos auswertete. Aber kann ein Film mit Nicolas Cage diesen Erwartungen standhalten und sie auch erfüllen? Die Antwort ist definitiv JA! „Mandy“ ist ein Erlebnis im positiven Sinne, wenn auch nicht für Jedermann. Die Geschichte könnte dabei aber gar nicht austauschbarer sein, denn was uns der Film an Handlung bietet, ist auch nicht mehr, als das was Liam Neeson in letzten Jahren so getrieben hat. Eine klassische Rachegeschichte über einen einfachen Menschen, dem das genommen wird, was er liebt und nun auf Vergeltung aus ist, koste es was es wolle. Nur sollte gesagt sein, wenn Nicolas Cage aufdreht, kann Neeson mal ganz schnell das Weite suchen. Denn was in diesem Film über den Zuschauer hereinbricht, ist einfach ein audiovisuell faszinierendes Erlebnis. Dabei stört es auch gar nicht, dass das Drehbuch von Aaron Stewart-Ahn und Cosmatos selbst nur Mittel zum Zweck ist. Die Dialoge sind spärlich, die Charaktere bleiben recht oberflächlich und dramaturgisch bietet „Mandy“ auch kein Neuland. Exposition, Vollgas, Ende! Mehr bietet dieses faszinierende Werk nicht. Hier ist definitiv Style over Substance angesagt.

Schon mit „Beyond the Black Rainbow“ (2010) bewies Regisseur Panos Cosmatos, dass er ein verheißungsvoller Newcomer ist. Übrigens ist der kanadische Filmemacher, mit griechisch-italienischen Wurzeln, der Sohn von George P. Cosmatos, der mit den Stallone-Vehikeln „Die City-Cobra“ (1986) und „Rambo II – Der Auftrag“ (1985) für eher geradlinige Kost bekannt war. Anscheinend hat sich hier etwas Talent vererbt, denn dem Sprössling ist hier ein wahres Kunstwerk gelungen. „Mandy“ schwelgt in psychedelischen Bildern und satten Farben, die den Zuschauer förmlich in ihren Bann ziehen. Dabei kokettiert der Film immer wieder mit dem Fantasy-Genre, denn die Umgebung, ein tiefer dunkler Wald, wirkt immer wieder unwirklich, weit entfernt von Zivilisation und Menschlichkeit. Red und Mandy scheinen die einzig guten Lebewesen zu sein, umgeben vom Bösen und der verschlingenden Dunkelheit. Und spätestens wenn Biker auftauchen, die grunzend umherjagen, lässt der Streifen keinen Zweifel mehr übrig, dass sich die Hölle auftut und wir es mit mehr zu tun haben, als einem schnöden Genre-Film. Cosmatos kombiniert Surrealismus und die opernhafte Langsamkeit mit den Elementen des Grindhouse-Kinos. Langsame Kamerafahrten, experimentelle Einstellungen und eine obskure Bildästhetik fügen sich in eine grobkörnige Exploitation-Fantasie aus den hinteren Regalen der 80er Jahre Videothek ein, als hätte sich der grobschlächtigste Rache-Filmer eine Ladung LSD eingeworfen und obsessiv Platten-Cover von Heavy Metal-Bands gesichtet. Denn das ist „Mandy“! Als wäre das wildeste und surrealistischste Artwork einer Schallplatte lebendig geworden. Das hat aber auch Schattenseiten, denn obwohl alles wahnsinnig geil aussieht, und manchmal sogar von gezeichneten Sequenzen unterbrochen wird, gestaltet sich der Film doch sehr langsam. Der Zuschauer muss knapp 90 Minuten visuellen Rausch hinnehmen, bevor Cosmatos in die Vollen geht und Nicolas Cage als zu gekokster Berserker zum Schlachtfest bitten darf. Hier werden dann die Schrauben der Weirdness konsequent angezogen und zum Ende wirkt „Mandy“ wie ein blutverschmierter, surrealer Fiebertraum, bei dem sogar David Lynch der Mund offen stehen bleiben würde, denn das fetzt!

Allerdings kann das Ganze auch zur Geduldsprobe werden, denn Cosmatos verharrt immer wieder in Einstellungen. Speziell die Szene, in der Mandy von Jeremiah entdeckt wird, ist quälend lang und man hat das Gefühl, dass immer wieder zurück gespult wird, um den Moment ins Unermessliche zu treiben. Dabei ist es dem Film fast egal, dass es sich bei den Bösen um Jesus-Freaks handelt, Hauptsache sie sind richtig Evil (-Ed)! Nicolas Cage ist die Rolle quasi auf den Leib geschrieben, denn er darf besonders in der zweiten Hälfte dem Affen ordentlich Zucker geben. Spätestens wenn er in einer einzigen Einstellung dem Wahnsinn verfällt, dabei eine Flasche Schnaps killt und unkontrolliert herumschreit, wissen wir, dass ab sofort Rage-Modus angesagt ist. Linus Roache bildet als Jeremiah dabei den perfekten Gegenpart und chargiert sich sofort ins Gedächtnis. Die beiden schenken sich an Extrovertiertheit Nichts und sorgen somit auch schauspielerisch für eine ähnliche Wirkung wie Cosmatos‘ Ästhetik. Die Nebenrollen sind derweil unscheinbar besetzt. Andrea Riseborough hat nicht viel zu tun, funktioniert aber als humaner Fix-Punkt für die Figuren. Dazu gibt es kleinen Gastauftritt von Bill Duke, dessen Gesicht jedem Fan des 80er Action-Kinos ein Begriff sein sollte.

Besonders erwähnenswert ist noch die Musik von Jóhann Jóhannsson, für den „Mandy“ die letzte Arbeit seiner Karriere darstellt, da er kurz danach an einer Überdosis Kokain starb. Jóhannsson sorgt für einen eindrucksvollen Sound-Teppich, der tief dröhnende Synthesizer-Flächen mit harten E-Gitarren kombiniert und somit nicht nur einen gewissen 80s Vibe erzeugt, sondern auch die Bildgewalt des Films kongenial unterstreicht.

KOCH FILMS bringt nun den Festival-Hit ins Heimkino und wartet dabei mit besonderen Schmankerln auf. Neben der normalen Amaray-Variante, in der „Mandy“ auf Blu-Ray und DVD erscheint, stellt das Label auch eine Mediabook-Version zur Verfügung. Neben dem Standard-Bonusmaterial, welches unter Anderem Trailer, Deleted Scenes, sowie einen Audiokommentar von Patrick Lohmeiner (BAHNHOFSKINO PODCAST) umfasst, sind hier reichlich mehr Extras enthalten, wie zum Beispiel eine Dokumentation in Spielfilmlänge. Wer zu den ganz Harten gehört, kann sich mit der Ultimate Edition schmücken, die neben dem Mediabook auch noch den Soundtrack auf CD, sowie eine 10“ Vinyl Single mit der Musik von Jeremiah Sand enthält. Dazu gibt es noch Retro-Aushangfotos und ein Poster. Gute Arbeit, Koch Films!

Fazit:
Panos Cosmatos‘ „Mandy“ (2018) ist, zu Recht, einer der polarisierendsten Filme des Jahres. Wer hier ein turbulentes Splatter-Fest erwartet, wird enttäuscht sein. Wer allerdings ein Faible für Ästhetik und psychedelische Bilder hat, wird mit diesem künstlerischen Grindhouse-Höllentrip eine berauschende Seherfahrung machen. Nichts für Zartbesaitete, sondern ein Werk, auf das man sich einlassen muss. Aber es lohnt sich!

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