Mit CREED (2015) gelang es Regisseur Ryan Coogler, die mittlerweile angestaubte Reihe um Kult-Boxer Rocky Balboa nicht nur erfolgreich wiederzubeleben, sondern auch die Fackel an die nächste Generation zu überreichen. Nun schickt Nachfolger Steven Caple Jr. mit CREED II (2018) ein Sequel, und damit den mittlerweile achten Teil der legendären Boxer-Saga, in den Ring. Ob der Film das Niveau des Vorgängers halten kann, oder ob ihm noch vor dem Schlussgong die Puste ausgeht, erfahrt ihr in unserer nachträglichen Kino-Kritik!

Originaltitel: Creed II

Drehbuch: Sylvester Stallone, Juel Taylor
Regie: Steven Caple Jr.

Darsteller: Michael B. Jordan, Sylvester Stallone, Tessa Thompson, Dolph Lundgren, Florian Munteanu, Phylicia Rashad…

Artikel von Christopher Feldmann

Als Hollywoodstar und Action-Legende Sylvester Stallone im Jahr 1976 sein Drehbuch über den unterprivilegierten Boxer Rocky Balboa schrieb, hätte er wohl nie damit gerechnet, dass der daraus resultierende Film in die Geschichte eingehen würde. Wahrscheinlich hätte er auch noch weniger damit gerechnet, dass daraus ein sehr erfolgreiches Franchise entstehen würde, welches im Jahr 2018 immer noch zahlreiche Besucher in die Kinos lockt.  Dabei hat die Boxer-Saga so manche Turbulenzen hinter sich. Vom, sowohl von Publikum als auch Kritikern, gefeierten Erstling und dessen konsequenter Fortsetzung, über die eher actionorientierte Ausrichtung in ROCKY III (1982) und dem reaktionären Fiebertraum ROCKY IV (1985), bis hin zum künstlerischen Desaster in ROCKY V (1990). Keiner glaubte mehr so recht an die charmante Underdog-Geschichte, und auch nicht an ihren Hauptdarsteller, bis Stallone im Jahr 2006 mit seinem Alterswerk ROCKY BALBOA (2006) den Pöblern nochmal eindrucksvoll bewies, was in ihm steckt. Eigentlich ein schöner Abschluss für unseren einfach gestrickten Helden, weshalb die Skepsis beim Sequel/Reboot/Spin-Off CREED (2015) umso größer war. Doch das Boxer-Drama überzeugte auf ganzer Linie, etablierte mit Michael B. Jordan als Adonis Creed eine neue, mitreißende Hauptfigur und verpasste der angestaubten Reihe eine mehr als gelungene Frischzellenkur, die neue Impulse setzte und nicht nur auf der Nostalgie-Welle ritt. Als Sahnehäubchen konnte Stallone noch einmal eine hinreißende Performance hinlegen, die ihm eine OSCAR-Nominierung einbrachte. Dies war auch zum großen Teil Regisseur und Autor Ryan Coogler zu verdanken, dessen neuer Anstrich wirklich begeistern konnte. Nun haben wir die Fortsetzung spendiert bekommen und obwohl Regie-Newcomer Steven Caple Jr. nicht ganz die Klasse seines Vorgängers erreicht und auf Neues verzichtet, schafft es CREED II dennoch, die Geschichte als emotionales Boxer-Drama mehr als stimmig weiterzuspinnen. Und das, obwohl man sich bei der Story auf den wohl trashigsten Eintrag der gesamten Reihe stützt.

Handlung:
Drei Jahre nach seinem Aufsehen erregenden Kampf gegen „Pretty“ Ricky Conlan, hat Adonis Creed (Michael B. Jordan) den lang ersehnten Weltmeistertitel endlich in der Tasche. Trotzdem kann er ihn nicht ganz genießen, da sein Gegner schon längst seinen Zenit überschritten hatte und Adonis immer noch davon überzeugt ist, etwas beweisen zu müssen. Diesen Moment nutzt der ehemalige sowjetische Boxer Ivan Drago (Dolph Lundgren), der einst Apollo Creed im Ring getötet hat, um seinen Sohn Viktor (Florian Munteanu) gegen Adonis antreten zu lassen. Von Rache angetrieben, nimmt er den Kampf schließlich an, entgegen der Warnungen seines Mentors Rocky Balboa (Sylvester Stallone), der aufgrund der Vergangenheit nur zu gut weiß, dass die Dragos nicht zu unterschätzen sind.

