Meisterregisseur Quentin Tarantino befindet sich gerade mit seinem aktuellen Film ONCE UPON A TIME…IN HOLLYWOOD (2019) auf Oscar-Kurs, konnte die Ode an das Kino der 1960er Jahre doch schon zwei Golden Globes einstreichen. Da kommt es gerade recht, dass Koch Films mit TARANTINO – THE BLOODY GENIUS (2019) die passende Dokumentation im Heimkino veröffentlicht, die den Weg des Ausnahmetalents nachzeichnet. Was es darin Neues zu entdecken gibt, erfahrt ihr in unserer Kritik!

Originaltitel: QT8: The First Eight (alt. 21 Years: Quentin Tarantino)

Drehbuch & Regie: Tara Wood

Darsteller: Christoph Waltz, Kurt Russell, Tim Roth, Jennifer Jason Leigh, Samuel L. Jackson, Lucy Liu, Eli Roth, Robert Forster, Bruce Dern, Michael Madsen…

Artikel von Christopher Feldmann

Mit ONCE UPON A TIME…IN HOLLYWOOD (2019) befindet sich Multitalent und Kult-Filmemacher Quentin Tarantino derzeit wieder auf Oscar-Kurs. Es ist nicht das erste Mal, dass Tarantino derart preisträchtiges Material abgeliefert hat, eigentlich lässt sich seine ganze Karriere ganz gut unter dem Überbegriff „Meisterwerk“ verbuchen. Eine beispiellose Erfolgsgeschichte, wenn da nicht der dunkle Schatten des Hollywood-Moguls Harvey Weinstein wäre, der wegen zahlreicher sexueller Übergriffe und Nötigungen im Oktober 2017 zu Fall gebracht wurde und dadurch die MeToo-Debatte auslöste, und mit dem Tarantino seit PULP FICTION (1994) eng zusammenarbeitete. Inwieweit der Autor und Regisseur in dem Kreis der Mitwisser involviert war und was der aufsehenerregende Fall vor allem bei Quentin selbst bewirkt hat, wurde in den Medien nur angerissen. Mit Spannung haben Fans und Nerds nun Tara Woods Dokumentation QT8: THE FIRST EIGHT (2019) erwartet, mit der die Regisseurin dem Vorbild eines jedem Film-Geeks ein ansprechendes Denkmal setzt und die mit ordentlich Verzögerung nun im Heimkino veröffentlicht wird. Wir haben uns das Portrait einmal vorab angeschaut!

Vorab sollte die bewegte Produktionsgeschichte dieses Films erwähnt werden, die es Tara Wood, die mit 21 YEARS: RICHARD LINKLATER (2014) bereits einem anderen Kult-Regisseur huldigte, schwer machte, die Tarantino-Doku überhaupt zu veröffentlichen. Ursprünglich wollte man ganz klassisch über Tarantinos bisherige acht Filme erzählen (Die Produktion begann kurz nach dem Kinostart von THE HATEFUL EIGHT (2015)). Kurz vor der eigentlichen Veröffentlichung gingen allerdings die Weinsteins, ausgelöst durch den eingangs erwähnten Sex-Skandal, in die Insolvenz, was auch bedeutete, dass QT8 erstmal auf Eis lag, war die Weinstein Company doch der Verleih, der die Dokumentation sogar in die Kinos bringen wollte. Ganze zwei Jahre dauerte es, bis Wood ihren Film zurückgewann, doch da das Material aber alles andere als aktuell war, musste sie nochmal Hand anlegen und Ergänzungen durchführen.

Die endgültige Fassung ist in drei Kapitel aufgeteilt. Im, als „The Revolution“ bezeichneten, ersten Segment dreht sich alles um Tarantinos Anfangstage als Videotheken-Aushilfe, der erste Drehbücher schrieb (unter anderem TRUE ROMANCE) und schließlich nach vielen Irrungen und Wirrungen mit RESERVOIR DOGS (1992) sein gefeiertes Debüt ablieferte, bevor sein zweiter Film PULP FICTION (1994) den Querdenker und Kinoliebhaber über Nacht zum Superstar machte. Im zweiten Kapitel „Badass Women & Genre-Play“ befasst sich die Dokumentation mit Tarantinos Liebe zum Genre-Film, zu B-Movies aus der Exploitation und Grindhouse-Ära und seiner Fähigkeit starke Frauenfiguren zu schreiben. Dies kulminiert in seinen Filmen JACKIE BROWN (1997), KILL BILL (2003/2004) und DEATH PROOF (2007). Das abschließende Kapitel „Justice“ befasst sich mit Quentins Sinn nach Gerechtigkeit für unterdrückte Figuren und seinem Faible für historische Geschichten, die auch mal ganz gerne anders erzählt. Gegenstände dieses Kapitels sind natürlich seine letzten drei Werke INGLOURIOUS BASTERDS (2009), DJANGO UNCHAINED (2012) und THE HATEFUL EIGHT (2015).

