Koch Films beglückt eingefleischte Filmfans und Nostalgiker mit einer neuen Reihe. In der „William Castle Collection“ sollen fortan die Filme des Regisseurs, der quasi der Hitchcock des B-Movies war, neu remastered auf Blu-Ray erscheinen. Den Anfang machte jüngst DER UNHEIMLICHE MR. SARDONICUS (1961), ein lupenreiner Gruselfilm im Stil der 1930er Jahre, der so einige kleine Überraschungen bereit hält. Wir haben mal reingeschaut!

Originaltitel: Mr. Sardonicus

Drehbuch: Ray Russell; basierend auf der Novelle „Sardonicus“
Regie: William Castle

Darsteller: Ronald Lewis, Audrey Dalton, Guy Rolfe, Oskar Homolka, Erika Peters…

Artikel von Christopher Feldmann

William Castle dürfte nicht jedem ein Begriff sein. Der US-amerikanische Produzent und Regisseur gehört noch heute zu den Galionsfiguren des Horrorkinos der 1950er und 1960er Jahre, obwohl die wenigsten „normalen“ Filmfans je einen Streifen aus seiner umfangreichen Vita gesehen haben dürften. Castle stand nicht für große Kinokunst, sondern war Zeit seines Lebens in der B-Liga vertreten. Nach einer frühen Zusammenarbeit mit Orson Welles im Jahr 1946, sorgte Castle dann ab Ende der 1940er Jahre für regen Output im Grusel-Genre, welchen er bis Mitte der 1960er auf das Publikum losließ. Castles Filme waren nicht unbedingt gut und wurden gerade von Kritikern, zu Recht, verschmäht, doch der gewiefte Filmemacher war kreativ und war in Sachen Marketing sicher einer der innovativsten Köpfe. So peppte er seine Streifen regelmäßig mit absurden Werbegimmicks auf. Beispielsweise gab es bei einem Film eine Lebensversicherung von über 1000 US-Dollar, für den Fall, dass ein Zuschauer den Film nicht überleben würde. Auch wurden spezielle Brillen an das Publikum verteilt, die besonders erschreckende Monster und Gestalten ausblenden sollte. Nicht selten wurden die Kinosäle mit leuchtenden Skeletten dekoriert und bei dem Film THE TINGLER (1959) warfen gar Statisten wurmartige Puppen in den Zuschauerraum. William Castles Filme waren meist ein interaktives Erlebnis, wobei auch DER UNHEIMLICHE MR. SARDONICUS (1961) keine Ausnahme macht und für geneigte Fans knappe 90 unterhaltsame Minuten bereithält.

Handlung:
Als der Londoner Arzt und Chirurg Sir Robert Cargrave (Ronald Lewis) ein Telegramm von seiner ehemaligen Geliebten erhält, die ihn auf das Schloss ihres jetzigen Gatten Baron Sardonicus (Guy Rolfe) einlädt, glaubt der Mediziner an eine rein gesellschaftliche Geste. Im tiefen Transsylvanien angekommen, wird Cargrave stutzig, scheinen die Menschen doch in tiefster Furcht vor dem geheimnisvollen Baron zu leben. Auf dem Schloss selbst, wird es nicht weniger merkwürdig, denn der Hausherr selbst trägt unentwegt eine Maske, die sein Gesicht bedeckt und auch sein Diener Krull (Oskar Homolkar) erweckt nicht gerade den vertrauenswürdigsten Eindruck. Schnell kommt Cargrave hinter das schreckliche Geheimnis des Barons, der ganz eigene Pläne mit dem Arzt hat.

DER UNHEIMLICHE MR. SARDONICUS ist im Kern ein klassischer Gruselfilm, bei dem sich Regisseur Castle bei einer Novelle des Autors Ray Russell bediente, der seine Erzählung prompt selbst für den Film zum Drehbuch adaptierte. Die Geschichte bedient sich sehr auffällig an den klassischen Horror-Produktionen aus dem Hause Universal der 1930er Jahre. Transsylvanien als Handlungsort, ein altes Schloss, ein Arzt aus London und ein geheimnisvoller Graf. Man muss sich nicht Filmwissenschaftler schimpfen, um zu erkennen, dass der Streifen mit seiner Geschichte sehr an den klassischen Dracula-Stoff angelehnt ist. So folgt der Plot ziemlich erwartbaren Kniffen, die immer unterhaltsam sind, den Zuschauer aber auch nicht vom Hocker reißen. Der Film spielt, wie damals sehr üblich, mit den Erwartungen der Zuschauer. Über den gesamten Handlungsverlauf soll das Interesse für Sardonicus‘ Gesicht geweckt werden. Immer wenn er die Maske ablegt, ist er im Schatten zu sehen, so dass der Film die Auflösung, welche für die damaligen Verhältnisse mit recht nettem Make-Up aufwartet, für einen richtigen Schocker sorgen soll.

