Was gibt es schöneres, als sich bei diesem doch recht windigen, ungemütlichen Wetter Abends einzukuscheln und dem guten alten Edgar Wallace zu widmen? Mir fällt momentan nichts besseres ein. Der perfekte Anlass also, um mit unserer Retrospektive in die nächste Runde zu gehen, nämlich mit dem vierten Wallace-Streifen DER GRÜNE BOGENSCHÜTZE (1961), in dem Schwarzwaldklinik-Onkel Klausjürgen Wussow dem fiesen Gert „Goldfinger“ Fröbe auf die Pelle rückt. Achja, ein paar Pfeile werden auch verschossen aber bestimmt nicht aus tiefer Zuneigung! 

„Hallo, hier spricht Edgar Wallace!“

Drehbuch: Wolfgang Menge, Wolfgang Schnitzler
Regie: Jürgen Roland

Darsteller: Klausjürgen Wussow, Karin Dor, Gert Fröbe, Harry Wüstenhagen, Eddi Arent, Wolfgang Völz, Heinz Weiss, Edith Teichmann, Stanislav Ledinek…

Artikel von Christopher Feldmann

Wir schreiben das Jahr 1960. Die zweite Wallace-Verfilmung DER ROTE KREIS (1960) ist ein voller Erfolg und genießt das Wohlwollen der deutschen Zuschauer, da hecken die Verantwortlichen bei Constantin und Rialto schon die Strategie für die kommende Spielzeit 1960/1961 aus. Ganze vier Filme sollen in diesem Jahr in Produktion gehen und auch in den Kinos laufen, eine ordentliche Schlagzahl, doch die Zahlen sprechen für sich. Das Publikum ist ganz heiß auf neuen Krimi-Stoff und da die, von Kurt Ulrich produzierte, Konkurrenz-Verfilmung DER RÄCHER (1960) auf weniger Begeisterung stieß, sahen sich die Verantwortlichen um Preben Philipsen in ihrem Vorhaben bestätigt. Schließlich drehte Harald Reinl den dritten Film DIE BANDE DES SCHRECKENS (1960) in der vorgegebenen Zeit, so dass man im Oktober 1960, also zwei Monate nach Kinostart, mit den Arbeiten an der nächsten Folge „Edgar Wallace“ beginnen konnte. Unter der Regie von Jürgen Roland, der bereits DER ROTE KREIS (1960) inszenierte, entstand in knapp drei Monaten der Film DER GRÜNE BOGENSCHÜTZE (1961), der wieder einmal reibungslos über die Bühne ging. Allerdings haben wir es hier leider mit einem der schwächsten Beiträge der Reihe zu tun, denn trotz guter Ideen und einer tollen Besetzung, fehlt dem Krimi vor allem eines: Spannung!

Handlung:
Valerie Howett (Karin Dor) ist auf der Suche nach ihrer Mutter, die vor langer Zeit spurlos verschwunden ist. Gemeinsam mit ihrem Patenonkel (Hans Epskamp) bezieht sie das Anwesen „Ladys Manor“, welches in direkter Nachbarschaft zu „Garre Castle“ liegt. Dort lebt der cholerische Amerikaner Abel Bellamy (Gert Fröbe), mit dem Valerie offenbar mehr zu tun hat, als sie zugeben möchte. Währenddessen treibt ein mysteriöser, grün gekleideter Bogenschütze sein Unwesen, der es besonders auf zwielichtige Personen aus Bellamys Vergangenheit abgesehen hat. Ein Fall für Inspektor Featherstone (Klausjürgen Wussow), der prompt die Ermittlungen aufnimmt.

DER GRÜNE BOGENSCHÜTZE war meiner Wahrnehmung entsprechend immer einer der Wallace-Filme, die man am häufigsten im Fernsehen sehen konnte. Immer wenn Kabel Eins seinen Wallace-Marathon über mehrere Samstage (damals, also in meiner Kindheit, liefen diese Filme noch zur Primetime) startete, konnte man sicher sein, dass der vierte Eintrag in der Krimi-Serie dabei war. Schon damals konnte mich die Rialto-Produktion, im Vergleich zu anderen Vertretern, nicht so wirklich begeistern, weshalb ich ganz gespannt darauf war, wie sie sich bei erneuter Sichtung schlagen würde, denn DER GRÜNE BOGENSCHÜTZE ist wahrscheinlich der Krimi, dessen Begegnung mit mir am weitesten zurückliegt.

