„Hallo, hier spricht Edgar Wallace!“, tönte es in den 1960er Jahren aus den Lautsprechern der deutschen Lichtspielhäuser. Millionen von Menschen erfreuten sich an so manch schaurig ulkiger Mörderjagd, bei der nicht selten Blacky Fuchsberger oder Heinz Drache am Schluss eine schöne Frau in Nöten retten mussten. In den frühen 1970er Jahren wurde der Kurs der Reihe drastisch geändert, was letztendlich der Sargnagel des altehrwürdigen Krimi-Franchise war, denn mit den klassischen Elementen der Wallace-Reihe hat die deutsch-italienische Ko-Produktion DAS RÄTSEL DES SILBERNEN HALBMONDS (1972) freilich nichts mehr gemein. Koch Films hat den Giallo nun als deutsche HD-Premiere in einem schicken Mediabook veröffentlicht, für mich natürlich ein Pflichtkauf. Ob das Gesamtpaket zu überzeugen weiß, erfahrt ihr in unserer Kritik!

Originaltitel: Sette orchidee macchiate di rosso

Drehbuch: Roberto Gianviti, Umberto Lenzi, Paul Hengge (nur in der deutschen Fassung)
Regie: Umberto Lenzi

Darsteller: Antonio Sabato, Uschi Glas, Pier Paolo Capponi, Marisa Mell, Rossella Falk, Renato Romano, Petra Schürmann…

Artikel von Christopher Feldmann

Achja, die guten alten Wallace-Filme! Was habe ich in meiner Kindheit für spannende Stunden vor dem Fernseher verbracht, wenn auf KABEL EINS mal wieder die Highlights der Reihe gezeigt wurden? Da wurde nicht nur aktiv zugeschaut, sondern auch gleich auf VHS aufgezeichnet, damit man sich Kracher wie DER HEXER (1964), DAS GASTHAUS AN DER THEMSE (1962) oder DIE TOTEN AUGEN VON LONDON (1961) immer wieder ansehen konnte. Der Name Edgar Wallace steht nicht nur für Krimi-Kult, sondern auch für das Größte in Sachen Pulp-Fiction für das Kino, was Deutschland je hervorgebracht hat. So manche dürften im Ausland ziemlich neidisch darauf sein, zumindest auf die berühmteste Phase der 32. Filme umfassenden Reihe, die von Horst Wendlandt und seiner RIALTO-FILM produziert wurde. Die späteren Ausläufer in den Jahren 1968 – 1972 stehen in der Gunst der Fans nicht sonderlich hoch, versuchte man sich doch mehr schlecht als recht an einer filmischen Verjüngungskur. Die alte Garde der eingesessenen Darsteller wich zunehmend neuen Gesichtern und statt dem typisch skurril maskierten Mörder auf Blackwood Castle, dominierten nun Mädchen- und Drogenhandel die Geschichten. Auch zotiger Humor holte die Wallace-Fans kaum ab und während diese zunehmend fernblieben, zeigte auch die jüngere Generation kein Interesse an den müden Versuchen Opas Kino auf 68er-Niveau zu trimmen. Schließlich versuchte Wendlandt, sich vom abgedroschenen Einerlei zu trennen und Geld in deutsch-italienische Ko-Produktionen zu investieren, die er dann einfach unter dem Etikett Edgar Wallace in die deutschen Kinos bringen konnte. Während der Versuch eines Psychothrillers mit DAS GESICHT IM DUNKELN (1969) völlig in die Binsen ging, probierte man es schließlich nochmal, indem man sich beim Genre des Giallo bediente, welches in Europa gerade ziemlich angesagt war. Während Wendlandt einen Teil der Produktion finanzierte, waren die italienischen Partner zum größten Teil für die Ausführung zuständig. Lediglich ein paar deutsche Schauspieler wurden den Kollegen aufgezwungen, damit der Etikettenschwindel in Sachen Wallace nicht so drastisch auffiel. DAS RÄTSEL DES SILBERNEN HALBMONDS (1972) war schließlich der dritte und letzte italienische Beitrag, sowie auch der letzte Film, der Reihe und hat mit Wallace überhaupt nichts mehr zu tun. Stattdessen inszenierte Signore Umberto Lenzi einen lupenreinen Giallo, der wenig originelle Einfälle bietet, dafür alle bekannten Elemente gekonnt vereint.