So begeistert ich von CREED war, umso größer war meine Angst, dass sich die Macher mit der Fortsetzung verheben könnten. Zum Einen, da Ryan Coogler nur noch als Executive Producer an dem Projekt beteiligt war, zum Anderen, da Sylvester Stallone wieder das Drehbuch beisteuerte. Ich bin zwar ein großer Fan von Sly, weiß aber auch, dass seine Scripts nicht immer Glanztaten waren. Und als noch bekannt wurde, dass man sich bei dem neuesten Eintrag der Reihe ausgerechnet auf ROCKY IV (1985) stützt, dessen Stil und Tonalität so gar nicht zum Spin-Off passen, war ich doch mehr als skeptisch. Umso überraschter war ich, als ich gemerkt habe, dass Stallone und Co-Autor Juel Taylor die Handlungsfäden zu einem stimmigen Ganzen gesponnen haben. CREED II bleibt nämlich dem Vorgänger treu und erzählt die Geschichte einfühlsam weiter, und macht dabei fast schon wieder gut, was Stallone mit dem erzkonservativen vierten Teil verbrochen hat.

Dabei gehen die Autoren jedoch in vielen Belangen auf Nummer sicher. CREED II bietet eigentlich nichts Neues und es passiert auch Nichts, was man nicht schon kommen sieht.  Von den üblichen Charaktermomenten, wie man sie aus fast allen ROCKY-Filmen kennt, über die bekannten Trainingseinheiten, bis hin zu den traditionellen Box-Kämpfen. Der Film nutzt bis zum Schluss das erzählerische Korsett, in dem sich Sly seit über 40 Jahren bewegt. Aber genau Das macht er richtig gut, denn, obwohl man jeden einzelnen Beat kennt, reißt das Geschehen immer noch unfassbar gut mit, was beweist, wie viel Herz Stallone für seinen Charakter und die anderen Figuren hat. Die Story ist dabei ansprechend konstruiert und setzt statt dicker Box-Action noch stärker auf die zwischenmenschlichen Töne. Die Beziehung zwischen Adonis und seiner Freundin Bianca nimmt viel Raum ein und der Film hat, mit der problematischen Schwangerschaft Biancas, einen einfühlsamen Handlungsbogen zu bieten, der angenehm wenig auf die Tränendrüse drückt. Im Kern geht es in CREED II aber natürlich immer noch um die bekannten Themen. Boxer-Ehre, Vermächtnis und Rache stehen hier an vorderster Front und es ist löblich, dass das Drehbuch sich nicht auf platte Phrasen hinab lässt, sondern seine Themen differenziert und menschlich behandelt, was bei der guten Darsteller-Chemie noch besser zur Geltung kommt.

Michael B. Jordan und Tessa Thompson sind wieder vollends überzeugend und spielen äußerst engagiert. Gerade Jordan beweist wieder einmal, warum er zu den vielversprechendsten Darstellern seiner Generation gehört. Als Adonis Creed schafft er es, eine ganze Bandbreite an Emotionen auszuspielen. Von Verlustangst und innerer Zerrissenheit, bis hin zur hitzköpfigen Attitüde, Jordan ist immer on Point und ist weiterhin das perfekte neue Zugpferd für die Reihe. Eigentlich muss man Sylvester Stallone gar nicht mehr loben, denn Rocky kann der Hollywoodstar mittlerweile auf Knopfdruck spielen. Da das Drehbuch aber deutlich mehr Fokus auf andere Charaktere legt, hat der Altstar eine eher untergeordnete Rolle, die in einem berührenden Ende mündet, welches vermuten lässt, dass die Geschichte um den „Italian Stallion“ wirklich aus erzählt ist. Es wäre der passende Zeitpunkt und keiner würde es Sly krumm nehmen, denn gerade im Vorgänger konnte er nochmal zeigen, was für ein guter Schauspieler ist. In CREED II fehlen diese Momente etwas, was wahrscheinlich auch so gewollt war. 

