Während die Sommerferien hierzulande gerade hinter uns liegen und die lieben Kleinen endlich wieder die Schulbank drücken müssen, zelebriert KOCH FILMS bereits das Ende des Schuljahres. Keine Angst, liebe Eltern, es handelt sich hier nur um einen Film. Eure Kids müssen weiterhin die Schulbank drücken. Zeit genug für die Großen, eine nostalgische Reise zurück zum Beginn des Sommers ´76 zu unternehmen. Wir werden einen Tag und eine Nacht lang Zeuge, wie die Seniors einer texanischen High School die Neuankömmlinge mit ihren Ritualen willkommen heißen und anschließend eine ausgelassene Party am Standrand zelebrieren. Mehr Handlung gibt es nicht, bedarf es aber auch nicht. Ein typischer Film von Richard Linklater halt in einem tollen Mediabook.

Titel der dt. Erstveröffentlichung: Confusion – Sommer der Ausgeflippten

Regie: Richard Linklater

Darstller: Jason London, Wiley Wiggins, Ben Affleck, Adam Goldberg, Anthony Rapp, Matthew MacConaughey, Milla Jovovich, Sasha Jenson

Artikel von Christian Jürs

Sweeeeeeeeet Emooooootiooon

Zu den Klängen des AEROSMITH Klassikers und den Bildern eines sonnnigen Morgens in Austin, Texas, wird der Zuschauer gleich in die richtige Stimmung gebracht. Es ist nicht irgendein Morgen. Es ist der 28. Mai 1976 –  der letzte Schultag vor den Sommerferien.

So richtig Lust auf Schule hat niemand mehr, nicht einmal die Lehrer, die teilweise die letzten Unterrichtsstunden verschlafen. Die angehenden Seniors der Lee High School bereiten sich derweil auf ein alljährliches Ritual vor. Das Hazing, wie es genannt wird, besteht darin, dass die nach den Ferien startenden Freshmen sich diversen Demütigungen unterziehen müssen. Die Mädchen werden mit Schnuller im Mund auf einen öffentlichen Parkplatz gebracht, wo sie zunächst mit Senf, Ketchup, Mehl und rohen Eiern „verschönert“ werden, um dann den männlichen Seniors Heiratsanträge machen müssen. Besonders Darla (Parker Posey) findet Gefallen am demütigen der jungen Mädchen und führt sich wie ein Drill Seargent auf.

Doch das ist alles vergleichsweise harmlos gegenüber dem Umgang mit den Jungs. Diese bekommen nämlich von den Großen den Hintern mit Cricketschlägern versohlt. Hauptopfer soll dieses Jahr Mitch Kramer (Wiley Wiggins) werden, da seine ältere Schwester Jodi (Michelle Burke) dummerweise ihre Klassenkameraden um Rücksicht auf ihren kleinen Bruder gebeten hat. Für die cricketschwingenden Draufgänger quasi eine Einladung. Bereits zum letzten Klingeln der Schulglocke stehen die Seniors mit ihren Schlägern bereit. Mitch und seine Freunde können dem schlägerschwingenden Mob allerdings in letzter Minute entkommen. Dass seine Mutter (Mona Lee Fultz) den aggressivsten Prügelknaben, Fred O´Bannion (Ben Affleck), der dank besonderer schulischer Leistungen wiederholen darf, mittels Schrotflinte verjagt, macht ihn nur noch aggressiver und er eröffnet die Jagdsaison auf den Jungen.

Doch auch so manchen Senior plagen zum Ferienstart Sorgen. Randall „Pink“ Floyd (Jason London), der Star des örtlichen Footballteams, soll beispielsweise ein Schriftstück seines Coachs (Terry Mross) unterschreiben, mit dem er bestätigt, dass er den Sommer über weder Alkohol noch irgendwelche anderen Drogen zu sich nimmt, um den Erfolg seines Teams nicht zu gefährden. Dieser verweigert jedoch die Unterschrift. Sehr zum Ärger seines Teamkollegen Benny (Cole Hauser).

