Ist das Kunst, oder kann das weg? Diese Frage mag sich so mancher bei diesem kruden Erotik- / Horror- / Arthaus-Mix aus dem Jahre 1973 stellen. Bei uns als „Foltergarten der Sinnlichkeit 2“ vermarktet, hat der Film allerdings (bis auf Eastman in der Hauptrolle) nichts mit dem schmutzigen Kultfilmchen gemein. Meiner Meinung nach ist das auch besser so. Donau Film präsentiert „Baba Yaga“ als ungeschnittene Kinofassung mit FSK Freigabe – in Hi-Def – auf dem deutschen Markt.

Regie: Corrado Farina

Darsteller: Isabelle de Funes, Caroll Baker, George Eastman, Ely Galleani

Artikel von Victor Grytzka

Wer bei „Baba Yaga“ an eine Hexe denkt, die in einem magischen Kochgeschirr durch die Gegend düst, der ist hier falsch. Hier geht es um knisternde Erotik, garniert mit schrägen Filmschnipseln und einem Tröpfchen Horror. Na, Interesse schon verloren? Dann lies nicht weiter, denn dann ist der Film nichts für dich. Wer allerdings mit ungewöhnlichen Filmerlebnissen etwas anfangen kann, der darf ab hier gerne fortfahren.

Und bevor jemand unterm Artikel blöd fragt (so weiß ich ob ihr wirklich gelesen habt), JA, Isabelle ist mit Louis verwandt, sie ist seine Nichte.

Valentina (Isabelle de Funes), umgibt sich gerne mit Ihresgleichen. Fotografen, Filmemacher, Künstler… Nach einer Party trifft sie eines Nachts auf eine Dame (Caroll Baker), die sich „Baba Yaga“ nennt, und ein wenig seltsam wirkt. Als sie Isabelle nach Hause gebracht hat, entweder sie ein Stück ihres Gürtels, welches sie ihr am nächsten Tage wiederbringt. Doch irgendetwas ist seltsam. Isabelle hat ungewöhnliche Visionen von Gewalt und von Sex, und auch in ihrem Leben scheint sich etwas zu verändern. Ihre Kamera scheint auf Leute plötzlich eine tödliche Wirkung zu haben. Die Situation spitzt sich zu, als Isabell nach einem Besuch bei Baba Yaga eine Puppe geschenkt bekommt, die den Namen Annettie (Ely Galleanie) trägt, und lebendig werden kann, wenn Baba Yaga es wünscht. Ein bizzarer Höllentrip beginnt, und Valentina findet sich in einer Abwärtsspirale aus Lust, Leidenschaft und SM-Spielchen wieder. Kann ihr Freund Arno (George Eastman) dem ganzen Treiben ein Ende setzen?

Fun Fact: Bei Baba Yaga handelt es sich um eine Comicverfilmung.

Eine Sache vorweg. Bei „Baba Yaga“ handelt es sich keineswegs um leichte Unterhaltung, die man mal nebenher bei einer Tüte Popcorn konsumieren sollte. Manch einer mag diesen Werk sogar „gähnende Langeweile“ attestieren wollen, denn Regisseur Farina schuf hier einen kritischen Film, der – so viel muss man leider sagen – in der hier vorliegenden Kinofassung einiges seiner sozialkritischen Komponenten verloren hat. Diese Schnitte sind jedoch nicht auf den deutschen Markt zurückzuführen, sondern wurden schon damals bei dem weltweiten Release vorgenommen. Neben etwas nackter Haut umfassen diese auch einige Dialog- / Handlungsszenen. Die komplette Version wurde vor einigen Jahren für das in England ansässige Label „Shameless“ vom Regisseur selbst erstellt, und kann auf DVD und BluRay erworben werden.

Dennoch gibt es keinen Grund zur Panik, zum einen sind einige Deleted Scenes im Bonusmaterial enthalten, zum anderen funktioniert der Film auch in der kürzeren Fassung. Angerissene Thematiken sind dabei politische Einstellungen (Links, Rechts, Mitte), Rassismus, die Selbstbestimmung der Frau… Und da kommen wir auch an den Punkt, warum „Baba Yaga“ kein platter Italo-Exploiter ist. Der Horroranteil ist eher unterschwellig, kommt in rund 75% der Laufzeit eher weniger zum Tragen, und blitzt erst im Finale leicht auf. Vorher gibt es zwar unheilvolle Ereignisse, wobei diese eher im Bereich der Mysterien anzusiedeln sind. Im Prinzip beobachten wir eine Entwicklung, an deren Ende ein Duell mit finsteren Mächten steht. Auf dem Weg dorthin gibt es eine Menge nackter Haut und Freizügigkeit, die jedoch sehr ansprechend inszeniert ist, und nicht des Effektes wegen im Film gelandet ist. Sie dient der Charakterentwicklung und der Aussage des Werkes.

Häufig sinnbildlich werden kleine Träume, Episoden und Standbilder eingestreut die teils Raum für Interpretationen lassen, teils aber auch Geschehnisse aus der Handlung – mal mehr, mal weniger – drastisch unterstreichen. Wer sich nun fragt, warum ich so wenig über den Ablauf der Geschichte erzähle, so muss ich klar sagen, dass „Baba Yaga“ bei Erstsichtung eine Erfahrung ist. Diese Erfahrung hängt sehr stark von der eigenen Interpretation des Gezeigten ab, so dass eine detaillierte Meinung von meiner Seite eventuell falsche Erwartungen wecken könnte, oder eben den zuvor genannten Freiraum für die eigene Wahrnehmung der Geschichte beeinflussen könnte.

Positiv sticht die Produktion an sich hervor. Kamerafahrten, Dialoge, stimmungsvolle Dekorationen, das Flair der 1970er. Der Film versprüht das Flair einer hochkarätigen Produktion, und darf – nein, muss – auch als solche angesehen werden. Diesem Umstand zuträglich sind herausragende schauspielerische Leistungen, insbesondere von de Funes, Eastman und Baker.

Am Bonusmaterial soll es nicht scheitern, bei der Veröffentlichung aus dem Hause Donau Film. Die angesprochenen Deleted Scenes, ein Audiokommentar, Trailer. Hier hat man einiges zusammengetragen. Ein sehr sauber restauriertes Bild trifft auf eine ebenso saubere deutsche Tonspur, die allerdings zwischen gefällig und furchtbar amateurhaft pendelt, da wäre mehr drin gewesen. Um noch mal auf die Bildqualität zurück zu kommen. Selten hat mich ein Film diesen Alters so überzeugen können. Keine Spur von Staubflecken, Kratzern, Vorlagenfehlern. Sehr scharfes Bild mit leichter Körnung, tolle Farbgebung, hoher Detailgrad. Hier darf sich manch ein Label eine dicke Scheibe abschneiden! Der Film steckt in einer Amaray samt schmuckem Pappsleeve, und bietet zudem ein Wendecover mit dem Original Kinoplakat als Motiv.

Wer sich auch „Baba Yaga“ einlassen kann, bekommt nicht nur einen Film, der aus der Masse der platten Erotik-Schlotzer hervorsticht, sondern auch eine klasse Veröffentlichung, die man sich gerne ins Regal stellt.

Zurück zur Startseite