Hurenween hat auch NETFLIX erreicht. Mit IM HOHEN GRAS (2019) hat der Streaming-Dienst nun die nächste Verfilmung eines Stoffes von Stephen King veröffentlicht. Ob der, in Fachkreisen gerne als „Lawn of the Dead“ bezeichnete, Schocker für brauchbaren Grusel sorgt, erfahrt ihr in unserer Kritik!

Originaltitel: In the Tall Grass

Drehbuch: Vincenzo Natali; nach einer Novelle von Stephen King & Joe Hill
Regie: Vincenzo Natali

Darsteller: Laysla De Oliveira, Avery Whitted, Patrick Wilson, Will Buie Jr., Tiffany Helm…

Artikel von Christopher Feldmann

Von einer neuen King-Mania zu sprechen, ist gar nicht so weit hergeholt, immerhin stürzen sich Produzenten derzeit wieder auf die Geschichten des legendären Horror-Autors, um sie in Film- oder Serienform zu adaptieren. Der gigantische Erfolg von ES (2017) sorgte dafür, dass der Name Stephen King wieder zum Synonym für qualitativ gute Genre-Kost wurde. Immerhin folgten dem prominenten Kino-Hit mit THE DARK TOWER (2017), FRIEDHOF DER KUSCHELTIERE (2019) und ES – KAPITEL 2 (2019) weitere Filme, die auf Werken Kings basieren. Mit CASTLE ROCK läuft seit letztem Jahr sogar eine Serie beim Anbieter HULU. Bald erwartet uns zudem auch die SHINING-Fortsetzung DOCTOR SLEEP (2019), sowie weitere Umsetzungen, die sich derzeit in Produktion befinden. Auch Netflix hat schon seit längerem seine Freude an den Kingschen Grusel-Geschichten, waren der Streaming-Riese doch für die Umsetzung von DAS SPIEL (2017) und 1922 (2017) verantwortlich. Mit IM HOHEN GRAS (2019) verarbeitete Regisseur und Autor Vincenzo Natali nun eine Novelle, die King gemeinsam mit seinem Sohn Joe Hill geschrieben hat. Dabei sorgt der klaustrophobische Wiesen-Horror für einige spannende und gruselige Momente, auch wenn man schnell merkt, dass sich die Story nicht unbedingt für einen 100-minütigen Spielfilm eignet.

Handlung:
Die schwangere Becky DeMuth (Laysla De Oliveira) ist mit ihrem Bruder Cal (Avery Whitted) auf dem Weg durch die amerikanische Einöde, als sie bei einem kurzen Stop Hilfeschreie aus einer hochgewachsenen Wiese hören. Ohne groß zu zögern, begeben sich die Beiden in das dichte Gestrüpp um den kleinen Tobin (Will Buie Jr.) zu finden, der sich im Gras verlaufen hat. Schnell bemerken die Geschwister, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht, scheinen doch Zeit und Raum in Mitten des hohen Grases völlig außer Kraft gesetzt zu sein. Auch jeglicher Versuch, das dicht gewachsene Grün zu verlassen scheitert. Als Tobins Vater Ross (Patrick Wilson) auftaucht, scheint zuerst Rettung nahe, doch noch ahnen die Gefangenen nicht, dass dies erst der Anfang ist.

IM HOHEN GRAS gehört zu den etwas jüngeren Geschichten, die der Fantasie Kings entsprungen sind und wurde 2012 veröffentlicht, in zwei Teilen im Männermagazin Esquire. Während sich die Vorlage auf eine recht einfache Erzählung stützt, verwendet Vincenzo Natali lediglich das Grundgerüst der Geschichte, um das Material zum surrealen Horror-Trip auszubauen. Schon die erste Einstellung, in der das titelgebende „hohe Gras“ aus der Vogelperspektive zu sehen ist und das ganze Bild ausfüllt, erzeugt mit ihrem guten Sound-Design ein Unwohlsein beim Zuschauer. Ein Kniff, den Natali mit zunehmender Laufzeit weiter ausarbeitet, denn der Film lebt im Großen und Ganzen von seiner beklemmenden Atmosphäre. Das Gras funktioniert als Labyrinth, als Bermuda-Dreieck aus dem es scheinbar kein entkommen gibt und in dem man sich immer wieder Zeit für die Charaktere nimmt. Allerdings bleibt das Drehbuch in dieser Hinsicht relativ zahnlos, da wir nicht mehr von den Figuren kennen lernen, als bloße Informationen, die wir schon in den ersten Minuten erhaschen können.

