DIONIN! DIONIN!!! – Heute war mir mal danach, einen Horrorklassiker aus der seligen Videothekenzeit hervorzukramen. CMV LASERVISION bewies vor geraumer Zeit ein Herz für Ken Russell-Fans und spendierte dessen schrägen Schlangen-Vampir-Erotik-Horror-Film eine schöne Veröffentlichung. Im Gepäck: Eine ganze Menge Bonusmaterial. Wir haben uns gemeinsam mit Ex-„Doctor WhoPeter Capaldi und dem ehemaligen RomCom-Star Hugh Grant auf die Jagd nach der betörenden Vampirschlange Amanda Donohoe gemacht. DIONIN!

Originaltitel: The Lair of the White Worm

Regie: Ken Russell

Darsteller: Amanda Donohoe, Hugh Grant, Catherine Oxenberg, Peter Capaldi, Sammi Davis, Paul Brooke

Artikel von Christian Jürs

Als Der Biss der Schlangenfrau damals das Licht der Videotheken erblickt hatte, muss ich irgendwo zwischen dreizehn und vierzehn Jahre alt gewesen sein. Mein Vater empfahl mir diesen Streifen, den er frisch auf seinen Video 2000 überspielt hatte. „Hier pickeliger Teenager. Vampire, Jungfrauen, ganz viel sexuelle Anspielungen und die böse Vampirdomina ist meistens nackig. Viel Spaß, vergiß das Zewa nicht.“ So in etwa hätte er mir den Film empfehlen können. Hat er aber selbstverständlich nicht. Trotzdem war es eine, für meinen weiteren Filmgeschmack durchaus wegweisende Empfehlung seinerseits. Der bizarre Film hinterließ einen bleibenden, positiven Eindruck, weswegen ich ihn auch alle Jahre wieder aus dem DVD-Regal krame.

Auf dem Gelände der Schwestern Mary (Sammi Davis) und Eve Trent (Catherine Oxenberg) findet der Archäologe Angus Flint (Peter Capaldi) den versteinerten Schädel eines riesigen Reptils. Für den Forscher ein Sensationsfund. Was ihn zu Ausgrabungen im Garten der kleinen Pension, die die Schwestern irgendwo im ländlichen England betreiben, bewogen hat, bleibt für immer sein Geheimnis. Den Abend verbringt er mit den zwei Schwestern auf einer Party von Eves Verlobtem Lord James D’Ampton (Hugh Grant). Dort erfährt der junge Archäologe, dass D´Amptons Vorfahre einst ein böses Drachen-, Schlangen- oder auch Wurmwesen (so genau ist die Überlieferung nicht) erlegt haben soll, so dass die Bewohner gerettet wurden und fortan alle in Frieden weiterleben können. So feiert man ausgelassen bei Tanz und Folklore (der Song „The Lambton Worm„, der auf einer ähnlichen, alten Sage basiert, wird ausführlich vorgetragen und ist erstaunlich eingängig). Der Lord selbst sollte, anstatt zu feiern, allerdings besser daran arbeiten, seine Beziehung zu Eve zu intensivieren, denn zu mehr als ein paar jugendfreien Küssen reicht es bei den beiden nicht. Die Trent Schwestern haben derweil aber ganz andere Sorgen, da ihre Eltern vor Jahren bei einer Wanderung in der näheren Umgebung verschwunden sind und der Fall seitens der spärlich besetzten Polizei in der Gegend immer noch ungeklärt blieb. Der Zuschauer ahnt recht schnell, dass die titelgebende Schlangenfrau etwas damit zu tun haben dürfte.

Womit wir zu Lady Sylvia Marsh (Amanda Donohue) kommen, die jedes Jahr im Frühjahr ihr Anwesen, das Templeton Haus, bezieht. Dieses Jahr ist sie früh dran, denn der Gott der vampirähnlichen Schlangenfrau mit dem eingangs von mir dezent erwähnten Namen Dionin benötigt ein lebendiges Jungfrauenopfer, um endlich wieder frei auf Erden für Chaos und Vernichtung zu sorgen. Der erste Versuch, die Opferung eines naiven Pfadfinders mit dem Namen Kevin (Chris Pitt), misslingt, da Lord D´Ampton mit einem unerwarteten Willkommensbesuch dazwischenfunkt.

