Die Liebe und das Internet sind in Zeiten von Parship und Tinder eng miteinander verbunden. Doch braucht es diese Dating-Apps gar nicht, wie uns die Verfilmung des Erfolgsromans von Daniel Glattauer schildert. Ein einfacher Tippfehler beim Schreiben einer Emailadresse ist es, der die Gefühlswelt der beiden Hauptfiguren Emmi und Leo aus den Fugen geraten lässt. SONY PICTURES ENTERTAINMENT hat den Film für hoffnungslose Romantiker mit Nora Tschirner und Alexander Fehling in den Hauptrollen jetzt im Heimkino veröffentlicht. Wir schildern Euch (mit möglichst wenigen Tippfehlern), ob uns die Buchverfilmung zu Herzen ging oder die zeitweise als unverfilmbar geltende Geschichte doch kalt ließ.

Regie: Vanessa Jopp

Drehbuch: Jane Ainscough nach einem Roman von Daniel Glattauer

Darsteller: Nora Tschirner, Alexander Fehling, Ulrich Thomsen, Claudia Eisinger, Ella Rumpf

Artikel von Christian Jürs

Für Leo Lieke (Alexander Fehling) ist eine Welt zusammengebrochen. Seine große Liebe Marlene (Claudia Eisinger) hat ihm eröffnet, dass sie sich seit drei Monaten mit einem anderen Mann trifft. Aus Verzweiflung macht er ihr noch einen nachträglichen Heiratsantrag, doch auch der stimmt die untreue Dame nicht um. Fortan suhlt sich der an einer Universität unterrichtende Linguistikprofessor in Selbstmitleid, bis er eines Abends eine Email empfängt, die eigentlich nicht für ihn bestimmt war.

Denn ursprünglich wollte Emma Rothner (Nora Tschirner) nur ein Abo kündigen, aufgrund eines Tippfehlers landete die Mail jedoch bei Leo Lieke, der sogleich den Irrtum aufklärt. Als an Weihnachten eine typische Massengrußmail von Emma bei ihm aufschlägt, bedankt er sich ironisch und wenig freundlich für das Zuspammen seiner Mailadresse, was ihm ein „Passiv aggressives Arschloch“ von Emma einbringt.

Nicht unbedingt der Start einer wunderbaren Freundschaft, sollte man meinen. Doch tatsächlich finden die beiden Fremden schnell einen Draht zueinander und tauschen fleißig weiter Emails aus. Dabei lernen wir Leo als hoffnungslosen Romantiker kennen, der seinem Postfachgegenüber sein Herz ausschüttet. Er findet auch, dass Emma ganz und gar keine Emma ist, sondern vielmehr eine Emmi, wie er sie fortan in seinen Schreiben nennt. Doch eines Tages lässt Emma/Emmi die Bombe platzen. Sie eröffnet Leo, dass sie mit dem weitaus älteren Bernhard (Ulrich Thomsen), einem erfolgreichen Dirigenten, seit Längerem verheiratet ist. Für Leo bricht eine Welt zusammen, doch der Kontakt bleibt auch weiterhin bestehen und die Frage nach einem gemeinsamen Treffen stellt sich den beiden…

Wie verfilmt man ein Buch, dessen Geschichte in Form von Computertextnachrichten erzählt wird? – Diese Frage werden sich die Macher von Gut gegen Nordwind eine Lange Zeit gestellt haben. Doch wie sieht es mit der Ausführung aus? Nun, die ist in zweierlei Hinsicht absolut gelungen. Alexander Fehling heißt die Eine davon. Der Mime, der in zahlreichen Filmhits wie Inglourious Basterds auftrat, hat trotz alledem ein unverbrauchtes Gesicht und kommt unglaublich sympathisch daher. Auch die Traurigkeit seiner Figur wirkt absolut authentisch.

Der zweite Pluspunkt lautet, man ahnt es bereits, Nora Tschirner. Die ehemalige MTV Moderatorin hat sich als Schauspielerin bereits profiliert (u.a. als Tatort Kommissarin). Auch wenn sie im Prinzip immer wieder den gleichen Rollentyp spielt, macht sie dies doch immer wieder so gut, dass man einfach gerne zuschaut  und -hört, denn zunächst taucht Nora, die sich hier die Rolle ganz bewusst auf den Leib schreiben lies, nur akustisch auf. In den ersten Minuten sogar nur in schriftlicher Form, sehr hübsch ins Bild integriert. Emmi bleibt zunächst ein Geheimnis für uns Zuschauer.