Während sich die Spannung in der ersten Hälfte weiter aufbaut und Natali gekonnt das Mystery-Element ausspielt, verliert die Story danach an Biss und Entwicklung. Sie beginnt sich im Kreis zu drehen und fällt besonders durch Wiederholungen auf. Hier merkt man besonders, dass die Novelle (kürzer als ein Roman, länger als eine Kurzgeschichte) nicht genug Stoff für einen Spielfilm mit einer Länge von 100 Minuten hergibt. So fällt die Spannung in der zweiten Hälfte arg ab, das Geschehen wirkt unnötig gestreckt und eine richtige Entwicklung findet nicht mehr statt. Als, für sich stehende, TWILIGHT ZONE-Episode würde das Ganze sicher besser funktionieren.

Immerhin fängt Natali diese Schwachpunkte etwas mit seiner Inszenierung auf. IM HOHEN GRAS sieht ziemlich gut aus und beweist, dass selbst einfaches Grün ziemlich bedrohlich und gruselig sein kann, wenn der richtige Regisseur Hand anlegt. Zwischen kreativen Einstellungen, gutem Sound-Design und einer hitzigen Optik, gelingt es Natali ein klaustrophobisches Gefühl aufkommen zu lassen, was sich gut auf den Zuschauer überträgt, um zumindest in dieser Hinsicht etwas mit den eher blassen Figuren mitfühlen zu lassen.

Die gewinnen innerhalb der Handlung leider nicht allzu viel Profil und bleiben größtenteils einfache Schachfiguren, von denen CONJURING-Star Patrick Wilson noch die beste Performance abliefert. Seine Figur hat etwas von Dr. Jekyll und Mr. Hyde und wechselt immer wieder zwischen verschiedenen Tonalitäten. Mal sanft und vertrauenswürdig, mal witzig und dann wieder furchteinflössend und böse. Wilson liefert ab und überstrahlt damit seine weitestgehend unbekannten Co-Stars, die zwar allesamt solide agieren, im Nachhinein aber keinen sonderlich großen Eindruck hinterlassen. Sie sind eben Schachfiguren in einem Film, bei dem eher die Bilder und das hohe Gras die Stars sind. Kaum zu glauben aber wahr. Auch wenn sich die Geschichte einige Freiheiten nimmt und Passagen dazu gedichtet wurden, um die Laufzeit zu strecken und dem Ganzen einen etwas tieferen Horror-Touch zu geben, merkt man zu jeder Zeit, dass es sich hier um eine kleine Erzählung handelt. Auch viele ziemlich böse Momente wurden herausgelassen, was aber nicht bedeutet, dass IM HOHEN GRAS nicht an die Nieren geht. Etwas Blut und Gekröse inklusive!

Fazit:
Mit IM HOHEN GRAS (2019) serviert NETFLIX die nächste hauseigene Stephen King-Adaption. Dabei nimmt sich Vincenzo Natali einige Freiheiten und inszeniert einen klaustrophobischen, surrealen Horror-Trip, der besonders auf visueller Ebene überzeugt, oftmals aber nicht kaschieren kann, dass sich die Geschichte nicht wirklich für 100 Minuten Film trägt. Größtenteils eher blasse Darsteller machen es dem Zuschauer dann auch etwas schwer, sich so richtig involvieren zu lassen. Im Endeffekt ein solider Horrorfilm, den man durchaus anschauen kann. Für King-Fans wahrscheinlich sowieso Pflichtprogramm!

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