NEW KSM bringt mal wieder etwas für das Herz ins Heimkino, denn I CAN ONLY IMAGINE (2018) beinhaltet sämtliche Themen, die für einen exzessiven Verbrauch von Taschentüchern prädestiniert sind. Wer jetzt schmutzige Gedanken hat, der soll in der Hölle brennen; so würden das vermutlich die Macher dieses Dramas sehen. Hier stehen Musik, Familie, Hoffnung und auch der liebe Gott im Vordergrund. Ob diese Mischung für zwei Stunden gute Unterhaltung taugt, verraten wir euch in unserer ausführlichen Kritik.

Originaltitel: I Can Only Imagine

Drehbuch: Jon Erwin, Brent McCorkle
Regie: Andrew Erwin, Jon Erwin

Darsteller: J. Michael Finley, Madeline Carrol, Dennis Quaid, Trace Adkins, Cloris Leachman, Brody Rose…

Artikel von Christopher Feldmann

Wer seinen Träumen nachjagt, muss sie auch einfangen. Und wenn man es schaffen will, muss man einfach nur an sich selbst glauben, dann schafft man das auch. So ähnlich klingen die ganzen Glückskeksweisheiten, die uns das Kino seit Bestehen in die Hirnwinden drückt. Das Publikum liebt einfach klassische Aufstiegs-Geschichten über talentierte, vielleicht auch unterprivilegierte Menschen, die es Allen zeigen und entgegen allen Unmuts an die Spitze schaffen. 2018 sorgte A STAR IS BORN für pralle Kinokassen und zahlreiche Auszeichnungen, was beweist, dass solche Storys auch heute noch funktionieren. Nicht ganz so viel Prestige und mediale Aufmerksamkeit erfuhr der Film I CAN ONLY IMAGINE (2018), der aber ebenfalls ein großer Erfolg war, zumindest in den Vereinigten Staaten. Das mag daran liegen, dass christlich angehauchte Storys über Glaube und Hoffnung dort noch funktionieren. Wenn man das dann noch in ein seichtes Musiker-Biopic packt, dann ist die neue Dorfkirche schon so gut wie sicher. Auch wenn man als gläubiger Gottesdienstler durchaus erreicht werden könnte, lässt I CAN ONLY IMAGINE Neues vermissen und stürzt sich mit Anlauf in eine klischeebeladene Story, die Schwierigkeiten hat über 120 Minuten zu bestehen.

Handlung:
Der 10-jährige Bart Millard (Brody Rose) lebt, gemeinsam mit seiner Mutter und seinem gewalttätigen Vater Arthur (Dennis Quaid) in Texas. Während er regelmäßig von seinem jähzornigen Vater verprügelt wird, klammert sich Bart an die Musik, die er auf Kassetten immer bei sich trägt und seinen Anker darstellt. Als Bart und sein Vater von der Mutter spontan verlassen werden, reißt das ein tiefes Loch in das Herz des kleinen Jungen. Jahre später steht Bart (J. Michael Finley) kurz vor dem High-School-Abschluss, ist mit seiner Jugendliebe Shannon (Madeline Carroll) zusammen und versucht seinem abgewrackten Vater gerecht zu werden. Als er jedoch durch eine Verletzung das Football-Spiel für immer aufgeben muss, stellt er eine weitere Enttäuschung dar. Doch in dem Chor seiner Schule findet er eine neue Leidenschaft, als die Lehrerin Mrs. Fincher (Priscilla Shirer) Barts großartiges Gesangstalent entdeckt.

Die Sichtung von I CAN ONLY IMAGINE (2018) war schon ein Erlebnis, war mir doch der christliche Subtext zunächst gar nicht bewusst. Eigentlich dachte ich, ich würde mir ein klassisches weichgespültes Drama ansehen, welches versucht im Fahrwasser von A STAR IS BORN zu schwimmen. Auch bei der Einblendung „MISSION PICTURES presents“ wurde ich noch nicht stutzig. Es dauerte eine geschlagene Stunde, bis ich auf einmal senkrecht im Bett saß und erkannte, dass ich hier gerade ein Produkt Gottes im Player habe. Vorher dachte ich mir noch, dass mir ein Sänger namens Bart Millard überhaupt nicht bekannt ist und mir der titelgebende Megahit nicht im Geringsten geläufig ist. Erst nach kurzer Recherche auf dem Smartphone erkannte ich, dass Bart Millard der Sänger einer christlichen Band namens MERCYME ist und I CAN ONLY IMAGINE den größten Hit dieser Community darstellt. Von da an war der Groschen gefallen, was den Streifen allerdings nicht besser macht. Im Gegenteil; hat man ständig vor Augen, mit welcher Agenda der Film arbeitet, wird es stellenweise etwas ärgerlich. Natürlich ist die Story recht formelhaft, Bart ist der typische, leicht pummelige Junge, der eine beschissene Kindheit hat. Der Vater säuft und ist gewalttätig, die Mutter eine durchsetzungsschwache feige Frau, die einfach stiften geht und auch sonst ist in dem texanischen Kaff nicht viel los. Worauf der Film allerdings verzichtet, ist Bart als Prügelknabe an der Schule darzustellen, was ich eigentlich erwartet hatte aber der Bub hat es ja schwer genug.

