Er war nicht nur der Großmeister der südchinesischen Kampfkunst „Wing Chun“, sondern auch der Mann, der Martial-Arts-Ikone Bruce Lee sein Wissen weitergab. Yip Man ist eine Legende, die durch die, von Wilson Yip inszenierte, Filmreihe wieder zum Leben erweckt wurde. Nach drei Filmen und mehreren Spin-Offs/Prequels findet die Saga mit IP MAN 4: THE FINALE (2019) ihren krönenden Abschluss und natürlich schlüpft Action-Ikone Donnie Yen wieder in die ikonische Titelrolle. Nachdem die Auswertung in den deutschen Kinos durch die Corona-Pandemie schnell beendet wurde, erscheint der Film nun endlich im Heimkino über Koch Films. Ob das große Finale qualitativ mit den Vorgängern mithalten kann, erfahrt ihr in unserer Kritik, die wir bereits zum Kinostart veröffentlicht haben!

Originaltitel: Yip Man 4

Drehbuch: Tai-Lee Chan, Hiroshi Fukazawa, Lai-Yin Leung, Edmond Wong
Regie: Wilson Yip

Darsteller: Donnie Yen, Scott Adkins, Danny Chan Kwok-Kwan, Vanda Margraf, Vaness Wu, Jim Liu, Kent Cheng…

Artikel von Christopher Feldmann

Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Ein Satz, der in Hollywood wohl kaum Verwendung findet, wenn es darum geht, Film-Reihen zum richtigen Zeitpunkt zu beenden. Stattdessen werden Franchises bis zum Erbrechen ausgewalzt, solange damit noch Geld verdient wird, ganz egal ob man noch kreative Ideen oder neue Geschichten zu erzählen hat. Meistens enden solche Serien immer dann, wenn sie entweder keiner mehr sehen will oder die Qualität derartig im Keller ist, dass sich das Studio nicht mehr traut, weiter zu machen. Und im Falle des Letzteren, dauert es dann nur ein paar Jährchen, bis ein Reboot folgt. Eine Reihe, die zum richtigen Zeitpunkt beendet wird, ist selten. Die IP MAN-Saga geht mit gutem Beispiel voran. Nach drei Filmen (wir klammern die Spin-Offs und Prequels mal aus, haben sie mit Wilson Yips Beiträgen doch nicht wirklich etwas zu tun) ziehen die Macher einen Strich unter ihre Geschichte. IP MAN 4: THE FINALE (2019) lässt schon am Titel erkennen, dass die Chose auserzählt ist, was auch vollkommen in Ordnung ist, denn so geht eine der ruhmreichsten Martial-Arts-Sagen mit einem Paukenschlag von der Bühne. Trotz kleinerer Schwächen, ist Donnie Yens Abschiedsvorstellung wieder ein Fest für Fans virtuoser Kampfkunst.

Handlung:
Im Jahr 1964 reist „Wing-Chun“-Großmeister Ip Man (Donnie Yen) nach San Francisco, auf Einladung seines Schülers Bruce Lee (Danny Chan Kwok-Kwan). Den Aufenthalt in den Vereinigten Staaten will der weise Kampfkünstler aber nicht nur für einen netten Besuch nutzen, denn bei Ip Man wurde Krebs diagnostiziert, weshalb er nun nach einer geeigneten Elite-Schule sucht, um seinem rebellischen Sohn Ching (Jim Liu) eine sichere Zukunft zu bieten. In Chinatown macht Ip Man Bekanntschaft mit der hiesigen Vereinigung chinesischer Einwanderer, die Bruce Lee aufs schärfste kritisieren, da er seine erlernten Fähigkeiten an Amerikaner weitergibt. Auch dem weltoffenen Ip Man begegnen sie deshalb feindselig. Doch das ist nicht das einzige Problem, denn überall herrscht Rassismus gegenüber chinesischen Einwanderern und besonders der Drill-Sergeant Barton Geddes (Scott Adkins) hat nicht viel für die ungeliebten Migranten übrig. Als das traditionelle Kung-Fu kurz davor steht, beim Militär in den Lehrplan aufgenommen zu werden, lässt der aggressive Karate-Kämpfer nichts unversucht, um den „Gegnern“ seine Überlegenheit zu demonstrieren.

Die IP MAN-Saga zeichnete sich bisher nicht nur durch großartige Kampfszenen aus, sondern auch durch eine ernst zunehmende narrative Komponente. Jeder Film der Hauptreihe widmet sich einem Kapitel im Leben Ip Mans und beleuchtet den geschichtlichen Hintergrund der entsprechenden Zeit. IP MAN (2008) ist vor dem Hintergrund des chinesisch-japanischen-Krieges in den 1930er Jahren angesiedelt, die Fortsetzung IP MAN 2 (2010) behandelt die britische Kolonialisierung Hongkongs, während der dritte Teil, IP MAN 3 (2015), in das Gangstermilieu Hongkongs im Jahr 1959 eintaucht. Die Filmen besitzen eine wichtige Komponente, die sie zu weit mehr machen, als nur einfache Actionstreifen. Die IP MAN-Saga ist fast schon ein Epos für sich.