Handlung:
Eine grausame Mordserie erschüttert Rom. Bereits zwei Frauen wurden von dem unbekannten Täter getötet, der bei beiden Opfern einen Schlüsselanhänger in Form eines silbernen Halbmonds hinterlassen hat. Auch die frisch verheiratete Giulia (Uschi Glas) wird auf ihrer Hochzeitsreise von dem Halbmondmörder überfallen, überlebt aber verletzt. Als sie in einem der Opfer eine ehemalige Mitarbeiterin eines Hotels wiedererkennt, kommt sie gemeinsam mit ihrem Mann Mario (Antonio Sabato), einem schrecklichen Geheimnis auf die Spur, welches noch weitere Opfer fordert.

Der größte Unterschied ist wohl die Tatsache, dass die Handlung von DAS RÄTSEL DES SILBERNEN HALBMONDS nicht mal mehr in London, wie alle bisherigen Titel der Reihe, spielt, sondern gänzlich in die italienische Hauptstadt Rom verlegt wurde. Man sollte diesen Film wirklich als eigenständigen Film sehen, der sich in Deutschland lediglich aus Marketing-Gründen mit dem berühmten Autoren schmückte. Dabei stammt die Vorlage des Films nicht mal von Edgar Wallace, sondern von einem Herren namens Cornell Woolrich, der sich das Grundgerüst der Geschichte bereits für seinen Roman RENDEZVOUS IN BLACK ausgedacht hatte. Lenzi und sein Co-Autor Roberto Gianviti entwickelten daraus das Drehbuch für diesen Film, dass wirkt, als wäre es nach dem Lehrbuch geschrieben. Hier finden alle Elemente des Giallo ihren Platz. Vom Killer mit den schwarzen Handschuhen, über die weiblichen Opfer, bis hin zu den Suspense-Szenen, den typischen privaten Ermittlungen und der kleinen Portion Sleaze.

Die Geschichte um einen tragischen Unfall, der als Motor für eine grausame Serie von Morden dient, erweist sich als durchaus stimmig und spannend, auch wenn man die finale Auflösung zum Ende hin recht schnell kommen sieht. Dafür legt das Drehbuch zu offensichtlich falsche Fährten und lässt Personen zu gewollt in einem fadenscheinigen Licht stehen. Allerdings hat man das Konstrukt relativ kurzweilig in schlanke 90 Minuten gepresst, sodass selten Langeweile aufkommt. Was dem Film jedoch abhanden kommt, sind funktionierende Charaktere, denn weder unser prominentes Pärchen, noch die Polizei oder die einzelnen Opfer bekommen sonderlich viel Personality. Auch die Dialoge wirken teilweise etwas gestelzt, was auch an der deutschen Synchronisation liegen mag. Bessere Figuren hätten den Film wahrscheinlich noch etwas mehr Glanz verliehen.

Allerdings war Regisseur Umberto Lenzi kein Mann für Charakter-Momente, sondern ein umstrittener Mann fürs Grobe. Der routinierte Genre-Handwerker tobte sich in seiner Karriere in so manchen Filmgattungen aus, denn neben ein paar Gialli und auf Action setzende Polizei-Filme, inszenierte Lenzi auch Exploitation-Kracher wie GROSSANGRIFF DER ZOMBIES (1980)  und DIE RACHE DER KANNIBALEN (1981). Dabei ist es verwunderlich, dass der, 2017 verstorbene Filmemacher, mit HALBMOND einen seiner wohl massentauglichsten Filme abgeliefert hat, die sich zwischen ambitionierten Ideen und spekulativem Schund irgendwo in der Mitte ansiedeln. Lenzi gestaltet seinen Giallo ziemlich straight und hat sich offensichtlich von diversen Kollegen inspirieren lassen. So erinnert der Mord an einer Künstlerin direkt zu Beginn an Suspense-Szenen eines Dario Argento. HALBMOND bietet inszenatorisch wenig originelle Einfälle, sondern bedient den Zuschauer mit gutem Standard. So gelingen Lenzi ein paar schöne Spannungs-Sequenzen, sowie schönes italienisches Lokalkolorit, welches durch den grandiosen Soundtrack von Riz Ortolani aufgewertet wird. Die Mordszenen sind nicht sonderlich spektakulär, aber allgemein verträglich. So sind die Morde relativ frei von Gekröse, auch wenn eine Bohrmaschine für etwas sorgt, was man noch entfernt als Splatter-Effekt bezeichnen könnte. Wenn man bedenkt, was Lenzi in seiner Karriere noch gezaubert hat, fällt HALBMOND vergleichsweise zahm aus. Zumindest zeigt er, wie in vielen seiner früheren Werke, ein Händchen für solide Unterhaltung.