Leider hat sich mein Empfinden nicht groß verändert, so sprang der Funke auch dieses Mal nicht wirklich über. Für die Adaption des Romans aus dem Jahr 1923 war auch hier Wolfgang Schnitzler zuständig, der bereits das Drehbuch zu DIE BANDE DES SCHRECKENS geschrieben hatte. Es war Schnitzlers zweite und zugleich auch letzte Arbeit für die Wallace-Serie, was vermutlich an den fehlenden Vertrauen der Produzenten lag. Bereits beim Vorgänger ließ man das Skript von J. Joachim Bartsch überarbeiten, während hier Wolfgang Menge in Nachgang nochmal Hand anlegte. Vermutlich schmeckte das Herrn Schnitzler überhaupt nicht, so dass er in Folge dessen weitere Angebote für die Reihe ablehnte. Inwiefern sich seine Fassung von der letztendlichen Version unterscheidet, ist nicht bekannt, jedoch scheint Menges Beitrag nicht sonderlich produktiv gewesen zu sein. Menge war Stammautor bei der Serie STAHLNETZ (1958-1968), die von Jürgen Roland inszeniert wurde, der auch hier zum zweiten Mal Regie führen durfte, beide waren Kollegen und Freunde, weshalb Roland auf die Mitwirkung Menges bestand. Leider ist das Drehbuch erstaunlich fad und überraschungsarm geraten, was dazu beitrug, dass DER GRÜNE BOGENSCHÜTZE heute zu den behäbigsten Wallace-Filmen gehört.

Das liegt vor allem an der Gewichtung der Handlungsstränge. Das größte Problem des Films ist das Fehlen eines bedrohlichen Antagonisten, wie man es von den Wallace-Filmen gewohnt ist. Der titelgebende Bogenschütze hat nur wenige Auftritte, der Hintergrund der Figur scheint über weite Strecken niemanden so wirklich zu interessieren. So geht das beliebte Whodunit-Element verloren, vergisst man die Figur doch nach gewisser Zeit irgendwie. Und wenn es am Ende zur Auflösung kommt, ist diese nur wenig überraschend, da man sie mit der Zeit doch kommen sieht. Wer letztendlich unter der Maske steckt, soll an dieser Stelle nicht verraten werden, jedoch bekommt der Täter nur am Rande eine Backstory spendiert und hat vergleichsweise nur wenige kurze Auftritte. Im Gegensatz zum Roman wird er hier zur Randfigur degradiert, damit man sich auf die Beziehungen der Hauptfiguren und einen doch recht schnöden Kriminalfall konzentrieren kann.

Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist Valerie Howett, die das Verschwinden ihrer Mutter aufzuklären versucht. Dieses Rätsel wird für den Zuschauer aber schon nach kurzer Zeit gelöst und es gibt kaum noch Überraschungen für den Krimi-Fan. Die Handlung ist vorhersehbar und wartet kaum mit Highlights auf. Es stellt sich Langweile ein, was bei einem Film dieses Genres tödlich ist. Recht dröge ist auch hier die Inszenierung von Jürgen Roland, der zuvor mit DER ROTE KREIS eigentlich sehr gute Arbeit abgeliefert hat, hier aber recht handzahm zu Werke geht. Dem Film fehlt es an Härte und an Spannung, vom Grusel-Faktor ganz zu schweigen. Es existieren etliche Szenen, deren Potenzial nicht ausgeschöpft wurde, wie etwa die Verfolgung durch die Hunde, die Auftritte des Bogenschützen oder einzelne Momente in „Garre Castle“. Den gewohnten Schauer der Wallace-Filme vermisst man hier in Gänze. Stattdessen setzt man oft auf Humor, was dem halbgaren Ganzen nicht so gut zu Gesicht steht wie den späteren Filmen. Zum ersten Mal wird hier die vierte Wand durchbrochen, in dem der Reporter Spike zum Zuschauer spricht und dabei sogar auf einer Art Meta-Ebene agiert. Das ist ganz nett und stellenweise charmant, ändert aber nicht viel an der inhaltlichen Qualität. DER GRÜNE BOGENSCHÜTZE war Rolands letzte Regie-Arbeit in der Wallace-Reihe, danach wandte er sich anderen Projekten zu, obwohl er kurze Zeit später noch einmal als Aushilfs-Regisseur zurückkehren sollte. Dazu aber später mehr.

