Filme aus Deutschland entfachen regelmäßig Streitgespräche. Entweder bekommt der Zuschauer verkopftes Arthouse-Kino direkt von der Berlinale, oder Schenkelklopfer-Komödien der Marken Schweiger und Schweighöfer. Was dem heimischen, cineastischen Spielplatz fehlt, sind Genre-Filme. Diesem Trend setzen sich Regisseur Adolfo Kolmerer und Autor Arend Remmers entgegen, denn ihr Film „Schneeflöckchen“ (2017) ist ein wilder Genre-Mix mit Meta-Ebene und hoffentlich der erlösende Impuls für das deutsche Kino. Wir haben uns den Film, im Vertrieb von Capelight Pictures, angesehen und verraten euch, ob die erhoffte Erlösung endlich eingetreten ist.

Originaltitel: Schneeflöckchen

Drehbuch: Arend Remmers
Regie: Adolfo J. Kolmerer, William James

Darsteller: Reza Brojerdi, Erkan Acar, Xenia Assenza, David Masterson, Alexander Schubert…

Artikel von Christopher Feldmann

Es begann als wahnwitzige Odyssee, als die Macher hinter „Schneeflöckchen“ zur Tat schritten, um einen Film zu drehen, der anders, innovativ, frisch aber auch unterhaltsam sein sollte. Über fünf Jahre wurde mit kleinem Budget gewerkelt, gekämpft und umgesetzt. Nun steht „Schneeflöckchen“, nach einer Tour über die Festivals, dem deutschen Konsumenten zur Verfügung. Getreu dem Motto „Rebel Without a Crew“ von Robert Rodriguez, versprüht auch „Schneeflöckchen“ den Charme einer Low-Budget Produktion, die von Enthusiasten hergestellt wurde. Von Menschen, die das Medium Film lieben und ihre eigene Vision umsetzen wollten. Dabei herausgekommen, ist ein durchaus unterhaltsamer Streifen, der viele schöne Ideen bietet, jedoch unterm Strich etwas auseinander fällt.

Handlung:
Berlin, in naher Zukunft: Die Stadt ist von Anarchie und Kriminalität gebeutelt. Die beiden Ganoven Tan (Erkan Acar) und Javid (Reza Brojerdi) sind auf der Suche nach dem Mann, der dafür verantwortlich ist, dass ihre Eltern bei einem Brand ums Leben kamen. Derweil sinnt auch die junge Eliana (Xenia Assenza) auf Rache, deren Eltern von Tan und Javid bei einer Schießerei in einem Dönerladen getötet wurden. Gemeinsam mit ihrem Bodyguard Carson (David Masterson) aktiviert sie die miesesten Killer, um den Beiden den Gar aus zu machen. Doch als Tan und Javid ein Drehbuch mit dem Titel „Schneeflöckchen“ in die Hände fällt, welches bis ins letzte Detail ihre Geschichte enthält und Wort für Wort die bisherigen Ereignisse wiederspiegelt, machen sie sich auf die Suche nach dem Autor Arend Remmers (Alexander Schubert). Dieser soll das Drehbuch zu ihren Gunsten umschreiben, was allerdings so manche Folgen mit sich bringt.