Ein gutes Händchen wäre auch beim Casting wünschenswert gewesen, denn die Besetzung ist wohl der größte Schwachpunkt des Films. Uschi Glas, die sich schon in mehreren Wallace-Filmen auftrat, erweist sich als Fehlbesetzung, denn sowohl ihr steifes Spiel, als auch ihre leicht zugeknöpfte Attitüde passen einfach nicht in den Film. Auch die Chemie zwischen ihr und Leinwandpartner Antonio Sabato, der wie ein typischer Italo-Playboy daher kommt, ist nicht existent. Immerhin Marisa Mell sorgt in einer Nebenrolle für etwas Flair, während profilierte Darsteller wie Pier Paolo Capponi nicht sonderlich auffallen. Auch die reizende Petra Schürmann, deren Beteiligung sicher auch auf Wendlandts Konto ging, hat eine undankbar kleine Nebenrolle.

Wie schon der vorhergegangene Giallo/Wallace-Film DAS GEHEIMNIS DER GRÜNEN STECKNADEL (1972), ist DAS RÄTSEL DES SILBERNEN HALBMONDS (1972) nun auch in einer schicken Mediabook-Edition von Koch Films erschienen. Die Bild- und Tonqualität ist mal wieder ziemlich gut gelungen und präsentiert den Film in satten Farben mit einer gut klingenden Tonspur erstmals hierzulande in HD, was definitiv eine Steigerung im Vergleich zur bisherigen DVD von Tobis Film darstellt. Das Mediabook bietet beide Versionen des Films, die deutsche Kinofassung, als auch die internationale Langfassung. Während die Langfassung die ungekürzte Version darstellt, kann man die deutsche Fassung als Edgar Wallace-Version bezeichnen. Hier fehlen etwa vier Minuten an Material, wie zum Beispiel die blutigen Einzelheiten der Bohrmaschinen-Szene und einzelne Dialoge. Dafür bietet diese Version für Nostalgiker den berühmten Wallace-typischen Vorspann, inklusive MG-Salve und dem vertrauten „Hallo, hier spricht Edgar Wallace!“.

Das Bonusmaterial der Edition bietet, neben Trailern und Bildergalerie mit seltenem Werbematerial, mehrere Interviews, unter anderem mit Uschi Glas und Umberto Lenzi persönlich. Während der Regisseur einige Anekdoten zum Besten gibt, berichtet Frau Glas mehr über andere internationale Projekte, der eigentliche Film an sich wird nur am Rande erwähnt. Besonders ist, dass während Lenzi nur lobende Worte für seine, von Produzent Wendlandt auferlegte, Hauptdarstellerin übrig hat, Uschi Glas nur schlechte Erfahrungen zum Besten gibt. So soll Lenzi eine unmögliche Person gewesen sein, die Glas nach Strich und Faden mobbte. Das Prunkstück der Ausstattung stellt die, knapp einstündige, Dokumention über den Regisseur dar, der einen detailreichen Einblick in seine Filmographie gibt. Insgesamt hat Koch Films hier ein schnönes Paket geschnürt, welches von einem interessanten Booklet von Paul Poet abgerundet wird.

Fazit:
Der 32. und letze Edgar Wallace-Film DAS RÄTSEL DES SILBERNEN HALBMONDS (1972) hat mit seinem Etikett, außer ein paar vertrauten Gesichtern, nichts mehr zu tun. Stattdessen hat Umberto Lenzi einen klassischen Giallo inszeniert, der alle Elemente des Genres solide vereint, auch wenn hier nichts hervorstechendes zu finden ist. Stattdessen stützt sich der Film auf etablierte Konventionen, macht dies aber durchaus gelungen. Lediglich die Besetzung lässt etwas zu wünschen übrig aber wer ein Faible für italienisches Genre-Kino besitzt, wird hier definitiv gut unterhalten.

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