Nur eineinhalb Monate bevor wir in AVENGERS ENDGAME endlich erfahren, welche Marvelhelden uns nun wirklich endgültig verlassen haben und auch werden, fixt uns DISNEY noch schnell mit einer neuen Superheldin an, die zum Team rund um Tony Stark und Co. dazustoßen wird. Die Rede ist von CAPTAIN MARVEL, die geduldigen Zuschauern nach den Endcredits von AVENGERS INFINITY WAR bereits angeteasert wurde. Ob das MCU Universum mit seinem ersten Superheldinnen-Solofilm eine ähnliche Bereicherung erlebt wie DC mit WONDER WOMAN, haben wir für Euch geprüft.

Regie: Anna Boden, Ryan Fleck

Darsteller: Brie Larson, Samuel L. Jackson, Jude Law, Annette Bening

Artikel von Christian Jürs

Hamburg, Dienstag 05. März 2019 im großen Saal des Savoy Kinos. Das Licht geht aus und das gut gefüllte Kino voller Presseleute wartet gespannt auf den neuen Eintrag ins Marvel Universe, dem Ersten, mit einer Frau als Titelheldin. Wird Brie Larson den Film tragen können und an die Ausstrahlung einer Gal Gadot heranreichen? Doch bevor wir hierzu eine Antwort erhalten, sehen wir die altbekannten Trailer zu AVENGERS – ENDGAME und A TOY STORY. Dann endlich geht es los.

Gleich zum Start beeindruckt CAPTAIN MARVEL mit der wohl schönsten Logo-Variation, die so manchem Fan eine kleine Träne entlocken dürfte. Gleich darauf werden wir mitten in die Handlung geworfen. Wir begleiten Vers (Brie Larson), eine unerschrockene Kriegerin der Kree. Immer wieder trainiert sie mit ihrem Mentor Yon-Rogg (Jude Law) für den Kampf gegen die feindlichen Skrulls. Doch Vers ist anders als ihre Mitstreiter. Sie kann ich an ihr früheres Leben nicht mehr erinnern. Lediglich einzelne Bilder kommen immer wieder in ihren Kopf, die den Zuschauer darauf dezent stoßen, dass die junge Frau einst auf der Erde lebte. Doch im Gegensatz zu einem normalen Menschen schlummern in ihr unglaubliche Kräfte, die sie noch nicht in den Griff bekommt. Als sie dann bei einem Kampfeinsatz von den Skrulls gefangen genommen hat, bricht es schließlich aus ihr heraus. Mit riesigen Lichtblitzen, die aus ihren Armen schießen, kämpft sie sich den Weg zu einer Rettungskapsel frei. Mit dieser kann sie zwar fliehen, legt aber eine Bruchlandung auf der Erde hin. Mitten in einer Filiale von Blockbuster Video. Wir schreiben das Jahr 1995…

Ohne zu viel spoilern zu wollen verrate ich hier, dass Vers natürlich menschlichen Ursprungs ist und auf den Namen Carol Danvers hört, was sie im Laufe des Filmes herausfindet. Aber das wussten die Comicfans unter Euch natürlich bereits. Kritikerkollege und Comicexperte Volker Robrahn, der ebenfalls bei der Preview anwesend war, verriet mir dann noch, dass man sich im wesentlichen an die Storyline der alten 60er Jahre Comics gehalten hat. Nur halt mit dem Unterschied, dass CAPTAIN MARVEL damals noch ein Mann war. Apropos Mann: Als Sidekick bekommt Carol Danvers niemand anderen als Nick Fury (Samuel L. Jackson) gestellt, der hier seine erste Begegnung mit einem Superhelden hat und außerdem noch zwei Augen im Kopf. Bereits in ANT-MAN sah man ja Michael Douglas und in GUARDIANS OF THE GALAXY VOL. 2 den guten alten Kurt Russel digital verjüngt vor der Kamera. Doch die waren nur wenige Augenblicke in dieser Form zu sehen, während Sam Jackson den ganzen Film ausschaut, als käme er gerade vom DIE HARD WITH A VENGEANCE Set. Eine beachtliche, tricktechnische Leistung. Bei Clark Gregg, der hier als jüngerer Agent Coulson zu sehen ist, gelang dies etwas weniger gut, da er ausschaut wie ein schlimmer Botoxunfall.

Schwamm drüber. Auch über die Tatsache, dass CAPTAIN MARVEL erst nach gut einer halben Fantasygeschwurbel im Weltall, auf der Erde so richtig an Fahrt gewinnt. So mancher Twist, der uns auf der Suche nach der Wahrheit begegnet, kommt ein wenig überraschend, manch anderer nicht. Die Besetzung ist solide. Sogar Annette Bening darf ein paarmal kurz vorbei schauen. Brie Larson passt ganz wunderbar in die Rolle der Heldin, die ihren Platz im Leben neu suchen muss. Das eigentliche Highlight ist allerdings Sam Jackson, dessen Screentime erfreulich groß ist und der saucool den Film mit seinen Sprüchen, auch über die schwächeren Minuten, trägt. Natürlich wartet man als Zuschauer den ganzen Film über darauf, dass gleich das linke Auge dran glauben muss. Doch das Drehbuch ist smart genug, die Erwartungshaltung auszunutzen und sich darüber lustig zu machen. Ich Spoiler nix.

Aber irgendwie waren die beiden Drehbuchautoren und Regisseure Anna Boden und Ryan Fleck, die sonst wesentlich kleinere Brötchen backen, mit der ganzen Superheldennummer und dem hohen Budget überfordert. Der Film ist auf der Spannungsskala eher im unteren Mittelfeld der Marvel Filme angesiedelt. Als Warm Upper für das große Finale der dritten Phase im MC Universum taugt der Film jedoch ganz gut. Wer nicht in der Materie verankert ist und nur einmal eine gute Comicverfilmung sehen möchte, sollte sich aber einen anderen Film aus der langlebigen Reihe aussuchen. Sam Jackson Fans hingegen kommen voll auf ihre Kosten.

Trailer:

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