In diesen ersten Minuten nimmt der Film den Zuschauer gekonnt mit auf die Reise. Auch die privaten Probleme Leos werden wunderbar eingeflochten, wie der Zwist mit seiner Mutter (Eleonore Weisgerber) oder dem Verlust seiner Herzensdame Marlene, die, als er von Emmis Mann erfährt, plötzlich wieder in sein Leben tritt. Der in der ersten Filmhälfte hin und wieder auftretende, feine  Humor der Buchvorlage rundet dieses Bild weiter ab.

Doch wo Licht ist, da ist auch Schatten und so ist Gut gegen Nordwind nicht durchweg nur gelungen. Einen kleinen Rüffel muss sich hier Regisseurin Vanessa Jopp abholen, die es anfangs noch versteht, optisch originell zu erzählen mit Email-Texteinblendungen, die auf Wänden auftauchen und ähnlichen guten visuellen Ideen (die Inszenierung eines Feuerwerks geriet als schöne emotionale Szene im späteren Verlauf). Doch schon nach wenigen Minuten, wenn die Texte eine Stimme bekommen, fällt ihr optisch oft nichts anderes ein, als konzentriert und mit Melancholie in Blick und Stimme, ihre Hauptdarsteller auf den Bildschirm starren zu lassen. Ebenso fehlt es hier und da ein wenig an der erzählerischen Leichtigkeit, die Jopp noch bei Meine schöne Bescherung an den Tag brachte.

Das weitaus größere Manko ist die Herauszögerung des finalen Konfliktes, als sich das Gewissen bei Emmi einschaltet, die immerhin ihren Mann hintergeht. Als dieser ihr zu verstehen gibt, dass er bescheid weiß über ihre Onlineliebschaft, beginnt sie ihr Handeln zu überdenken. Bis dahin suhlt sich der Film eine gute Viertelstunde in Szenen, bei denen Melancholie sich in Lethargie verwandelt und auf der Stelle tritt. Würde man diese Szenen streichen, würde es Gut gegen Nordwind an nichts fehlen.

Hinzu kommt, dass uns die Ehe zwischen Emmi und Bernhard als triste Gewohnheitsbeziehung dargestellt wird. Sie besitzt ein eigenes Schlafzimmer und nur selten werden die beiden noch intim. Dass er vom Alter her ihr Vater sein könnte, gibt der Sache das i-Tüpfelchen und das Publikum entscheidet sich von vornherein für Team Leo. Da mag die Frage noch so brisant sein, liebe Emmi, ich habe trotzdem einen Tipp für Dich: Hau bei dem alten Mann in den Sack, lass alles stehn und liegen, denn Du bist für Leo, nicht für Bernhard bestimmt. Das spürt man überdeutlich. Da herscht eine Chemie, auch wenn Ihr so gut wie nie gemeinsam vor der Kamera steht.

Wer sich den Film auf Scheibe zulegt, muss leider trotzdem auf Bonusmaterial verzichten. Lediglich der Kinotrailer wird als Extra geboten. Schuld daran dürfte die hinter den Erwartungen gebliebene Kinoauswertung sein. Leider dürfte damit auch die Verfilmung des Fortsetzungsromans Alle sieben Wellen fraglich bleiben, der die Fragen, die am Ende auftauchen, auflöst. Glücklicherweise hat man sich entschieden, das deprimierende Romanende, welches wirklich viele Fragen offen lässt, mit einem kleinen, drangehängten Finale und einer wirklich schönen Schlusseinstellung zu erweitern. Das Filmende ist wirklich schön und funktioniert auch wunderbar ohne ein Sequel. Doch worum es sich dabei handelt, müsst ihr aber schon selbst herausfinden.

Insgesamt bleibt Gut gegen Nordwind also hinter seinen Möglichkeiten und ist auch gut eine viertel Stunde zu lang. Trotzdem sticht der Film unter all den platten Schweiger, Schweighöfer und M´Barek RomComs erfrischend hervor, weswegen man ihm auf der heimischen Couch durchaus eine Chance geben kann.

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