In unserem Medienhuren-Sommercamp darf dieser All-Time-Classic und mein absoluter Lieblingsfilm keinesfalls fehlen. Der erste Blockbuster der Filmgeschichte war nicht nur der Durchbruch von Regielegende Steven Spielberg, er versaute den Urlaubsorten anno 1975 auch die Badesaison. Doch die chaotischen Produktionsbedingungen hätten beinahe dazu geführt, dass dieser Klassiker niemals das Licht der Welt erblickt hätte und Spielberg wohl nicht der Starregisseur geworden wäre, der er bis heute ist. Ich ging vor Jahren bereits der Produktionsgeschichte dieses Klassikers aus dem Hause UNIVERSAL PICTURES auf den Grund und serviere Euch den Artikel nun nochmals in überarbeiteter Form. Mögen die Strände am 4. Juli offen sein.

Originaltitel: Jaws

Regie: Steven Spielberg

Drehbuch: Peter Benchley und Carl Gottlieb (nach einem Roman von Peter Benchley)

Darsteller: Roy Scheider, Richard Dreyfuss, Robert Shaw, Lorraine Gary, Murray Hamilton

Artikel von Christian Jürs

Der Ex-New Yorker Cop Martin Brody (Roy Scheider) hat der Sicherheit seiner Frau Ellen (Lorraine Gary) und seiner Kinder wegen den ruhigen Posten des Polizeichefs im Badeort Amity auf Long Island angenommen. Ein besinnliches Inselörtchen, an dem die schlimmsten Verbrechen zerstörte Gartenzäune durch achtjährige Karateschüler oder Parksünder vor belebten Ladenzeilen zu sein scheinen. Doch kurz vor dem Start in die neue Badesaison kommt nachts eine junge Schwimmerin namens Chrissie Watkins (Susan Backlinie) ums Leben. Die Überreste, die am Strand tags darauf von ihr gefunden werden, lassen dem Gerichtsmediziner keinen Zweifel: Es war ein Haiangriff.

Sofort entscheidet sich der besonnene Polizeichef die Strände zu schließen. Doch der um die für den Badeort und seine ansässigen Bewohner wichtigen Sommereinnahmen fürchtende Bürgermeister Larry Vaughn (Murray Hamilton) macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Zusammen mit dem Zeitungsherausgeber Meadows (Carl Gottlieb) und dem anfangs noch vom Haiangriff überzeugten, für das Publikum namenlosen, Gerichtsmediziner (Robert Nevin), reden sie dem Neuankömmling Brody ins Gewissen („Schreien Sie Barracudas, dann werden sie sagen Hä? Was? Schreien Sie Haie, dann haben wir am 4. Juli eine handfeste Panik!„).

Brody bleibt jedoch nicht untätig und verbringt seine Zeit fortan so oft wie möglich als Beobachter am Strand. Doch der wasserscheue Polizist kann nicht verhindern, dass es ein weiteres Todesopfer zu betrauern gibt. Der auf einer gelben Luftmatratze im Wasser spielende Junge Alex Kintner (Jeffrey Voorhees) wird vor Brodys- und den Augen der anderen Badegäste, inklusive Alex´ Mutter (Lee Fiero), geradezu zerfetzt. Die am Boden zerstörte Frau setzt daraufhin eine Belohnung von 3000 Dollar auf den Kopf des Hais aus, wodurch ein regelrechter Jagdtourismus entsteht. Lediglich Quint (Robert Shaw), dem hiesigen Haifänger, ist diese Belohnung zu gering. Er verlangt 10.000 Dollar für den Kopf des Killerhais. Eine Forderung, die jedoch von Bürgermeister Vaughn zunächst nur müde belächelt wird.

