Italo Western? Her damit. Obwohl so mancher Streifen in dem Segment meist nur durch seinen Titel ins Regal wandert, gibt man ja nicht die Hoffnung auf, hier und da noch ein weiteres Kleinod zu entdecken, das in Sachen Inszenierung, Kamera und Stimmung mit den großen Titeln des Genres mithalten kann. Oder zumindest einige Überraschungen parat hält, die für die damalige Zeit nicht so üblich waren. In den Anfängen des Italo Westerns gab es noch Streifen, die sich mehr an der amerikanischen Art der Western-Inszenierung orientierten und damit eine ganz andere Herangehensweise an das Genre als Leone & Co anwandten. So auch in diesem Streifen, der dank KOCH FILMS nun sauber auf BD veröffentlicht worden ist.

Originaltitel: Un fiume di dollari (aka The Hills Run Red)

Regie: Carlo Lizzani (Lee W. Beaver)

Darsteller: Thomas Hunter, Henry Silva, Dan Duryea, Nicoletta Machiavelli

Artikel von Kai Kinnert

Gegen Ende des Bürgerkrieges wollen sich die beiden Soldaten Jerry Brewster und Ken Seagall mit der Staatskasse aus dem Staub machen, werden aber verfolgt. Sie beschließen, dass sich Jerry fangen lassen soll, um Ken die Flucht mit dem Geld zu ermöglichen. Eine fünfjährige Gefängnisstrafe später macht sich Jerry auf die Suche nach seiner Familie und Ken. Er muss herausfinden, dass seine Frau entgegen ihrer Abmachung nicht von Ken unterstützt wurde und in Armut gestorben ist. Der mittlerweile zum Rinderbaron gewordene Ken hetzt seine Revolvermänner auf den nach Rache dürstenden Jerry, der jedoch unerwartet die Unterstützung eines alternden Scharfschützen erhält.

Hauptdarsteller Thomas Hunter ist übrigens der Drehbuchautor von Der letzte Countdown (1980). Das hat jetzt zwar nichts mit dem Western zu tun, fand ich aber dennoch bemerkenswert, denn irgendwie weist das auf eine kreative Schrägheit hin, die Sympathisch macht. Hunter hatte von Regisseur Carlo Lizzani grünes Licht dafür bekommen, Jerry nach seinen Vorstellungen zu spielen und schuf so wahrscheinlich den einzigen Helden im Italo Western, der permanent am Schreien und Ausflippen ist, anstatt cool unter irgendeiner Hutkrempe aufzublicken. Über weite Strecken im zittrigen Overacting gefangen, rollt und dampft Hunter durch seine Szenen, die man heute so nicht mehr spielen würde. Dennoch, die Nummer bleibt seiner Linie treu und Lizzani findet in seiner Inszenierung gute Momente, in denen er Hunter wieder einfängt. Lizziani hatte Anfangs eigentlich keine große kreative Lust auf Westernfilme, da er aber damals auf der „schwarzen Liste“ in Italien stand und keine Arbeit fand, verschaffte ihm Dino De Laurentiis diesen Job, der mit dem Streifen das neue Studiogelände für Westernfilm-Produktionen vorstellen wollte. Lizziani hatte somit ein gutes Set und ein paar schöne Landschaften zur Hand, was dem Film gut steht.

Obwohl sich die Kameraarbeit eher an den amerikanischen Kollegen orientiert, ist eigentlich alles enthalten, wofür der Italo Western dann auch berühmt und berüchtigt wurde. Es gibt einen Helden, der auf fiese Rache aus ist, einige Gewalttaten (unter heutigen Gesichtspunkten gänzlich harmlos) und einige Shoot Outs, denn Hunter ist schnell mit dem Colt. Die Kamera findet eigenständige Bilder für das Geschehen, leistet sich Fahrten und kleinere Subjektiven, eine Jagd zu Pferde, ein paar schöne Schwenks, sowie das Spiel mit Vorder- und Hintergründen und gibt sich damit insgesamt solide Inszeniert. Die Musik von Ennio Morricone beugt sich mehr einer amerikanischen Sicht auf das Genre und ist damit anders als sonst, was gut, aber zugleich auch wieder schlecht ist. Die Musik besitzt keinen Erinnerungswert, da hatte der Meister schon bessere Arbeiten abgeliefert.

Die schauspielerische Leistung ist in diesem Streifen durchwachsen und ganz das Kind seiner Zeit. Hunter regt sich over-the-top auf, fällt schreiend auf die Knie und rollt auch schon mal mit den Augen – aber letztendlich geht das schon wieder in Ordnung, denn physisch passt Hunter ins Genre und seine Rolle ist einzigartig. Ebenso gut passt Henry Silva, der hier seinen einzigen Auftritt in einem Italo Western abliefert. Schade eigentlich. Am besten spielt Dan Duryea, ein Routinier in Westernfilmen, der sich nicht von den hysterischen Tendenzen seiner Kollegen anstecken lässt.

Eine Flut von Dollars ist ein solider, aber durchwachsener Italo Western, der sich mit einer gewissen Einzigartigkeit in den Anfängen des Genres bewegt. Der Streifen wurde nicht hingeschludert und findet immer wieder gute Bilder für das Geschehen, jedoch fehlt dem Gesamten etwas und Hunter macht manchmal etwas zu viel Theater. So gelangt der Streifen in einen gehobenen Durchschnitt, der die eigene Sammlung nicht beleidigt, sollte man ihn sich ins Regal stellen. Freunde des Genres dürfen hier also einen Blick warten.

Das Bild der BD ist sauber und satt, der Ton ist gut. Als Extras gibt es ein Feature mit dem Filmhistoriker Antonio Bruschin, Interviews mit den Darstellern Thomas Hunter und Nicoletta Machiavelli, Kinotrailer, den deutschen Vorspann und eine Galerie seltener Artworks.

Trailer:

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