Schaut man sich das aktuelle Disneyprogramm an, welches primär aus Sternenkriegern, Superhelden und Realfilmversionen alter Klassiker besteht, könnte man meinen, die Maus hätte gehörig von ihrer Magie verloren. Doch diese Befürchtungen scheinen sich als Grundlos zu entpuppen, denn jetzt – 55 Jahre nach dem Originalfilm – erscheint das Sequel zu Mary Poppins und kommt dabei herrlich altmodisch daher. Wir haben uns den Film angeschaut und kritische Kinderaugen dabei gehabt.

Originaltitiel: Mary Poppins Returns

Regie: Rob Marshall

Darsteller: Emily Blunt, Ben Whishaw, Lin-Manuel Miranda, Emily Mortimer, Julie Walters, Meryl Streep, Colin Firth

Artikel von Christian Jürs

London in den 30er Jahren, zur Zeit der Wirtschaftskrise. Die Fröhlichkeit, die einst durch ein außergewöhnliches Kindermädchen in der Cherry Tree Lane 17 Einzug erhielt, verpuffte mittlerweile. Die Kinder von damals sind längst erwachsen geworden. Jane (Emily Mortimer) ist Single und leitet die Demonstrationen der durch die wirtschaftliche Lage verzweifelten Arbeiter. Dabei entgeht ihr völlig, dass der freundliche Laternenanzünder Jack (Lin-Manuel Miranda) ein Auge auf Jane geworfen hat…und zwar schon seit seiner Kindheit.

Mit Michael Banks (Ben Whishaw) hat es das Schicksal noch weniger gut gemeint. Zwar hat er mit Annabel (Pixie Davies), John (Nathanael Saleh) und Georgie (Joel Dawson) drei hinreißende Kinder, seine Frau jedoch ging den obligatorischen Weg eines Elternteils in einem Disneyfilm…sie verstarb vor einem Jahr (und spielt nun mit den Eltern der Eiskönigin, der Mutter von Bambi und den vielen anderen Muttis und Vatis aus dem Mausuniversum Harve auf Wolke 7). Michael, dem die Situation über den Kopf gewachsen ist, steht das Wasser derweil bis zum Hals, geriet er doch mit den Raten für das Haus bei der „Fidelity Fiduciary Bank“, die von Unsympath Wilkins (Colin Firth) geleitet wird, in Verzug. Der wittert seine Chance und droht mit Zwangsvollstreckung, sollte Michael nicht die Teilhaberunterlagen der Bank, für die er auch arbeitet, innerhalb einer kurzen Frist finden. Doch weder er, noch seine Schwester oder Haushälterin Ellen (Julie Walters) können das Papier im Haus entdecken. Doch da naht Hilfe von oben, als Mary Poppins (Emily Blunt) samt Regenschirm erneut aus dem Himmel herabsteigt, um wieder Ordnung und Fröhlichkeit ins Heim der Banks zurück zu bringen…

Heutzutage ist fast alles, was aus dem Hause Disney kommt, technisch auf beeindruckendem Niveau. Ob nun Jedi Ritter, unglaubliche Superheldenfamilien oder natürlich die AVENGERS, die neue Generation Maus ist technisch immer „State of the Art“. Auch MARY POPPINS RÜCKKEHR kann man attestieren, dass Effekte und Masken zur oberstem Liga gehören. Doch diesmal erkennt man die Perfektion nicht auf dem ersten Blick, denn gleich nach dem obligatorischen Disneyschloss begleiten wir in bewusst altmodischen Bildern den fröhlichen Laternenanzünder Jack bei der Arbeit, der sogleich ein fröhliches Liedchen anstimmt. Dabei fährt er ganz nebenbei durch eine wunderbare Kulisse, die die damalige Zeit sogleich wieder aufleben lässt und den Zuschauer gleich wieder in die Welt von Mary Poppins katapultiert. Regisseur Marshall verzichtet hierbei auf moderne Kameraführung und begleitet das Geschehen jederzeit elegant, jedoch nie verwackelt oder mit Stakkatoschnitten. Nein, das Sequel versucht durchgehend, dem Original gerecht zu werden, auch wenn hier und da ein paar CGI-Effekte auftauchen, die dann auch prompt wie ein Fremdkörper wirken.

