Vincent van Gogh hatte es zu Lebzeiten als Maler nicht leicht. Quer durch die Bank hatte eigentlich jeder was an seinen Werken auszusetzen. Selbst in der Kneipe dürfen seine Bilder nicht mehr hängen, da das Publikum sie scheußlich findet. Doch von Gogh ist autistisch gefangen in seinem speziellen Blick auf die Natur und der ewigen Suche nach Schönheit und dabei unfähig, einen funktionierend Kontakt zur Umwelt zu halten Seine Bilder drängen nach draußen, lassen ihn an seiner Wahrnehmung zweifeln und führen ihn kurzfristig in die Psychiatrie. In dieser Phase findet van Gogh zu einigen seiner Meisterwerke. Ein Filmtipp, nicht nur für impressionistische Kunstfreunde, frisch erschienen von DCM.

Originaltitel: At Eternity´s Gate

Regie: Julian Schnabel

Darsteller: Willem Dafoe, Rupert Friend, Oscar Isaac, Mads Mikkelsen, Emmanuelle Seigner

Artikel von Kai Kinnert

Während eines selbst auferlegten Exils in Arles und Auvers-Sur-Oise, Frankreich, entwickelt der niederländische Maler Vincent van Gogh (Willem Dafoe) seinen einzigartigen, farbenfrohen Malstil. Während er sich mit Religion, Geisteskrankheiten und einer turbulenten Freundschaft mit dem französischen Künstler Paul Gauguin (Oscar Isaac) und seinem Bruder Theo (Rupert Friend) auseinandersetzt, konzentriert sich van Gogh mehr auf seine Beziehung zur Ewigkeit als auf den Schmerz, den ihn seine Kunst in der Gegenwart verursacht.

Der Film beginnt in einer Kneipe, einem Cafe. An der Wand etliche van Goghs. Vincent van Gogh hatte eine Ausstellung geplant, an der sich auch andere Künstler beteiligen sollten. Doch keiner wollte mitmachen und so mussten eben lauter van Goghs an die Wand, um die Fläche voll zu bekommen. Aber da sich die Gäste über den gemalten Schund beschweren, muss der bunte Quatsch wieder runter. Mit langen Einstellungen, ganz aus der Hand und nur mit natürlichem Licht beleuchtet, fängt die Kamera die Diskussion mit dem Wirt ein. Der Stil irritiert kurz, denn die Kamera ist dicht bei van Gogh und es wird deutlich, dass der Film sich einem unaufwendigen, impressionistischen Stil erzählen wird, der schnell aufgesetzt und anstrengend wirken kann, wenn er von falscher Hand inszeniert wird.

Doch Julian Schnabel (Schmetterling und Taucherglocke, 2007) scheint in Höchstform und so ist man drei Minuten später als Zuschauer voll im Film. Vincent van Gogh muss auf einer Schubkarre seine Bilder nach Hause fahren und Regisseur Schnabel eröffnet mit dem hervorragenden Kameramann Benoit Delhomme einen geschickten Bilderreigen in die Welt van Goghs, der die Ängste und sozialen Unfähigkeiten van Goghs regelrecht malerisch mit der Entwicklung seines Malstils in Einklang bringt. Die Kamera klebt an van Gogh, dreht vieles in einer Einstellung, umkreist, kriecht fast ins Auge, legt sich zu ihm ins Bett, fängt ihn im Sog der Farben ein – und immer wieder das Licht. Oft geht die Sonne unter, die Goldene Stunde bricht sich in der Optik, umreißt warm das Gesicht van Goghs, wenn er mit seinen Sinnen ringt. Der Film erzählt sich fast zur Hälfte aus der Subjektiven van Goghs, lässt den Zuschauer die Farben und Verzerrungen wahrnehmen, engt die Sicht in warmen Farben durch zwei Linsenstärken ein. Van Gogh hat einen fantastischen Kamerastil, atemberaubende Farben und kümmert sich wenig um die Konventionen in der Bildgestaltung. Der Film ist ausschließlich in natürlichem Licht gedreht worden und es sieht fantastisch aus.

Willem Dafoe spielt zart genug, um für diese Art der dicht folgenden Kamera einen glaubwürdigen Vincent van Gogh darzustellen. Dafoe lernte für den Film einige Zeit vorher schon bei Julian Schnabel das Malen, in dem sie im Team immer wieder Sachen aus dem Alltag zeichneten. Im Film sind 130 von van Gogh inspirierte Zeichnungen und Skizzen zu sehen, die Schnabel, Dafoe und eine weitere Künstlerin aus der Produktion zeichneten. Der Zuschauer ist dabei, wie van Gogh mit seiner Wahrnehmung ringt, wie er die Farben sieht, wie er in die Natur geht und seine Bilder findet. Doch nur wenige können was mit seinen Bildern anfangen und so bleibt van Gogh mit seiner Sicht auf die verborgene Ewigkeit weitest gehend alleine, was ihn letztendlich in die Klappsmühle bringt, da er sich sein Ohr abgeschnitten hatte. Die letzten Tage seines Lebens verbringt van Gogh beim Kunstfreund und Arzt Paul Gachet (Mathieu Amalric). Als van Gogh stirbt, darf sich jeder eines seiner Bilder mitnehmen, der ihn kannte.

Dank einer famosen Kamera, fantastischen Bildern aus der Sicht van Goghs und die Betrachtung der Entwicklung seiner Arbeit, ist das Gesamtergebnis durch einen erstklassigen Willem Dafoe aus einem einziger Guss. Der Film ist ein optischer Genuss, verliert dabei nicht die Person van Goghs aus dem Fokus und lässt die Laufzeit von 113 Minuten wie im Fluge vergehen. Für Freunde der Kunst ist dieser Film ein Muss. Der Streifen malt mit van Gogh zusammen seine Bilder, anders kann man es nicht sagen. Dabei gelingt es Julian Schnabel über die Schönheit seiner Aufnahmen und Farben einen breiten Zugang für das Publikum zu eröffnen, der durch Willem Dafoe feinfühlig mit getragen wird. Van Gogh ist ein guter, runder und schöner Film.

Das Bild der BD ist malerisch satt, klar und prächtig, der Ton ist gut. Als Extras gibt es vier Featuretten zum Thema.

Trailer:

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