Für Ablenkung soll eine Party bei Klassenkamerad Kevin Pickford (Shawn Andrews) sorgen. Die Kohle dafür besorgt dieser sich mit dem Verticken von Gras. Doch die Bierlieferung erfolgt viel zu früh, wodurch sein Vater (Richard Dillard) berechtigten Verdacht schöpft und die Reisepläne mit seiner Frau (Kathleen Cunningham) über den Haufen wirft.

Als Alternative cruisen die Teenager mit ihren Autos durch die Straßen und stellen allerlei Blödsinn an, wie Briefkästen mit Mülltonnen zerstören. Auch Mitch, der mittlerweile von O´Bannion erwischt wurde, verbringt den Abend zusammen mit Pink und seinen Freunden Don (Sasha Jenson) und dem schon etwas älteren David Wooderson (Matthey MacConaughey). Zunächst begeben sich die Jungs in eine Billardhalle, wo auch O´Bannion auftaucht, mit dem Mitch noch ein Hühnchen zu rupfen hat. Später begeben sich die Jugendlichen zu einer alternativ gestarteten Party am Stadtrand, wo für reichlich Bier und Marihuana gesorgt ist…

Wer nach einer richtigen Handlung im herrkömmlichen Sinne sucht, ist fehl am Platze. Doch darum geht es Linklater auch gar nicht. Gut zwanzig verschiedene Charaktere, die einen mehr, die anderen weniger im Fokus des Geschehens, dürfen wir beim Einstand in den Sommer begleiten. Um mehr geht es, zumindest vordergründig, nicht.

Für so manchen Zuschauer mag das zu wenig sein, wer sich jedoch darauf einlässt, den erwartet ein toller Coming-of-Age Film, der fast dokumentarisch dem Treiben der Jugendlichen folgt, deren Leben an einem Wendepunkt steht. Während Mitch und seine Klassenkameraden das wilde High School Leben gerade erst kennenlernen, wissen die Älteren, dass ein letztes, quasi zwangloses Jahr vor Ihnen liegt. Sie alle lernen dazu in diesem Sommer. Da wären zum Beispiel die drei Streber Cynthia (Marissa Ribisi), Tony (Anthony Rapp) und Mike (Adam Goldberg), die sich endlich entschliessen, am Partyleben teilzunehmen. Während Tony der jungen Schülerin Sabrina (Christin Hinojosa) näher kommt, verguckt Cynthia sich in David Wooderson, dem nur langsam klar wird, dass er irgendwann zu alt für dieses Leben sein wird. Auch Mike wächst über sich hinaus, indem er sich einem brutalen Schläger mutig stellt.

Rund zwanzig verschiedenen Charakteren räumt DAZED AND CONFUSED teils mehr, teils weniger Platz ein. Dabei benötigen einige Figuren, wie der von MacConaughey verkörperte Wooderson nur wenige Szenen, um die Geschichte seines Charakters im Grunde dem Filmfreund zu offenbaren. Nur wenige Figuren, wie etwa Michelle (Milla Jovovich), bleiben blass und uninteressant. Sie fungiert lediglich als Freundin an der Seite Kevin Pickfords. Dies ist, dank des limitierten Schauspiels des RESIDENT EVIL Stars, nicht weiter schlimm, immerhin verliebten sich die Jovovich und ihr Filmpartner Shawn Andrews während des Drehs ineinander und heirateten sogar kurz darauf (die Ehe hielt allerdings nur knapp zwei Monate). WIr begegnen aber einer Vielzahl von Teenagern, die alle ihre kleine Geschichte zu erzählen haben. Das Schöne daran ist, dass sich garantiert jeder in einer der Figuren wiedererkennt.