Im Gegensatz zum Drehbuch kann zumindest die Besetzung wieder einmal überzeugen. Zum zweiten Mal ist Karin Dor in der weiblichen Hauptrolle zu sehen. Es ist der einzige Film innerhalb der Reihe, in dem sie nicht unter der Regie ihres damaligen Ehemannes Harald Reinl agierte. Leider bleibt ihre Figur den Film über recht blass. Das gleiche gilt für Klausjürgen Wussow, der hier zum zweiten und letzten Mal in einem Film der Reihe mitwirkte. Auch wenn er sich sichtlich Mühe gibt, sein bemühter Charme, der bei seinem ersten Auftritt noch gut funktioniert hat, will hier nicht so recht zünden. Erstmals zu sehen ist Harry Wüstenhagen, der noch fünf weitere Male in Sachen Wallace vor der Kamera stehen sollte. Der größte Trumpf des Films ist sicherlich Gert Fröbe, der nur drei Jahre später als Bond-Schurke Auric Goldfinger Weltruhm erlangen sollte. Fröbe darf hier ordentlich vom Leder ziehen und poltern wie eh und je. Gegen ihn verblassen sämtliche Darsteller, die gegen eine Art Naturgewalt wie ihn keine Chance haben. Wolfgang Völz gibt ihr ebenso sein Wallace-Gastspiel, was wohl ausreichte, um ihn in den Parodien DER WIXXER (2004) und NEUES VOM WIXXER (2007) als Sir John zu besetzten. Abgerundet wird das Ensemble von Eddi Arent, der wie gewohnt den Comic-Relief geben darf, hier noch stärker als bei seinen vorherigen Auftritten.

Gedreht wurde DER GRÜNE BOGENSCHÜTZE wieder vollständig in Deutschland, in Hamburg und Schleswig-Holstein. Als Hafenkulisse diente die Binnenalster, während Schloss Ahrensburg im Film als „Garre Castle“ dargestellt wurde. Die Flughafen-Szenen wurden am Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel realisiert. Die Innenaufnahmen wurden in Hamburg-Wandsbeck in den Real-Film-Studios gedreht, während die London-Aufnahmen abermals aus dem Archivmaterial bestanden, welches für DER FROSCH MIT DER MASKE (1959) gedreht wurde. Das besondere an diesem Film ist, dass hier erstmals Horst Wendlandt als Herstellungsleiter beteiligt war. Wendlandt war vorher für Arthur Brauner tätig und wechselte 1960 zu Rialto und avancierte dort später zum Geschäftsführer der deutschen Niederlassung und einem der einflussreichsten Produzenten Deutschlands.

Der Film startete am 02. Februar 1961 in den deutschen Kinos und konnte 1,7 Millionen Menschen in die Lichtspielhäuser locken. Somit verbuchte Rialto einen weiteren Erfolg, auch wenn man mit dem Ergebnis nicht ganz so zufrieden war, weshalb man für diesen Film auch keine große Premiere veranstaltete. Von der FSK bekam DER GRÜNE BOGENSCHÜTZE eine Freigabe ab 12 Jahren, Kürzungen fanden lediglich bei Fernsehausstrahlungen statt. Auf der deutschen DVD ist der Film in der Originalversion enthalten.

Fazit:
DER GRÜNE BOGENSCHÜTZE (1960) ist einer der schwächsten Wallace-Filme, was vor allem an dem spannungsarmen, zähen und vorhersehbaren Drehbuch liegt. Auch wenn der Krimi einen gewissen Witz versprüht und Gert Fröbe hier ordentlich aufdreht, wirklich zünden will diese „Edgar Wallace“-Verfilmung allerdings nicht. Schade, Potenzial war definitiv vorhanden.

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