Das absolute Highlight ist wohl die per Hand gezeichnete Sequenz mit den Trickfiguren. Diese sollte, wäre es nach den Studiobossen gegangen, selbstverständlich per Computer animiert werden. Doch Regisseur Rob Marshall konnte sich letztlich durchsetzen und eine ganz wundervolle 2D Tricksequenz mit klassisch gezeichneten Figuren umsetzen. Diese Mischung aus Zeichentrick und Realfilm gab es zuletzt im Hause Disney im Jahr 2007 als Amy Adams VERWÜNSCHT war.

Es gibt so viel Positives zu berichten über das Sequel. Die Story ist nicht bloß eine Kopie des Originals. Denn während es dort darum ging, den Familienzusammenhalt zwischen Erwachsenen und Kindern wieder herzustellen, ist diesbezüglich eigentlich alles in Ordnung. Okay, einmal kurz platzt Michael der Kragen, doch bittet er seine Kinder nur wenige Augenblicke später wieder um Verzeihung. Nein, hier geht es darum, dem schmierigen Bankdirektor, den Colin Firth mit sichtlicher Spiellaune gibt, das Handwerk zu legen. Ob es dafür 130 Minuten bedarf, sei dahingestellt, doch wirkliche Längen sind auch hier nicht auszumachen (zumal der Originalfilm sogar 9 Minuten mehr auf der Uhr hat).

Die Besetzung ist überhaupt über jeden Zweifel erhaben. Egal ob Ben Whishaw, Emily Mortimer, Julie Walters oder auch die Kinderdarsteller, sie alle glänzen in ihren Rollen. Auch die in kleinen Nebenrollen besetzten Meryl Streep, David Warner und Angela Lansbury bereiten dem Zuschauer eine Menge Spaß (zumal Streeps Rolle der Cousine Topsy herrlich durchgeknallt ist). Die Highlights des Casts sind jedoch der wiederkehrende Dick Van Dyke, der mit seinen 93 Jahren eine erstaunliche, ungedoubelte Tanznummer aufs Parkett (bzw. den Tisch) legt, sowie sein Nachfolger in der Rolle des Laternenanzünders Lin-Manuel Miranda, der seine Rolle förmlich lebt. Doch beide werden noch überstrahlt durch die wundervolle Emily Blunt, die ich eher aus toughen Actionrollen in EDGE OF TOMORROW oder SICARIO her kenne. Ich wage hier einmal die Gotteslästerung und behaupte, dass sie noch wesentlich besser in die Rolle des Kindermädchens passt, als es Julie Andrews einst vermochte.

Doch einen Kritikpunkt muss sich MARY POPPINS RÜCKKEHR, neben den etwas unpassenden CGI-Effekten, gefallen lassen. So stimmig die Songs auch sein mögen und so leidenschaftlich sie auch vorgetragen sind(auch in der deutschen Synchronfassung), so wenig bleiben die neuen Lieder im Kopf hängen. Einen Ohrwurm wie „Supercalifragilisticexpialigetisch“ sucht man diesmal leider vergebens.

Über Bild- und Tonqualität bei dieser 130 Mio Dollar Produktion muss ich sicherlich keine Worte verlieren. Auf Blu-ray gibt es dann auch noch ein paar schöne Bonusfeatures. So bietet die Scheibe in blau neben einer Version mit untertitelten Songs zum Mitsingen noch diverse Featurettes über Pannen, etc, wobei besonders die Rückkehr Dick Van Dykes ordentlich gewürdigt wurde. Außerdem gibt es noch einen zusätzlichen, aber verzichtbaren Song und auch zusätzliche Szenen.

Zuletzt noch, nachdem ich den Film klar empfehlen kann, noch die Meinungen meiner Kinder (beide 9 Jahre alt). Während mein Sohn meinte, der Film sei „ganz gut“, aber das Original gefalle ihm besser, schlägt sich meine Tochter ganz klar ins Team Blunt. Ihr gefiel das Sequel besser, da die Abenteuer, die Mary Poppins mit den Kindern erlebt, diesmal in ihren Augen deutlich spannender gerieten. Eine Empfehlung gibt es allerdings von beiden Kids (und Kinder sind die ehrlichsten Kritiker).

Trailer:

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