Weihnachtsfilme bedeuten automatisch besinnliche Familienunterhaltung? Falsch! Dies beweisen Euch CAPELIGHT PICTURES mit dem frühen Slasher BLACK CHRISTMAS, hierzulande auch bekannt als JESSY – DIE TREPPE IN DEN TOD, entweder in einer edlen Mediabookvariante oder einer Retro-VHS-Edition. So werden auch Weihnachtsmuffel, die den Film unter dem Gabentisch finden, milde gestimmt. Doch wie gruselig wirkt der immerhin 45 Jahre alte Schocker heutzutage noch? Immerhin hat er es nie zu einem Sequel, dafür aber mittlerweile zu zwei Remakes gebracht. Wir haben uns todesmutig zu Jessy auf die Treppe in den Tod gewagt und berichten von dort.

Alter dt. Titel: Jessy – Die Treppe in den Tod

Alternativtitel: Silent Night, Evil Night / Stranger in the House

Regie: Bob Clark

Darsteller: Olivia Hussey, Margot Kidder, John Saxon, Marian Waldman

Artikel von Christian Jürs

Es herrscht Ferienstimmung im kanadischen Schwesternwohnheim Sigma Lambda Chi. Die Kommilitoninnen planen ihren Weihnachtsurlaub, als plötzlich das Telefon klingelt. An der anderen Seite der Leitung stöhnt ein obszöner Anrufer, der sich offensichtlich nicht zum ersten Mal meldet. Während die Einen geschockt von den Lauten am anderen Ende der Leitung sind, platzt der kaltschnäuzigen Barb (Margot Kidder) der Kragen. Sie beleidigt den Perversen aufs Äußerste, woraufhin dieser Morddrohungen gegen die Mädchen ausstößt. So richtig ernst nehmen die Schülerinnen den Perversling allerdings nicht. Ein tödlicher Fehler.

Hätten sie geahnt, wie ernst es der Anrufer wirklich gemeint hat, wären sie sicherlich sofort zur Polizei gegangen. Es dauert nicht lange, dann verschwindet Clare (Lynne Griffin), eines der Mädchen, spurlos. Ihr Vater (James Edmond) ist in großer Sorge und meldet, mit einer angetrunkenen Barb und Clares Freundin Jessy (Olivia Hussey) im Schlepptau, seine Tochter bei der Polizei als vermisst. Doch der zuständige Seargent Nash (Doug McGrath) spendet ihnen nur wenig Gehör. Als jedoch ein 13 jähriges Mädchen ermordet aufgefunden wird, nimmt man die Sache ernst und Lt. Fuller (John Saxon) übernimmt den Fall der verschwundenen Clare. Der Zuschauer weiss jedoch bereits: Es ist viel zu spät.

Der Film verliert keine Zeit und so meldet sich der anonyme Wahnsinnige wieder bei Jessy am Telefon. Völlig wirr keifend stößt er Morddrohungen gegen sie und ihre Freundinnen aus. In Jessy keimt ein böser Verdacht gegen ihren eigenen Freund Peter (Keir Dullea). Dieser ist derzeit nicht gut auf Jessy zu sprechen, da diese ungewollt schwanger wurde und sich gegen das Baby und somit auch den Willen Peters, der wohl sehr gerne Vater werden möchte, entschieden hat. Was sie nicht ahnt, dem Zuschauer jedoch längst bewusst ist: Der Killer haust, zusammen mit Clares Leiche, auf dem Dachboden der Schwesternschule und wartet nur darauf, erneut zuzuschlagen…

Ganze vier Jahre bevor John Carpenter mit seinem Kultfilm Halloween – Die Nacht des Grauens das Genre neu definierte, lieferte der spätere Porky´s Regisseur Bob Clark bereits diese Blaupause für Michael Myers späteres Treiben ab. Es war nicht der erste Slasher, da Peeping Tom und Mario Bavas Im Blutrausch des Satans bereits Jahre früher entstanden, doch die Nähe zu Carpenters Film (junge, unartige Mädchen werden an einem bestimmten Feiertag massakriert) ist offensichtlich. Eine weitere Gemeinsamkeit sind die effektiven, aber nicht allzu expliziten Mordszenen, die trotzdem unter die Haut gehen (der Film ist Rated-R eingestuft worden). Dabei sah das Drehbuch weit härtere Killszenen vor, was jedoch Regisseur Clark missfiel. Dafür gibt es die ständige Bedrohung, die durch den sich unentdeckt in unmittelbarer Nähe der Mädchen befindlichen Killer ausgelöst wird. Eine stimmungsvolle Ausleuchtung und gelungene Musikuntermalung tun da ihr übriges.