Aus heutiger Sicht mag das etwas antiquiert wirken, damals dürfte das ein ganz guter Moment gewesen sein. Doch die eigentlich positiven Elemente, sind abseits der Geisterbahn-Elemente zu finden. Bemerkenswert für einen Film dieser Zeit, und diesen Genres, ist die Darstellung des Bösewichts als mehr oder weniger geschundene Figur, die einfach erlöst werden möchte und dabei selbst vor Grausamkeiten nicht zurück schreckt. Er und sein Diener Krull sind die wahrlich interessantesten Figuren des Films. Ihnen gibt der Film einige Nuancen, die man bei dem eigentlich guten Sir Cargrave vergeblich sucht. Als Van Helsing-Verschnitt bleibt die Figur, wie auch ihr Darsteller, recht blass.

Dafür können aber Guy Rolfe und Oskar Homolka als Sardonicus und sein Diener glänzen. Ersterer, den Genre-Kenner vielleicht noch als Andre Toulons aus den PUPPET MASTER-Sequels 3-5 kennen könnten. setzt in den Rückblenden zu seiner Vergangenheit einige nette Akzente und fügt seinem bösen Charakter diverse Facetten hinzu. Der heimliche Star allerdings, ist Homolka, der als grobschlächtiger und entstellter Henchman eine großartige Leistung abliefert. Er sorgt in vielen Szenen dafür, dass man sowohl Mitleid mit Krull hat, ihn aber gleichzeitig auch irgendwie verabscheut. Die Beziehung der beiden erinnert ein wenig an Frankenstein und sein Monster, was sehr gut zum Stil des Films passt.

Auch inszenatorisch lehnt sich Castle bewusst an diese Periode des Horrorkinos an, ohne aber jemals deren Klasse anzuknüpfen. Ein talentierterer Handwerker, hätte aus dem Stoff einen astreinen Grusel-Klassiker machen können. Nun war Castle aber kein Regisseur mit dem Gespür für Atmosphäre und Spannung, sondern eben ein klassischer B-Filmer, was dem Streifen auch oft anzumerken ist. Stock-Footage und günstige Kulissen sind schnell auszumachen und die Inszenierung ist doch eher bieder und etwas zu statisch. Mehr Fingerspitzengefühl hätte dem Ganzen ziemlich gut getan. Castle war zwar kein hervorragender Filmemacher, jedoch, wie bereits erwähnt, ein gewiefter Geschäftsmann, der auch dieses Werk mit einige netten Gimmicks veredelte. Angespornt durch Hitchcocks geschickte Kampagne zu PSYCHO (1960), ließ es sich Castle selbst nicht nehmen, dem Master of Suspense nachzueifern. Auch hier führt der Regisseur, mit dicker Zigarre, auf humorvoll charmante Art in den Film ein. Auch ein Gimmick wurde platziert, nämlich in Form einer sogenannten „Punishment Poll“. Kurz vor Schluss sehen wir den Regisseur, der direkt mit dem Publikum spricht und somit die vierte Wand durchbricht. Die Zuschauer können mit einer Karte abstimmen, ob Sardonicus filmisch bestraft oder begnadigt werden soll. Auf dieser Karte war ein Daumen abgebildet und je nachdem wie herum man die Karte hielt, konnte man entsprechend abstimmen. Dies ist ein höchst unterhaltsamer Moment und bezeichnend für Castles Art des interaktiven Kinos. Tatsächlich gibt es aber nur ein Ende. Ein zweites wurde nie gedreht, weshalb, egal wie die Zuschauer auch stimmen mochten, der Film immer gleich endet.

Koch Films hat den Gruselstreifen nun in einem schicken Mediabook veröffentlicht. Neben dem schicken Artwork, welches an die „Mario Bava Collection“ erinnert, liegt der Schwarz/Weiß-Film in schön aufbereiteter HD-Qualität vor. Das Bild ist scharf und kontrastreich, der Ton, gemessen am Alter, tadellos. Der Film selbst liegt in zwei Fassungen vor, der ungekürzten Langfassung, inklusive Abstimmung, und der deutschen Fassung. Das Bonusmaterial bietet neben einem 16-seitigen Booklet, mehrere Featurettes, Trailer, Bildergalerie und ein exklusives Trailers from Hell-Special.

Fazit:
Mit DER UNHEIMLICHE MR. SARDONICUS (1961) eröffnet Koch Films ihre „William Castle Collection“. Angelehnt an das Horrorkino der 1930er Jahre bietet der B-Film viel Schönes, unter anderem zwei tolle Darsteller, eine gute Geschichte und ein wunderbar albernes Gimmick. Auch wenn die Inszenierung doch eher bieder geraten ist und oft etwas angestaubt wirkt, lohnt es sich für Filmfans, das Werk William Castles einmal zu entdecken. Koch Films sei Dank!

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