Kurze Zeit später begeben sich die Schwestern mit James und Angus in die anliegenden Höhlen, in denen ihre Eltern einst verschwanden. Die Tatsache, dass sie mit dem Fund der Armbanduhr des Vaters nun sicher sein können, dass etwas schreckliches geschehen ist, schlägt Eve gewaltig auf den Magen. Allein begibt sie sich vorzeitig auf den Heimweg, wird jedoch von Sylvia Marsh abgefangen. Mittels einer hypnotischen Aura zieht sie Eve in ihren Bann. Willenlos folgt sie der Vampirdame, damit Dionin endlich seine Jungfrau und damit auch seine Freiheit, wiedererlangen soll…

Regisseur Ken Russell war Zeit seines Lebens vor allem für ungewöhnliche, ziemlich erotische und vor allem surreale Horrorstreifen wie Gothic oder Der Höllentrip bekannt, obwohl er nur selten in dem Genre tätig war und seine Filmographie noch wesentlich vielfältiger ausfiel (u.a. Die Hure). Hier adaptierte er sehr frei den späten Bram Stoker Roman Das Schloss der Schlange, wobei er sich nur lose an die Vorgabe hielt, das Geschlecht des Bösewichts abänderte und viele sexuelle Anspielungen und Phallussymbole in den Film einfügte. Dabei schuf er keinen sonderlich gruseligen Film, sondern eine erotisch-surreale Geschichte über das Böse in Form der weiblichen Versuchung, gespickt mit dezentem, aber durchaus typischem, englischen Humor. Unterstützt wird sein liebevoll ausgeleuchteter Film von einer tollen Besetzung, die heute populärer klingt, als sie es damals war.

Obwohl Peter Capaldi über 120 Einträge in der IMDb besitzt, startete er erst in den letzten Jahren, mit Serien wie Die Musketiere oder eben Doctor Who so richtig durch. Catherine Oxenberg hatte ihren Karrierehöhepunkt in jungen Jahren als Amanda Bedford Carrington in der Serie Der Denver-Clan auch gerade hinter sich gebracht und Sammi Davis kannte ich bis dato gar nicht. Wer hingegen Hugh Grant ist, brauche ich wohl nicht näher erläutern. Hier stand der sympathische Mime noch am Anfang seiner Karriere. Infolgedessen hat er hierzulande auch noch nicht seinen Stammsprecher Patrick Winczeswki (und auch nicht dessen kurzzeitigen Ersatzmann Uwe Büschken), sondern den sonst eher auf Nebenrollen abonnierten Klaus-Peter Grap. Dieser passt zur Rolle des eitlen Lords allerdings hervorragend, klingt er doch noch wesentlich snobistischer als Grant selbst in der Rolle.

Die Rolle der Sylvia Marsh wurde ursprünglich Tilda Swinton angeboten, diese lehnte jedoch ab, da ihr das Skript nicht gefiel. Ich nenne es Glück im Unglück, denn Amanda Donohoe spielt die Rolle der dominanten Dämonin mit einer unglaublichen Hingabe und entpuppt sich als Idealbesetzung. Ihr ironisches Spiel ist ein echtes Highlight von Der Biss der Schlangenfrau. Erfrischend, dass gerade ihre Bösewichtrolle für die größten (gewollten) Lacher führt. Auch der Rest des Casts, unter anderem der triefäugige Paul Brooke in der Rolle des tüffeligen Dorfpolizisten mit der Synchronstimme von Gerd „Ernie“ Duwner, ist perfekt besetzt.

Filmisch geht Ken Russell eher ungewöhnliche Wege. So manche Szene, in der die Schlangenfrau plötzlich aus dem Nichts auftaucht, wirkt wie für ein Theaterstück inszeniert. Klingt erstmal ungewöhnlich, passt aber zu den ironischen Ausbrüchen innerhalb der Story und den durchaus etwas trashigen Effekten (Dionin wird von einem umgestalteten VW Käfer dargestellt) und dem Wechsel aus farbenprächtiger Ausleuchtung und der tristen Farbgebung der ländlichen Umgebung.

Die zur Rezension vorliegende Blu-ray besticht durch ein glasklares Bild (1,85:1) und sauberen Ton (Deutsch und Englisch in DD 2.0). Im Bonusbereich wird derweil geklotzt und nicht gekleckert, bekommen wir doch gleich 3 Audiokommentare (Ken Russell / Lisi Russell und Filmhistoriker Matthew Melia / Christoph N. Kellerbach und Tom Burgas), drei Featurettes, Trailer und eine Bildergalerie. Die DVD und Blu-ray besitzen ein Wendecover ohne Flatschen. Das Mediabook kommt in 2 unterschiedlichen Covervarianten daher und beinhaltet noch ein Booklet vom Kollegen Kellerbach.

Der Biss der Schlangenfrau ist nichts für die breite Masse. Macht nix, ich liebe ihn, seit meiner Jugend. Danke, Papa.

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