Dafür bietet der Film einen Handlungsbogen, den der Zuschauer wahrscheinlich nie erwartet hätte. Unser liebster Schwede, der B-Action Held Dolph Lundgren, schlüpft wieder in die Rolle des Ivan Drago, die ihn berühmt machte. Und CREED II begeht nicht das Kapitalverbrechen, mit Ivans Sohn Viktor die nächste Generation des tumben Antagonisten vorzustellen, sondern setzt sich erstaunlich einfühlsam mit dem Schicksal der Beiden auseinander. Ivan hat nämlich nach seiner Niederlage gegen Rocky Alles verloren, darunter die Anerkennung seiner Frau und den Respekt der russischen Gesellschaft. Im ukrainischen Exil lebend und auf sich allein gestellt, hat er seinen Sohn Viktor groß gezogen und ihn zur Kampfmaschine trainiert. Mit einem Sieg über Adonis will er nicht nur späte Rache an seinem Erzfeind üben, sondern will auch dafür sorgen, dass sein Sohn eine gute Zukunft hat und nicht als Verstoßener enden muss, wie es Drago am eigenen Leib spüren musste. Daher gibt es für die Beiden nur eines, nämlich den Sieg. Somit bekommt ein ehemals einfach gezeichneter Bösewicht wie Ivan Drago einen tiefen emotionalen Unterbau, der dem Zuschauer wirklich begreifbar macht, warum die Dragos so sind, wie sie eben sind. In dieser Rolle kann Lundgren wirklich glänzen und ich hätte nie gedacht, dass gerade Dolph mir eine Träne ins Gesicht zaubern würde, denn es gibt einen kurzen ergreifenden Moment im Finale, in dem man kurz ziemlich viel Mitleid mit dem russischen Vater-Sohn Gespann hat. Florian Munteanu ist schauspielerisch zwar etwas limitiert, füllt seine Rolle dennoch gut aus und beeindruckt mit einer ziemlich starken Physis. Und weil zu Vater und Sohn normalerweise auch eine Mutter gehört, haben sich die Produzenten nicht lumpen lassen und sogar Brigitte Nielsen wieder vor die Kamera geholt, die bereits in ROCKY IV die Rolle der Ludmilla Drago gespielt hat. Sie hat zwar nur zwei kurze Auftritte aber fungiert als wichtiger Motor für die Tragik, die Lundgrens Figur umgibt.

Inszenatorisch fällt der Film, im Vergleich zum Vorgänger, allerdings etwas ab. Steven Caple Jr. präsentiert zwar stimmige Bilder und schöne Aufnahmen, kann aber in Sachen Finesse nicht mit Cooglers Stil mithalten. Natürlich ist es schwer, im Jahr 2018 und im achten Film einer Reihe, noch interessante Kampfszenen zu drehen, jedoch schneidet der Film immer wieder Richtung Publikum, was die Szenen oft in ihrer Dynamik ausbremst. Wo Coogler die Kamera mitgehen ließ und man das Gefühl hatte, selbst im Ring zu stehen, fühlen sich Caple Jr.’s Box-Szenen schon etwas distanzierter an. Trotzdem bieten auch diese wieder Momente, die ziemlich weh tun und bei denen man öfters zusammen zuckt. Ansonsten hält man sich sehr an den optischen Stil des Vorgängers, was man auch am Score merkt, der wieder eine gesunde Mischung aus modernen Stücken und klassischen Melodien darstellt, wie man sie bei den ROCKY-Filmen gewohnt ist. Somit reiht sich CREED II wirklich gut in das Franchise ein funktioniert auf seiner erzählerischen Ebene zwar besser, als auf der inszenatorischen, aber für den mittlerweile achten Film innerhalb einer Boxer-Reihe ist das schon mehr als nur Dienst nach Vorschrift.

Allerdings birgt der Film auch einen Wermutstropfen für die deutschen Kinogänger. Sylvester Stallone wird nämlich nicht, wie gewohnt, von Stammsprecher Thomas Danneberg synchronisiert. Dieser scheint leider schwer erkrankt zu sein, weshalb man Jürgen Prochnow vor das Mikrofon geholt hat, der Sly bereits in den ersten beiden ROCKY-Filmen seine Stimme lieh. Allerdings ist diese weniger gut gealtert und Prochnow kann die Emotionen leider nicht ansatzweise so gut transportieren, wie es sein Vorgänger tat. Das schmälert den Filmgenuss tatsächlich etwas, da Rocky wie ein leicht versoffener Kettenraucher klingt. Wem das nicht schmeckt, sollte sich den Film im Originalton  ansehen. Wir hoffen, dass Danneberg wieder gesund wird und hoffentlich im kommenden fünften Teil der RAMBO-Reihe wieder auf Stallone zu hören ist.

Fazit:
CREED II – ROCKY’S LEGACY (2018) ist ein einfühlsames Boxer-Drama, welches gekonnt an den großartigen Vorgänger anschließt. Toll gespielt und mitreißend erzählt, krankt der Film eigentlich nur an seiner Überraschungsarmut und seiner etwas lascheren Inszenierung. Allerdings verdient sich die Fortsetzung eine extra Portion Lob, da sie Dolph Lundgren endlich den Auftritt spendiert, den er verdient. Somit ist auch der achte Teil der Saga ein klarer Gewinner und eine absolute Empfehlung, nicht nur für Stallone-Fans, sondern auch für normale Kinogänger, die mal wieder gutes Charakterkino sehen wollen!

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