Erstaunlich ist das Händchen, welches Linklater bei der Wahl seiner Darsteller hatte, entwickelten sich doch einige von ihnen zu Weltstars (Affleck, Jovovich, MacConaughey). Leider war nicht jedem soviel Glück beschert. Der grandiose Wiley Wiggins beispielsweise konnte keine bedeutenden Rollen nach diesem Film mehr ergattern. Ebensoweig der wirklich sympathische Sasha Jenson in der Rolle des sprücheklopfenden, aber gutmütigen Don. Horrorfans erinnern sich an ihn möglicherweise in der Rolle des Brady in HALLOWEEN 4, ansonsten hat er in seiner Filmographie nicht sonderlich viel zu bieten. Schade um sein Talent.

Unbedingt erwähnenswert ist auch die verwendete Musik. Die Songs waren der heißeste Scheiß anno ´76. KISS, AEROSMITH, BLACK SABBATH, ALICE COOPER, ZZ TOP,… die Liste ist endlos und verleitet schnell dazu mitzuwippen und sich sich hinterher den Soundtrack zuzulegen.

UNIVERSAL brachte den Film einst unter dem irreführenden Titel CONFUSION – SOMMER DER AUSGEFLIPPTEN auf den Markt, dabei sind es ganz normale Teenager, die uns hier gezeigt werden und keine „Ausgeflippten“. Interessanterweise war die Erstauflage noch ab 12 Jahren freigegeben, die spätere Auflage mit einer FSK 16 Freigabe versehen. Wurde der Film etwa hochgestuft? Und wenn ja, warum? Vielleicht lags am massiven Drogenkonsum (der Filmfiguren, nicht der Filmprüfer), denn an Gewalt (eine kurze, harmlose Schlägerei) oder gar Sex (ein wenig Rumgeknutsche und die Frage „Spuckst Du oder schluckst Du?“) dürfte es nicht gelegen haben. Auch bei KOCH FILMS bleibt der Film mit dem blauen Flatschen versehen. Dafür wird er jetzt mit dem schönen Originaltitel, der auf einem LED ZEPPELIN Song beruht, vertrieben.

Das Mediabook bekam ein wunderschönes, gezeichnetes Cover verpasst und beinhaltet eine Blu-ray (Hauptfilm) plus Bonus-DVD. Bild und Ton des endlich in HD erhältlichen Klassikers sind hervorragend. Das Bild weist kaum Filmkorn auf und der Ton ist sowohl in Deutsch als auch auf Englisch ebenfalls glasklar. Im Bonusbereich wird dann geklotzt und nicht gekleckert. So findet man den Kinotrailer, tonnenweise Interviews, einen ausführlichen Blick hinter die Kulissen, geschnittene Szenen, Aufnahmen vom Vorsprechen der Darsteller), ein 24 seitiges Booklet von Oliver Nöding, die übliche Bildergalerie und…. meine persönlichen Highlights: Denn es liegen noch Original-Aufklärungsfilme über Geschlechtskrankheiten und Müllbeseitigung und „The Blunt Truth“ – ein Aufklärungskurzfilm über die Gefahren von Parties und Marihuana. Unglaublich witzig eigentlich, wenn diese Hetzjagd auf eine Pflanze nicht so traurig wäre. Die Kiffer mutieren hier zu geifernden Wahnsinnigen. Muss man gesehen haben, um es zu glauben.

Bleibt mir abschließend nur, diesen kleinen Kultfilm dringend ans Herz von Freunden intelligenter Coming-of-Age Filme zu legen. Ich persönlich liebe den Film und bin dabei in guter Gesellschaft, denn ein gewisser Quentin Tarantino zählt ebenfalls zu den Fans von Linklaters High School Rückblick. Vielleicht erbarmt sich KOCH FILMS ja auch, den immer noch nicht digital erhältlichen SUBURBIA, der drei Jahre später entstand und ebenfalls grandios ist, zu veröffentlichen. Der ist nämlich noch gar nicht auf Scheibe erschienen.

Trailer:

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