Man spürt förmlich wie Tara Wood versucht, eine Art Mystik rund um den gefeierten Regisseur aufzubauen. Themen, die sich um seine einzelnen Filme drehen, werden sehr bedeutungsschwanger wiedergegeben, als wolle man den Oscar-Preisträger zu einer Art Gottheit verklären. Ich bin selbst ein großer Fan seiner Arbeit aber die Dokumentation trägt schon ziemlich dick auf. Dafür sorgen auch die zahlreichen Interviewpartner, die Wood für ihr Portrait gewinnen konnte. Neben Tarantino-Spezi Samuel L. Jackson und den Produzenten Stacy Sher und Richard Gladstein haben sich zahlreiche Stars vor die Kamera gesetzt. Christoph Waltz, Jamie Foxx, Michael Madsen, Tim Roth, Kurt Russell, Robert Forster, Bruce Dern, Jennifer Jason Leigh, Zoe Bell, Diane Krüger und Kumpel Eli Roth geben sich unter anderem die Ehre. Dabei schafft es das Ganze, einige nette und schöne Anekdoten zu bieten, etwa über durchzechte Nächte am Set von DEATH PROOF (2007) oder über Tarantinos enge Mitarbeiterin Sally Menke, die bis zu ihrem Tod im Jahr 2010 bei allen Filmen als Cutterin beschäftigt war. Ansonsten werden die üblichen Geschichten und Trivia-Facts zum Besten gegeben, die der geneigte Fan bereits kennen dürfte, falls er sich schon näher mit der Karriere des Künstlers befasst haben sollte.

Immerhin hat Tara Wood ein Händchen für Aufmachung. Neben zahlreichen Szenen aus den Filmen selbst und Behind-the-Scenes-Material wird die „Talking Heads“-Doku immer wieder von Cartoons unterbrochen, die äußerst amüsant diverse Erzählungen visualisieren. Hier kann der Film ganz klar punkten und auch sonst gestalten sich die gerade einmal 100 Minuten recht kurzweilig. Allerdings sind diese auch ziemlich einseitig und unkritisch. Nicht falsch verstehen, ich bin ein echter Fan, dennoch ist Tarantino durchaus diskutierbar. Das zeigt sich zumindest in dem einzigen ansatzweise kritischen Moment, in dem über einen Autounfall von Uma Thurman am Set von KILL BILL (2003/2004) gesprochen wird, den der Regisseur fahrlässig und ohne Stunt-Team angeordnet hat. In solchen Situationen zeigt sich, dass auch bei Quentin Tarantino Genie und Wahnsinn beieinander liegen, doch so richtig wird auf die Fehlbarkeit seinerseits nicht eingegangen. Auch der Epilog, in dem noch einmal das Weinstein-Thema aufgegriffen wird, lässt wirkliche Kritik und ein fehlendes Verantwortungsbewusstsein des Regisseurs vermissen. Natürlich bekommt der Hollywood-Magnat Weinstein sein Fett weg, Tarantino wiederum wird dabei fast gänzlich unterschlagen. Es sind diese kleinen Details, die zu vergraben versucht werden. Das lässt auch darauf schließen, warum langjährige Weggefährten wie Uma Thurman, die das schon spüren musste, als auch Lawrence Bender, der Tarantino ebenso gefördert hat und mittlerweile nicht mehr mit ihm arbeitet, in der Dokumentation fehlen. Auch Robert Rodriguez, dessen Ex-Verlobte ein Opfer Weinsteins ist, ist ebenfalls abwesend.

Fazit:
Mit QT8: THE FIRST EIGHT (2019), hierzulande als TARANTINO: THE BLOODY GENIUS betitelt, huldigt Tara Wood einem Ausnahmeregisseur und dessen meisterlichen Werk. Das Ganze ist ansprechend verpackt und hochkarätig besetzt, der belesene Fan erfährt allerdings nicht viel Neues. Die Dokumentation ist eher für diejenigen geeignet, die bisher vielleicht nur die Filme gesehen haben und sonst gänzlich unbeleckt sind. Die fehlende Kritik und die ziemlich auffällige Verklärung, insbesondere unschöne Details, welche bewusst unter den Teppich gekehrt werden, hinterlassen allerdings einen etwas faden und bitteren Beigeschmack. Auch sind 100 Minuten etwas kurz, weshalb vieles eher oberflächlich abgearbeitet wird. Als nettes Extra eignet sich die Doku aber dennoch, auch wenn ich mir etwas mehr Tiefe gewünscht hätte.

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