Der Fischer Ben Gardner (Craig Kingsbury) erlegt schließlich einen Tigerhai und sofort ist die Euphorie groß. Doch der soeben angereiste Ozeanograph Matt Hooper (Richard Dreyfuss) nimmt Brody schnell den Wind aus den Segeln, da der Gebissradius des erlegten Killerfischs kleiner ist als bei den Wunden an Chrissie Watkins Leichnam. Natürlich versucht Bürgermeister Vaughn die Sache zu vertuschen und so kommt es zur Katastrophe. Erst erwischt es Ben Gardner, dann folgt ein weiterer Angriff mit Todesfolge vor den Augen aller Badegäste, aussgerechnet am 4. Juli, dem amerikanischten aller Feiertage und Start der Haupt-Badesaison. Vaughn knickt daraufhin ein und erteilt Quint den kostspieligen Jagdauftrag. Das ungleiche Trio Brody, Hooper und Quint bricht auf, um das Untier zu erlegen…

Die Bestsellerverfilmung nach dem Roman von Peter Benchley wurde Mitte der Siebzigerjahre zu einem weltweiten Phänomen. Bei 8 Millionen Dollar Produktionskosten spielte der Film alleine in den USA satte 260 Millionen Dollar ein, weltweit sogar über 470 Milionen Dollar. Der erste Blockbuster der Filmgeschichte war geboren. Ein Triumph des neuen, jungen Hollywoods. Doch beinahe wäre alles ganz anders gekommen, denn die Fertigstellung von Der weiße Hai stand mehr als einmal auf der Kippe.

Dabei begann für die Produzenten Richard D. Zanuck und David Brown alles recht vielversprechend. Für die Summe von 175.000 Dollar sicherten sie sich die Rechte am Erfolgsroman Benchleys, der 44 Wochen lang die amerikanische Bestsellerliste anführte. Als Regisseur verpflichteten sie den jungen Steven Spielberg, der mit seinem, eigentlich fürs amerikanische Fernsehen gedrehten, Psychothriller Duell einen kleinen Überraschungshit landen konnte. Doch damit begannen die ersten Probleme, denn der junge Visionär hatte gänzlich andere Vorstellungen als seine Geldgeber Zanuck / Brown. Diese wollten als zugkräftigen Namen Charlton Heston gewinnen, doch Spielberg lehnte ab. Er wollte das Publikum nicht durch bekannte Gesichter ablenken- und lieber Menschen wie „du und ich“ den Schrecken aus der Tiefe erleben lassen. Somit fiel die Rolle des tapferen Polizisten und Familienvaters Martin Brody an den durch French Connection bekannt gewordenen Roy Scheider, der einen drei Filme Deal bei Universal Pictures unterschrieb. Die Rolle des grimmigen Quint ging an Robert Shaw, der kurz zuvor die U-Bahn Pelham 1-2-3 entführen durfte. Für die Rolle des jungen Meeresbiologen Matt Hooper verpflichtete man, erst kurz nach Drehbeginn, den Schauspieler Richard Dreyfuss, der unter der Fuchtel von George Lucas in American Graffity glänzen durfte.

Apropos George Lucas, kurz vor Drehstart präsentierte der Spielberg, stolz wie Oscar, seinen Kumpels Martin Scorsese, John Milius und besagtem George Lucas stolz eines der erstellten Haimodelle. Das Monster taufte er liebevoll „Bruce„, benannt nach seinem Anwalt. Lucas jedenfalls empfand es als gute Idee, seinen Kopf in das Maul der Bestie zu legen und Spielberg empfand es als noch bessere Idee, dessen Elektronik anzuschalten. Schnapp – da steckte der spätere Star Wars-Regisseur, noch vor der Schöpfung der Jedis, im Maul der künstlichen Bestie fest, welches sich nicht mehr öffnen ließ. Panisch beschädigten die Jungs den Unterkiefer des teuren Spezialeffekts und liefen davon. Das gab Ärger.

Die Dreharbeiten jedoch stellten sich als weit katastrophaler heraus. So wurden drei Haiattrappen im Gesamtwert von etwa 250.000 Dollar gebaut, die jedoch niemand vorab getestet hatte. Soviel Dummheit wurde auch flugs belohnt, indem sich Modell Nummer eins ab in Richtung Meeresgrund rauschte. Doch auch die Puppen 2 und 3 waren selten Einsatzbereit, da das Salzwasser sich nicht mit den Motoren vertrug. Laut Richard Dreyfuss hieß es beinahe täglich über Funk „The shark is not working.„.