„Schneeflöckchen“ ist ein Film, auf den ich mich lange gefreut hatte. Die Vorschuss-Lorbeeren waren groß und die Trailer regten meinen Appetit sichtlich an. Ich hatte Bock auf kreatives Genre-Kino made in Germany, eine Gattung die man hierzulande nur selten findet. Und ja, „Schneeflöckchen“ hat mir wirklich gefallen, war aber letztendlich nicht der ersehnte Kracher, auf den ich gehofft habe. Das liegt zum einen an der Tonalität des Films, denn schon der Anfang, ein witziger Dialog über die Zutaten eines Döners im entsprechenden Kebab-Tempel, erinnert doch stark an „Pulp Fiction“ (1994) und Ko. Das ist fast eines der größten Mankos in meinen Augen, denn hier und in weiteren Szenen offenbart sich sehr oft der Hang zur Referenz an die großen Poster-Boys der Filmnerds, Quentin Tarantino und Robert Rodriguez. Vieles wirkt wie die berühmte „Ich will auch so ein cooler Filmemacher sein und ebenso coole Figuren coole Dialoge aufsagen lassen“, was vor 15-20 Jahren seine Hochzeit hatte, heute aber etwas aus der Zeit gefallen wirkt, denn die Zeit, in der man Tarantino Rip-Offs gemacht hat, sind dann doch schon vorbei. Diesem Vibe kann sich „Schneeflöckchen“ nur selten entziehen und das auch die prophezeite Cleverness der Geschichte einige Federn lassen muss, schmälert den Filmgenuss dann doch etwas. Denn obwohl das Drehbuch eine intelligente Story bietet und diese auch hübsch aufzieht, geht dem Konzept über die zu langen 120 Minuten immer mehr die Luft aus. Sind die Gags zu Beginn noch herrlich spaßig, so nutzen sie sich immer mehr ab. Man verpasst immer wieder den nächsten Schritt, das Ganze weiter aufzudrehen, was vermutlich am knappen Budget lag. So zerfasert der Plot öfters, und es schleichen sich immer wieder längen ein, die man versucht mit Skurrilitäten zu kaschieren, welche dann doch etwas bemüht wirken. Trotzdem steckt in „Schneeflöckchen“ viel Gutes, denn die Wendungen sind clever eingestreut und die losen Fäden werden zum Ende hin doch befriedigend zusammengeführt. Die Dialoge funktionieren und auch die Darsteller leisten solide Arbeit ab. Zwar ist Nichts von Weltformat dabei, jedoch gemessen am Production Value mehr als ordentlich.

Regisseur Adolfo Kolmerer holt indes so viel wie nur möglich aus dem Budget heraus, denn „Schneeflöckchen“ sieht für einen Film seines Kalibers verdammt gut aus. Stimmungsvolle Aufnahmen und Perspektiven, ein guter Schnitt und atmosphärischer Score lassen Potential für die Zukunft erkennen. Es werden mit Hingabe Zitate aus „Der blutige Pfad Gottes“ (1999) oder „Pulp Fiction“ (1994) eingestreut und mit Liebe das Unangepasste zelebriert, denn „Schneeflöckchen“ lässt sich schwer in ein Genre einordnen, da man hier in verschiedenen Sparten wildert. Das ist Fluch und Segen zu gleich. Diese Diversität hält den Film am Laufen, macht ihn immer wieder überraschend und lässt ihn herrlich unkonventionell wirken. Allerdings findet der Streifen keine eigene Nische und will vieles sein, schafft es aber in keine Richtung so richtig. Für einen Horrorfilm ist er zu zahm, für einen Actioner zu unspektakulär und für einen Thriller zu lustig. Ein Konzept, was nicht so wirklich aufgeht aber nie schlecht wird. Kolmerer und Remmers haben sichtlich Spaß an ihren einzelnen Bausteinen und vermischen sie auf sympathische Art und Weise miteinander.

Capelight Pictures hat sich diesem deutschen Kleinod angenommen und lässt eine hübsche Veröffentlichung springen, sowohl auf Blu-Ray und DVD, als auch im schicken Mediabook, welches freundlicherweise dieser Rezension zu Grunde lag. Diese Sammleredition bietet neben einem informativen Booklet über die Macher des Films auch einen Audiokommentar und Featurettes über die lange Produktion. Dazu gibt es noch ein Making Of, einen Clip von der Premiere und den Kinotrailer. Eine runde Sache!

Fazit:
Adolfo Kolmerers „Schneeflöckchen“ (2017) ist ein wichtiger Film, bietet er doch mal endlich wieder frische Ideen im deutschen Kino. Dabei stürzt sich die metageschwängerte Farce mit Anlauf in allerlei Genres und zelebriert förmlich seine unkonventionelle Struktur. Leider trägt diese sich nicht über die zwei Stunden Laufzeit, was immer wieder für Längen sorgt. Auch die offensichtlichen Tarantino-Referenzen und das sich etwas abnutzende Konzept legen dem Zuschauer Steine in den Weg. Trotzdem bleibt ein spaßiger Film übrig, von dessen Sorte ich hierzulande mehr sehen will!

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