Eine weitere, echte Stärke von Black Christmas sind die hervorragend geschriebenen Figuren, die von ebenso hervorragenden Schauspielern interpretiert werden. Allen voran natürlich Olivia Hussey in der Titelrolle (sofern man sich am alten deutschen Titel orientiert). Jessey ist ein starker Charakter, der nach außen hin zerbrechlich wirkt. Ihr Konflikt mit Freund Peter ist mehr als nur Füllwerk, um die Laufzeit zu strecken.

In den Nebenrollen darf John Saxon als Lieutenant quasi einen Vorgeschmack auf seine Rolle im A Nightmare on Elmstreet Franchise geben und gibt sich gewohnt cool. Marian Waldman als trinkfeste Hausmutter Mrs. Mac ist der einzige etwas komödiantisch angehauchte Part, zumindest bis zu einem gewissen Punkt.

Am besten hat mir aber, damals wie heute, Margot Kidder in der Rolle der vulgären und dominanten Barb gefallen. Sie gibt sich am Verschwinden von Clare die Schuld und betäubt den Schmerz mit Alkohol um zu verdrängen. Ein starker Part, einer nur nach außen hin harten Persönlichkeit, die jedoch innerlich zerbrechlich ist. Quasi der Gegenpol zu Jessy.

Vor allem aber ist der anonyme Anrufer, dessen Part im Original der Regisseur spricht und der bei uns von Synchronlegende Joachim Kemmer wahnsinniges Leben eingehaucht bekam, so creepy und unheimlich, dass es einen heute noch erschaudert. Ja, Jessy – Die Treppe in den Tod funktioniert heute auch noch als Nägelkauer und Herzschrittmachernotwendigkeitsverursacher.

Nur kurz erwähnt sei, dass das Remake von 2006 komplette Grütze ist. Die Teenies sind einem schnurzegal und der Killer bekommt eine grauenhafte Backstory zugedichtet, weil man heutzutage ja alles erklären muss. Das Publikum soll schließlich sein Popcorn fressen und nicht die Rübe anstrengen. Das jetzt in den Kinos startetende zweite Remake aus dem Hause Blumhouse macht im Vorfeld bereits Negativschlagzeilen, da der Film von einem R-Rating auf eine massentauglichere PG-13 Freigabe heruntergekürzt wurde. Der Schuss könnte nach hinten losgehen.

Positives gibt es hingegen zur Neuveröffentlichung zu vermelden. Es ist zwar nicht die erste Blu-ray, die Capelight Pictures herausgebracht hat, aber die Schönste. Sowohl Mediabook, als auch die VHS Edition machen im Sammlerregal ordentlich was her. Der Ton ist in Deutsch und Englisch glasklar. Das Bild gestochen scharf, jedoch mit starkem Filmkorn. Allerdings unterstützt dies die schmuddelige Optik der 70´s Atmosphäre. Als Bonus gibt es einen Audiokommentar mit dem Regisseur und einen weiteren mit John Saxon und Keir Dullea. Diverse Featurettes, Interviews, eine alternative Titelsequenz, TV- und Radiospots und Trailer.

Horrorfans, vor allem des Slasher-Untergenres, aufgepasst. Capelight Pictures bringt da ein Kleinod mit toller Synchro (Thomas Danneberg, Wolfgang Spier, Traudel Haas) und schöner Gruselatmosphäre auf den Markt. Was könnt´s Schöneres zum Fest der Liebe geben? Euch allen ein frohes Black Christmas.

Trailer:

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