Die italienischen Mafia- und Poliziotti Filme der 70er werden hoch gehandelt und teuer verkauft. Man kann schon froh sein, einen der besseren Streifen zu einem angemessenen Kurs zu erstehen. Da bin ich fast dankbar für die bezahlbare Veröffentlichung dieses Klassikers von Genre-Profi Fernando Di Leo, der nach diesem Streifen gleich noch zwei weitere Klassiker ähnlichen Formats ablieferte. Ich freue mich auf die Sichtung des Streifens, der einen tollen Anfang hat und in dem Mario Adorf Dampfhammer-mäßig einen schmierigen Sadisten zum Besten gibt. Ob das heute noch für die Sammlung reicht? Mal sehen. Regie: Fernando Di Leo Darsteller: Gastone Moschin, Barbara Bouchet, Mario Adorf, Frank Wolff, Philippe Leroy Artikel von Kai Kinnert Die Poliziotti-Filme der 70er haben eine gewisse Besonderheit im italienischen Kino. Sie waren, im Gegensatz zu den Western-, Giallo- oder Horrorfilmen, stets lokal geprägt. Die Mafia in Italien ist kein Witz und sie ist bis heute real verwoben mit dem dortigen Alltagsleben. So waren die Poliziotti-Filme von damals immer sehr geprägt von der Atmosphäre der Städte, in der die Handlung spielte, denn Mailand, Neapel, Rom und Sizilien sind tatsächliche Hotspots der Mafia und in ihrer Echtheit unter unglücklichen Umständen auch für Touristen heute noch erfahrbar. Ähnlich wie der HongKong-Film vor 1997 gut 15 Jahre lang das Triaden-Subgenre für den heimischen Markt bereicherte, schufen die Italiener eine Reihe überraschend guter Filme, die erst spät im Ausland Interesse erweckten. Historie macht noch keinen guten Film, aber MILANO KALIBER 9 beginnt schon mal gut. In Mailand findet während der Titelsequenz eine Geldübergabe statt, die am Ende schief geht. Mario Adorf erwartet ein Päckchen mit Geld und bekommt stattdessen nur Blüten. Irgendwas ist während der Übergaben in Mailand schiefgelaufen und so gibt´s fortan auf die Fresse. Naja, etwas defizienter ist die Handlung allerdings schon, aber darauf läuft es heraus. Nach drei harten Jahren verlässt Ugo Piazza (Gastone Moschin) endlich den Knast. Doch die Freude ist nur von kurzer Dauer. Seine Vergangenheit schlägt kaltblütig zu! Man verdächtigt ihn, für den Austausch des Päckchens an Rocco Musco (Mario Adorf) verantwortlich zu sein und Ugo hat schlechte Karten, seine Unschuld zu beweisen. Nicht mal seine Ex-Freundin glaubt ihm. Am Ende stellt sich die Frage, ob er es nicht doch war, der das Geld gegen Blüten eingetauscht hatte. Der Film überrascht positiv auf einigen Ebenen. Wenig überraschend ist, das er voll ist vom ständig drohenden Overacting der 70er. Das macht aber nichts, wenn der Rest der filmischen Patina passt. Und hier passt es. MILANO KALIBER 9 beginnt filmisch gut. Mailand spielt bei der Übergabe des Geldes und im Titel eine prägende Rolle und wird, aufgenommen mit der typischen Handkamera, immer wieder wichtiger Bestandsteil der Handlung. Ähnlich wie der HongKong-Film vor 1997 gut 15 Jahre lang das Triaden-Subgenre für den heimischen Markt bereicherte, schufen die Italiener in den 70ern eine Reihe überraschend gute Filme, die erst spät im Ausland Interesse erweckten. So auch dieser Streifen, der mit einer schönen Atmosphäre beginnt und von einem erstklassigen und fluffigen Filmbeat aus der Feder Luis Bacalovs begleitet wird, der auch die Musik zu DJANGO (1966) komponierte. Außerdem gelang eine gute Kamera, die an manchen Stellen sogar sehr spannende Aufnahmen in den Dialogen findet und plötzlich Einstellungen mit großen Brennweiten und Tiefenschärfe liefert. Mario Adorf spielt zwar, wie vom Genre gefordert, etwas drüber, aber er macht es charmant-brutal und er zeigt eine physische Präsenz und Nähe, die man sich mal wieder in einem seiner TV-Filmen wünschen würde. Dazu kommt eine Tanzszene von Barbara Bouchet in einem Mailänder Nachtclub, die im elegantesten Bahnhofskino-Stil gefilmt worden ist und durch Bouchet auch heute noch durchaus sexy wirkt. Jugendfrei natürlich, aber dennoch stilsicher. Auch die Story um Ugo, der in diesen Komplott geraten ist, wird von Fernando Di Leo solide und zackig umgesetzt. Das mündet in einem Finale, bei dem das Overacting von Adorf plötzlich nützlich für die Rolle wird. Adorf hämmert den Kopf eines Gegners, zwar unblutig, aber dennoch gefühlte 15mal hintereinander auf eine scharfe Kante und brüllt ihn dabei an. Diese Brutalität vollendet glaubwürdig den Dampf in Adorfs Rolle und ist eine der besten Darstellungen in diesem Genre, das eben diese Exaltiertheit einfordert. Auch sonst ist der Streifen gut besetzt und findet mit Gastone Moschin als Hauptrolle einen guten Gegenpart zu Mario Adorf. Die Action ist an einigen Stellen aus heutiger Sicht dann doch etwas skurril. Bei der großen Schießerei wird auch mal hinter Gartenstühlen und Laub Deckung genommen und jeder Treffer ist unblutig und führt zu Verkrampfungen bei den Darstellern. Dennoch bleibt der Rest der Actionmomente in MILANO KALIBER 9 angemessen und filmisch gut gelöst. Es passt einfach mit Mailand. Insgesamt ist der Film auch heute noch ein guter Streifen seines Genres, der mehr Stärken als Schwächen besitzt. Gerade der stimmungsvolle Anfang des Films und seine großartige Musik sorgen dafür, das Fernando Di Leos erster Streifen seiner Trilogie bis heute ein gutes Beispiel für den italienischen Kriminalfilm ist. MILANO KALIBER 9 ist bis heute ein Tipp für die Freunde des analogen Kinos der 70er und passt in die breite Sammlung. Neben der ungeschnittenen Originalfassung des Films gibt es auf der BluRay auch noch die deutsche Kinofassung, eine Einführung von Markus Stiglegger, eine Dokumentation über die Entstehung des Films und über Fernando Di Leo und Trailer. Der Film ist gut restauriert. Bild und Ton sind einwandfrei. Trailer:
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