Auch der Abschluss IP MAN 4: THE FINALE erzählt ein neues Kapitel. Dieses Mal verlässt der Protagonist die asiatischen Gefilde und landet im Amerika des Jahres 1964. Es dreht sich viel um Rassismus, sowohl auf chinesischer, als auch auf amerikanischer Seite. Hier bleibt die Geschichte recht ambivalent und differenziert. Während die Amerikaner natürlich größtenteils nur Verachtung für die unliebsamen Einwanderer übrig haben, leben die „Fremden“ hinter den Mauern Chinatowns und sperren sich ebenso gegen die westliche Lebensweise. Kampfkunst soll nur gebürtigen Chinesen vorbehalten bleiben, „Weiße“ werden ausgeschlossen. Hier setzt der Film eine schönes Zeichen für weniger Hass und mehr Zusammenhalt. Ip Man fungiert als Charakter, der für Verständigung plädiert und die Parteien gerne einen würde. Ein schöner Kniff, der leider sehr gut in die heutige Zeit passt. Und trotzdem wirft man arg mit Pathos um sich, da IP MAN 4: THE FINALE sich letztendlich doch auf der China-Seite positioniert. Es gibt gewisse Szenen, in denen die Amerikaner wirklich nicht gut wegkommen, was einen gewissen reaktionären Ton zur Folge hat. Das kann ich einem Film wie diesem aber verzeihen, haben die Amis doch früher nichts anderes gemacht, also warum sollen das die fernöstlichen Kollegen nicht dürfen?

Auch wenn das Finale der Kampfkunst-Reihe ein paar nette Akzente setzt, das Gelbe vom Ei ist die Handlung allerdings nicht. Das liegt weniger an der Story selbst, sondern an der Art der Erzählung. Man muss der IP MAN-Serie ankreiden, dass sie mit jedem weiteren Teil etwas mehr in die Soap-Ecke gesteuert ist. So bewegen sich auch hier einige Dialoge und Schauspielleistungen (gerade in den Nebenrollen) auf dem Niveau einer Vorabendserie der öffentlich Rechtlichen. Schon die Motivation der bösen Marines ist nicht sonderlich ergründbar und stellenweise arg konstruiert, was leider hin und wieder einen faden Beigeschmack hinterlässt. Auch wechseln die Handlungsstränge immer wieder auf etwas holprige Art und die letztendliche Zusammenführung wirkt nicht wirklich authentisch. Schönheitsfehler, die man als Fan hinnehmen muss.

Dafür wird man wieder mit einer treffsicheren Inszenierung belohnt. Wilson Yip, der auch die Vorgänger verantwortet hat, beweist hier wieder einmal sein herausragendes Talent als Regisseur. IP MAN 4 sieht, trotz einer gewissen Künstlichkeit, sehr hochwertig aus und besticht natürlich durch seine perfekt inszenierten Kampfszenen, die wieder einmal von Yuen Woo-Ping choreographiert wurden. Neben dem spannenden „Wing-Chun“-Kampf zwischen Ip Man und dem Vorsitzenden der Vereinigung der Einwanderer, sind vor allem die Fights, in denen der altehrwürdige Kampfstil auf Karate trifft, ein Fest für alle Fans. Hier geht es ordentlich zur Sache, was alleine deswegen schon eine Sichtung wert ist.

Auch beim Personal ließen sich die Macher nicht lumpen. Neben dem Kampfsport-Ikone Donnie Yen, der wieder einmal mit Bravour die Rolle seines Lebens verkörpert, sorgte das Casting von B-Actionstar Scott Adkins für Freudensprünge bei den eingefleischten Fans. Der britische Martial-Artist und Schauspieler ist seit Jahren eine Bank im Actiongenre und seine DTV-Klopper gehören mit zum Besten, was es derzeit auf dem westlichen Markt gibt. Umso schöner ist es, dass Adkins eine Rolle in diesem Film ergattern konnte, der ein breiteres Publikum erreicht. Entsprechend engagiert spielt der DVD-Recke auch auf. Als lauter, von Hass gegenüber Fremden erfüllter Sergeant darf Adkins poltern, als gäbe es kein Morgen mehr. Im zuzusehen wird nie langweilig und gerade in den Kampfszenen darf er wüten wie ein Berserker. Wenn Geddes die ganze Vereinigung der Migranten im Alleingang platt macht, ist das schon höchst beeindruckend. Der finale Kampf gegen Ip Man ist dann schlussendlich das Sahnehäubchen. Fans können sich auch über eine Rückkehr von Bruce Lee freuen, der hier von Danny Chan Kwok-Kwan verkörpert wird. Besonders in der Gestik schafft es Kwok-Kwan sehr gut den berühmten Kämpfer zu treffen und auch seine Kampfszene macht viel Spaß. Letztendlich war aber Mike Moh in Tarantinos ONCE UPON A TIME..IN HOLLYWOOD (2019) der etwas bessere Lee-Imitator.

Nach einer eklatanten Verschiebung erscheint IP MAN 4 nun endlich im Heimkino. Neben einer DVD- und Blu-Ray-Variante gibt es auch ein Steelbook für die Sammler. Der Film, der, wie vom Label gewohnt, in bester Bild- und Tonqualität präsentiert wird, bietet neben der deutschen und englischen Fassung auch die kantonesischen Tonspur. Im Bonusmaterial gibt es neben dem Original-Trailer, dem deutschen Trailer und einer Bildergalerie ein Special zur 10-jährigen Geschichte der Reihe, ein Making-Of und Featurettes mit Donnie Yen und Scott Adkins. Ein Must-Have für jeden Martial-Arts-Fan.

Fazit:
Trotz dramaturgischer Schwächen und einigen reaktionären Tendenzen, ist IP MAN 4: THE FINALE (2019) der gelungene Abschluss einer überaus gelungenen Reihe. Donnie Yen brilliert noch einmal in seiner Paraderolle und darf sich im großen Finale mit B-Actionikone Scott Adkins messen. Da dürfte jedem Martial-Arts-Fan das Wasser im Mund zusammenlaufen. Wer ein paar ungelenke Soap-Elemente verschmerzen kann, wird hier absolut zufriedengestellt.

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