Mit Geld kann man sich allerlei kaufen. Nur keine Zeit. Stets auf der Flucht vor seiner Familie, sucht Kriegsveteran Earl Stone Bestätigung im Gewinnen von Blumenzüchter-Preisen und im Flirt mit anderen Damen. In der Familie wähnt Stone sich als Verlierer, also stürzt er sich ganz in die Lilienzucht. Etliche vergessene Hochzeitstage, die verpasste Einschulung seiner Tochter und weitere Nachlässigkeiten zieren sein Leben. Selbst zur Hochzeit seiner Tochter schafft er es nicht, da er lieber einen weiteren Preis im Blumenzüchten entgegen nimmt. Erst als das Internet seine Blumenzucht in den Ruin treibt und sein Haus zwangsversteigert wird, erinnert er sich an seine Familie und fährt zur Verlobungsfeier seiner Enkelin. Das geht natürlich schief. Doch Stone will unbedingt die Hochzeit seiner Enkelin finanzieren und nimmt so einen Job an, der ihn ins Visier der Drogenfahndung bringen wird.

Regie: Clint Eastwood

Darsteller: Clint Eastwood, Dianne Wiest, Alison Eastwood, Andy Garcia, Bradley Cooper, Michael Pena, Laurence Fishburne

Artikel von Kai Kinnert

Auf der Feier seiner Enkelin wird Stone von einem Gast angesprochen, der Freunde hat, die ab und zu mal Fracht von A nach B gefahren haben wollen. Stone zögert nicht und wird so mit 90 Jahren der älteste Drogenkurier für das Sianola-Kartell in den USA. Die Sporttaschen mit dem Koks einfach zwischen die Nüsse und das Popcorn auf der Ladefläche seines Fords geworfen, trollert Stone, gespickt mit lässiger Naivität, über den Highway. Doch anstatt irgendwann damit aufzuhören, macht Stone immer weiter. Denn er ist gut und die Jungs vom Kartell mögen ihn. Außerdem gibt es immer einen Anlass sein Geld zu verteilen und wenn es für einen besseren Truck oder für das goldene Armband seinem Handgelenk ist. Dabei schwingt Stone auch öfter mal das Tanzbein und trifft sich mit leichten Damen. Clint Eastwood wiegt als alter Mann zu Bossa Nova seniorenlässig die Hüfte mit Bikini-Schönheiten am Pool von Kartell-Chef Laton (Andy Garcia) und setzt so vielleicht sein eigenes filmisches Denkmal, in dem er in THE MULE mit allen Erwartungen spielt, die jemals durch die Ikonografie Eastwoods entstanden sind.

Als sich die Machtverhältnisse im Kartell verändern, wird es auch für Stone eng. Er hängt jetzt im Kartell fest und muss eine millionenschwere Tour abliefern. Dabei darf er auf keinen Fall vom Plan abweichen, sonst knallt es. Doch Stone weicht vom Plan ab und verschwindet für seine Verfolger spurlos, da seine Ex-Frau im Sterben liegt. Die Jungs vom Kartell sind ratlos und die DEA-Agenten Colin Bates (Bradley Cooper) und Trevino (Michael Pena) ebenso. Als er später die Tour wieder aufnimmt, wird Stone Erkenntnis über sein Leben finden.

Das besondere an Clint Eastwoods Filmkarriere ist, das er Clint Eastwood ist. Ähnlich wie einst John Wayne ist sich Eastwood seinem Stil und seiner filmischen Wirkung bewusst. Doch im Gegensatz zu John Wayne begriff Eastwood die Ikonografie seiner Figur nicht als starres Statement, sondern schickte seine Filme durch vielerlei Ansätze und Genres,  um die Substanz der Motivationen und ihre Veränderungen im Laufe der Storys zu betrachten. Im Laufe seiner Karriere hat sich Eastwood zu einem Geschichtenerzähler gemausert, dessen kreatives Portfolio gewichtiger ist, als seine, oftmals angedichtete, politische Ausrichtung. Man glaubt es kaum, aber jenseits von DIRTY HARRY und Co interessiert sich Eastwood für die Menschlichkeit, die Begegnung und Annäherung seiner Hauptfiguren.

Und so ist Stone einfach nur ein alter Mann, der es aus eigener Schuld verpasst hat, bei seiner Familie zu bleiben, um Ehemann und Vater zu sein.  Der freundliche Rassismus von Stone ist durch die Zeit anerzogen, in der er aufwuchs und durch den Korea-Krieg, den er miterlebte. Doch beides spielt in THE MULE keine große Rolle, dient allerhöchsten für einen verschmitzt, klugen Moment, nämlich dann, wenn Stone einer Familie bei einer Reifenpanne zur Hand geht. Und so ist THE MULE voll mit kleinen Szenen, die die unbedarfte Reise des alten Mannes auf der Suche nach Anerkennung und Rückkehr beschreiben. Stone kann eigentlich mit allen ganz gut. Er freundet sich fast mit den Gangstern an, die sein Auto beladen, er ist auf Du mit dem Kartell-Chef, er gibt dem DEA Agent Bradley Cooper beim Kaffee Lebenstipps mit auf dem Weg.

Das alles ist gut gespielt und unaufdringlich und sanft inszeniert. THE MULE ist der spiegelverkehrte Cousin von GRAN TORINO und der logische Schluss von Clint Eastwoods Karriere als Schauspieler. Statt am Ende seiner Laufbahn noch einmal die Knarre in die Hand zu nehmen oder den Konflikt zu suchen, schlurft ein gebeugter Eastwood verschmitzt und dünn als Kokain schmuggelnder Lilienzüchter durch den Film, der sich auch noch den wiegenden Tanzschritt mit zweifelhaften Bikini-Schönheiten am Pool gönnt. Besser geht es eigentlich gar nicht.

THE MULE ist ein schöner Film über einen alten Mann, der eigentlich – und wie so oft – nur nach Hause will. Ein Abgang in Würde, den nur wenige Schauspieler in ihrer Karriere hinbekommen haben. Der Film liegt, in seiner Substanz, eher an BRÜCKEN AM FLUSS als an GRAN TORINO. Und das ist gut so.

Trailer:

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