Das Drehbuch lässt kein Klischee aus und stilisiert Bart als stimmliches Wunderkind, der danach zum Shootingstar der christlichen Community avanciert und zum Ende mit dem titelgebenden Song sein Masterpiece abliefert, sich nebenbei noch mit seinem krebskranken Vater versöhnt und wieder zu seiner Jugendliebe findet. Puh, hier gibt Tränendrüse en Masse und eigentlich habe ich nicht viel gegen Kitsch und Pathos, wenn sie denn effektiv eingesetzt werden, jedoch schlägt I CAN ONLY IMAGINE einige Haken, die mir einfach nicht gefallen. Dass die Wandlung von Arthur damit erklärt wird, dass er im Off zu Gott gefunden hat und jetzt alles super ist, hat mich schon geärgert. In dieser Storyline steckt mehr Potential drin, als das Ganze mit der Gnade Gottes zu erklären. Während die erste Hälfte noch als seichte Unterhaltung funktioniert, nimmt der christliche Ton mit voranschreitender Laufzeit immer weiter zu und am Ende müssen wir erkennen, dass die Antwort auf Alles eigentlich nur lautet: Glaube an Gott, die heilige christliche Kirche und an dich selbst, dann wird Alles gut. Das ist so plakativ und im Kerb substanzlos, dass es den Film für mich nachhaltig schädigt. Das spiegelt sich übrigens auch in vielen Dialogen wieder.

Was man dem Film zu Gute halten muss, ist die ordentliche Besetzung. Brody Rose macht einen guten Job als kindlicher Bart und gefällt weit besser als die Performance von J. Michael Finley, der eher den Antlitz eines bekehrten Seth Rogen hat. Die restlichen Darsteller sind alle zumindest solide und es ist ein Frevel, dass eine großartige Schauspielerin wie Cloris Leachman lediglich drei Minuten Screentime hat. Der eigentliche Star des Films ist für mich Dennis Quaid, der sich als aggressiver, und letztendlich bekehrter, Vater die Seele aus dem Leib spielt und durchweg überzeugt. Schön ist es auch, Synchron-Legende Thomas Danneberg nochmal zu hören, denn I CAN ONLY IMAGINE dürfte eine seiner letzten Arbeiten sein.

Die Inszenierung der Brüder Andrew und Jon Erwin, die sich generell auf christliche Filme spezialisiert haben, fällt hingegen weder positiv noch negativ. Sie finden keine wirklich guten Bilder, sondern Filmen das Ganze in Hochglanzoptik recht unaufregend ab. Das erinnert vom Stil an ähnlich schmalzige Werke wie A DOG’S PURPOSE (2017). Musikalisch bekommt man erweckungsstarke Songs geboten, die eigentlich wie tausend andere seichte Pop-Lieder klingen, die man in seinem Leben gehört hat. Selbst der Song I CAN ONLY IMAGINE, der wirklich die meistverkaufteste christliche Single der Welt ist, ist eigentlich eine eher unaufregende Ballade, die zwar vorhanden ist, mich aber nicht wirklich hinter dem Ofen hervorlockt. Zumindest hat sie es geschafft, meiner Freundin beim Einschlafen zu helfen, was zumindest irgendeine Leistung darstellt.

NEW KSM veröffentlicht dieses brave Kleinod auf Blu-Ray und DVD. Bild und Ton sind mehr als ordentlich, die Extras fallen allerdings mit einer Bildergalerie plus Trailer recht mau aus. Aber immerhin bietet der Film vor dem Abspann noch Einblendungen mit hilfreichen Webadressen, bei denen man entspannt zu Gott finden kann. Das ist doch mehr als genug!

Fazit:
I CAN ONLY IMAGINE (2018) ist klassisches Kitschkino erster Güte, dessen solide bis gute Besetzung über einige Klischees hinweg tröstet. Allerdings drückt das Drama schon arg auf die Tränendrüse, was durch den christlichen Unterton noch weiter verstärkt wird. Immerhin ist das Ganze nicht so fundamentalistisch ärgerlich wie so mancher anderer Schmarrn, der in den USA gerne mal abgesondert wird. Gut ist das noch lange nicht aber wer in der entsprechenden Glaubensrichtung verankert ist, dürfte diesen Film mögen. Mein Bier war es leider nicht!

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