Kommen wir zum gruseligen Höhepunkt der zweiten Staffel der NEON GRUSELSERIE von EUROPA… zumindest für einen Teil der Fans. Denn diese Folge spaltet die Fangemeinde. Unbestritten ist zwar die wohl unheimlichste Atmosphäre aller Folgen hier zu finden (immerhin spielt ein Großteil der zweiten Hörspielhälfte in einem dunklen Keller), doch die Charaktere sind es diesmal, die so manchem Fan sauer aufstoßen. Denn hier geraten zwei tratschende, alte Damen in Bedrängnis durch das Monster. Die Einen findens köstlich, die Anderen wenden sich mit Grauen ab. Und dann ist da noch die Sache mit dem Eimer…

Cover der 1981er / 1999er Auflage (MC, LP bzw. CD)

Cover der 1987er Auflage (Techno-Edition, MC)

Regie: Heikedine Körting

Buch: H.G. Francis

Sprecher: Gisela Trowe, Katharina Brauren, Elke Reissert, Wolfgang Draeger, Henry Kielmann, Roswitha Benda, Karl-Ulrich Meves, Aranka Jaenke

Klappentext:

Wieder sind die Vollmondnächte da. Henry Aston spürt, wie das Böse sich in ihm regt, daß es ihn in ein Ungeheuer verwandeln will. Um das Entsetzliche abzuwenden, läßt er sich im Keller seines Hauses einsperren. Dennoch nimmt das Schicksal unweigerlich seinen Lauf; das Böse siegt: der Werwolf kommt … und tötet. Welche Kräfte des Bösen sind es, die über das Haus der Astons gekommen sind? – Zwei Ladies, klug und weise, sind dem Geheimnis auf der Spur. Werden sie es lösen?

Artikel von Christian Jürs

Seit Tagen mache ich mir Gedanken über den Ansatz dieser Rezension. Soll ich entscheidende Handlungseckpunkte spoilern oder nur andeuten? Immerhin gibt es hier einen Kniff, der am Ende wirklich überrascht. Mit welchen Worten beginne ich überhaupt meine Rezension? Soll ich auf den Klappentext eingehen, der die beiden alten Damen als „klug und weise“ (*hüstel*) bezeichnet? Ach, ich fang einfach am Anfang an und schaue mal, wohin die Reise führt.

Wolfgang Draeger

Alles beginnt mit einem nächtlichen Spaziergang Susan Claytons (Roswitha Benda) und ihrem Verlobten Ben (Henry Kielmann). Plötzlich hört Susan ein unheimliches Geräusch aus der Ferne. Ein Geräusch, welches von einem wilden Tier zu kommen scheint. Ben versucht sie zu beruhigen: „Ich beschütze Dich.“ meint er noch, dann schlägt das Monster zu.

„An einem Spätnachmittag im Juni kam ich ins Wohnzimmer, Herr Kommissar. Henry war dort und versuchte etwas rasch wieder in einer Schublade verschwinden zu lassen, um es vor mir zu verbergen…“

Mit diesen Worten Vera Astons (Elke Reissert) wird im Anschluss die Haupthandlung eingeleitet. Wir lernen das Ehepaar Aston kennen, welches ein düsteres Geheimnis zu verbergen versucht. Henry (Wolfgang Draeger) hält sich offenkundig für den titelgebenden Werwolf und hat daher eine Waffe mit Silberkugeln besorgt. Dabei kann er eigentlich nicht der Mörder sein, da seine Frau ihn in den Vollmondnächten immer im Keller ankettet und einsperrt. Jedem seinen Fetisch, sag ich immer.

Elke Reissert

Die Lage spitzt sich dramatisch zu, als sich Veras Mutter Hethy (Katharina Brauren) und ihre Schwester Martha (Gisela Trowe) zu Besuch anmelden. Die beiden Grazien gelten nämlich als besonders neugierig und haben auch nicht die Absicht, vor dem nächsten Vollmond wieder abzureisen. Die Tatsache, dass ihnen Kommissar McCallun (Karl-Ulrich Meves) einen Besuch abstattet um von mysteriösen Mordfällen in den Vollmondnächten zu  warnen, weckt nur noch mehr die Neugier der alten Schachteln (von wegen klug und weise). Eine Nacht des Grauens steht ihnen bevor…

Nachdem der erste Werwolfeinsatz innerhalb der Neon-Gruselreihe ein eher mäßiges Vergnügen war (DAS DUELL MIT DEM VAMPIR), gelangen H.G. Francis und Heikedine Körting hier eine atmosphärische Bombe, die weitestgehend positiv angenommen wurde. Nur einige Wenige störten sich an den beiden alten Damen, die beide die schrulligen Eigenschaften einer Miss Marple in sich vereinen.

Katharina Brauren

Allein die Tatsache, dass wir uns hier nicht irgendwo in einem fernen Hotel oder Schloss befinden, sondern im Wohnblock um die Ecke, macht den Horror allgegenwärtig. Zudem sind dunkle Keller natürlich ein prima Gruselsetting, denn dort spielt sich im letzten Drittel ein Großteil der Handlung ab. Natürlich begeben sich Hethy und Martha in diesen hinab, nachdem sie von dort unheimliche Laute vornommen haben. Dass sie dabei immer wieder einen Blecheimer umwerfen, der laut polternd die vermeintliche Stille durchbricht, funktioniert sowohl als Running Gag, wie als atmosphärischer Jumpscare. Ich erinnere mich, dass ich als kleiner Steppke ziemlich die Buchse voll hatte, wenn der Werwolf, der genauso klingt, wie der Affe in DIE NACHT DER TODESRATTE, anfing zu heulen.

DIE TÖDLICHE BEGEGNUNG MIT DEM WERWOLF schafft es locker in meine Top 5 der Neon-Gruselreihe, auch wenn mein Lieblingserzähler Günther Ungeheuer hier durch Abwesenheit glänzt. Seinen Part nimmt hier stellvertretend Elke Reisserts Figur Vera Aston ein, deren zwischengestreute Aussagen dem Kommissar gegenüber die wohl genialste Idee dieses Hörspielklassikers darstellt. Der Anfang ist das Ende. Einfach klasse, muss man gehört haben. Da geraten alle, wie üblich auftretenden Logikfehler (warum zum Beispiel leiht sich die Nachbarin mitten in der Nacht den Grill der Astons? Mitternachtsangrillen?), in den Hintergrund.

Gisela Trowe

Ich kann diesen Gruselklassiker wirklich jedem Hörspiel- und Werwolffan wirklich nur ans Herz legen und verrate soviel: Tante Martha ist nicht der Wolfsmensch, denn die wäre ja, laut Hethy, klapprig und mit einem künstlichen Gebiss ausgestattet.

Zuletzt sei noch darauf hingewiesen, dass als DREAMLAND GRUSEL Nummer 5 ein Sequel unter dem Titel WOLFSNÄCHTE entstand, in dem drei Überlebende der tödlichen Begegnung Jahre später zurückkehrten.

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