Doch das war längst nicht alles. Andernorts, nämlich vor Australien, wurde das Ehepaar Ron und Valerie Taylor engagiert, um echte Haiaufnahmen einzufangen, die das Biest realistischer wirken lassen sollten. Damit der echte Hai größer wirken würde, entschied Spielberg, dass ein Kleinwüchsiger in den, im Finale des Films verwendeten, Haikäfig steigen sollte (der Käfig war ebenfalls kleiner als üblich). Dieser Mann verfügte jedoch über keinerlei Taucherfahrung und sollte nun in einer Szene spielen, in der der Hai den Käfig angreift. Es dauerte über eine Woche, und immer noch war keine brauchbare Aufnahme im Kasten. Schlussendlich verfing sich zufällig ein weißer Hai in der Kette zwschen Käfig und Boot und geriet in Panik. Die Aufnahme hiervon ist im Film enthalten. Übrigens Glück für den Taucher, dass dieser zur Zeit der Aufnahme nicht im Käfig zugegen war. Ins Wasser wollte der kleine Mann jedenfalls nach diesem Ereignis nicht mehr.

Probleme gab es auch auf menschlicher Ebene in Form von Robert Shaw. Dieser wurde als Schauspieler zwar respektiert, seine Alkoholprobleme führten jedoch zu allerlei Schwierigkeiten. So soll er den jungen Richard Dreyfuss regelmäßig niedergemacht haben. Laut Aussage von Dreyfuss geschah dies jedoch nur, wenn Shaw mal wieder zur Flasche gegriffen hatte. Im nüchternen Zustand soll er ihm sogar beim Textlernen geholfen haben. Angetrunken jedoch schlug er Dreyfuss vor, vom oberen Mast des Schiffes gegen Bezahlung ins Wasser zu springen, was Spielberg allerdings zu verhindern wusste. Die Reibungen zwischen den beiden Schauspielern kann man im fertigen Film deutlich spüren und waren letzlich ein Segen für den fertigen Film.

Das größte Robert-Shaw-Desaster geschah dann beim Dreh der legendären Indianapolis-Szene. Shaw war so sternhagelvoll, dass er von der Crew an den Tisch getragen werden musste. Trotzdem begann er seinen Monolog mit bravour, schweifte jedoch irgendwann ab und faselte plötzlich von seiner Familie. Im Anschluß fragte er Spielberg „Wie war ich?„. Dieser entgegnete verlogen „Großartig, Robert.“ „Wirklich?“ – „Ja, geh ins Bett.„. In der Nacht rief dann ein winselnder, reumütiger Robert Shaw bei seinem Regisseur an und bat um eine weitere Chance. Spielberg gewährte ihm diese bekanntlich, denn dass, was man im fertigen Film sieht, ist der erste Take, den Shaw am nächsten Tag frisch und nüchtern der beeindruckten Crew darbot. Ob der urspünglich für die Rolle vorgesehene Charlton Heston hier ebenso überzeugend gewesen wäre, ist fraglich.

Im Schneideraum entstand dann die wahre Magie. Aufgrund der häufig ausfallenden Haimodelle griff Spielberg auf einen gekonnten Trick zurück. Er zeigte uns das Geschehen mehrfach aus der Perspektive des Hais oder stellvertretend für das „Monster“ im letzten Drittel die an ihm hängenden Fässer an der Wasseroberfläche. So entstand der Eindruck, man würde die Bestie häufiger zu Gesicht bekommen, als es tatsächlich der Fall war.

Dafür entschied sich Spielberg, die ein- oder andere Todesszene ein wenig zu entschärfen. Insbesondere der Tod des jungen Alex Kintner wurde um die zu grausame Einstellung, die auf einem mittlerweile aufgetauchten Setbild (siehe oben) zu sehen ist, erleichtert. Ebenfalls der Tod des Ruderbootfahrers (Ted Grossman) wurde abgeändert und teilweise neu gedreht. In der urspünglichen Version wurde der Mann Blut kotzend über das Wasser der Bucht gezogen, wobei er sich Michael (Chris Rebello), den älteren Sohn Brodys, packte und mit in die Tiefe zog. Das hätte zwar dessen Schock noch besser erklärt, war aber eindeutig zu brutal gegenüber dem restlichen Film. Im Bonusmaterial der neueren, physischen Veröffentlichungen kann man diese Szene übrigens in Rohschnittform sichten.

Dass der Film bis heute in den Köpfen der Leute fest verankert ist, dürfte auch ein großes Stück weit der Verdienst von Komponist John Williams sein, der mit seinem minimalistischen Score einen Ohrwurm erschaffen hat, der Gänsehaut erzeugt. Überzeugt war Spielberg übrigens nicht, als Williams ihm die ersten Töne erstmals am Klavier vortrug. Einen gewonnenen Oscar später für den Soundtrack, machte der Regisseur den meisterhaften John Williams schließlich zu seinem Stamm-Komponisten, bis heute (siehe Die Fabelmans).

Die Idee Spielbergs, entscheidende Änderungen an der Geschichte von Erfolgsautor Peter Benchley vornehmen zu lassen, stieß bei diesem übrigens auf wenig Gegenliebe. Trotzdem übernahm er einen Cameoauftritt als Reporter am Strand („…eine Wolke, in Form eines Mörderhais…„).

So wurden einige Nichtigkeiten geändert, wie die Anzahl von Brodys Kindern (im Buch hat er drei Kinder, im Film nur zwei). Außerdem ist er im Buch ein Insulaner aus Amity und stammt nicht aus New York. Die wohl größten Unterschiede sind in der Figur des Matt Hooper zu finden, der im Buch weit weniger sympathisch daher kommt und zudem eine Affaire mit seiner Jugendliebe (!) Ellen Brody eingeht. Durch diese Umkehr seines Charakters, verändert sich gegen Ende auch sein Schicksal.

Die größte Abweichung zum Roman ist jedoch am Ende zu finden. Während das Buch unspektakulär mit einem Harpunenschuß endet, wollte Spielberg einen Knaller. Der ist ihm dann auch gelungen. – „Fahr zur Hölle, Du Schwein!„. Yeah!

Da der Film in meinem Geburtsjahr im Kino lief, konnte ich ihn leider erst auf VHS von CIC Taurus Videogenießen„. Diese veröffentlichten den Film zeitgemäß in Vollbild mit Eierkopf-Vor- und Abspann, damit die Credits ins Bild passten. Der Rest war furchtbar abgetastetes Vollbild. Erlösung gab es dann hierzulande mit der Erstausstrahlung im ARD, die mit schwarzen Balken am oberen- und unteren Bildschirmrand zumindest beinahe das original Kinoformat wiedergab. Lediglich die Szene mit dem Bein war etwas abgedunkelt, ansonsten eine hervorragende Fassung.

Diese Version wurde dann von der Erstauflage der DVD (Anniversary Collectors Edition) von Columbia/Tri-Star und Universal Pictures abgelöst. Jene besaß eine Menge Bonusmaterial, das richtige Bildformat und eine brauchbare Bild- und Tonqualität. Leider leierte der Ton in der Szene, in der Quint nach dem Hai angelt in der deutschen Synchronfassung. Das war aber immer noch besser als in der folgenden Special Edition, da diese, zwecks besserer 5.1-Tonqualität, eine Neusynchro verpasst bekam, die auch heute noch im TV und auf Streamingdiensten zu finden ist. Hier spricht nicht der legendäre Hansjörg Felmy Chief Brody, sondern Eddie Murphys damalige Stimme Randolph Kronberg, die so gar nicht passen möchte, obwohl der Mann ein begnadeter Sprecher war. Über die anderen Stimmen decke ich lieber den Mantel des Schweigens.

Mittlerweile gibt es ein „quasi“ Happy End für deutsche Retro-Filmfans, denn auf Blu-ray (auch 4K UHD) sind beide Synchronfassungen enthalten. Die gute Nachricht: Das Leiern der Quint Szene ist behoben worden. Die schlechte Nachricht: Bei der 5.1 Soundabmischung wurden gegen Ende andere Schuß- und ein anderes Explosionsgeräusch verwendet. Diese Soundeffekte finden sich nun auch in der alten Synchronfassung wieder. Warum auch immer.

Für mich ist und bleibt Der weiße Hai ein Meilenstein der Horrorfilmgeschichte, den man, trotz FSK 16 Freigabe, auch schon mit jüngeren Zuschauern genießen kann (mittlerweile lief der Film sogar um 20:15 Uhr unzensiert im TV). Ein letzter Hinweis: Achtet am Strand immer auf folgende Worte: „Ein Hai ist in der kleinen Bucht! In der kleinen Bucht ist ein Hai! Da sind Kinder auf dem Wasser! Will denn keiner was dagegen tun?“ – Es könnte Leben retten.

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Zur Kritik „Der weiße Hai 2“

Zur Kritik „Der weiße Hai 3“

Zur Kritik „Der weiße Hai 4“

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