Jubiläum! Unsere Wallace-Retrospektive geht in die zehnte Runde, was wir gerne mit einem echten Kracher feiern würden. Leider gehört DIE TÜR MIT DEN SIEBEN SCHLÖSSERN (1962) nicht unbedingt zu den großen Klassikern der Kult-Serie. In unserer neuen Folge klären wir ausführlich, welche Mängel den wohl mit am trashigsten Rialto-Krimi verleiden!

„Hallo, hier spricht Edgar Wallace!“

Drehbuch: Harald G. Petersson, Johannes Kai, Gerhard F. Hummel
Regie: Alfred Vohrer

Darsteller: Heinz Drache, Sabine Sesselmann, Eddi Arent, Hans Nielsen, Pinkas Braun, Werner Peters, Gisela Uhlen, Jan Hendriks, Ady Berber, Siegfried Schürenberg, Klaus Kinski…

Noch bevor DAS RÄTSEL DER ROTEN ORCHIDEE (1962) das Licht der großen Leinwand erblickte, begannen bereits die Dreharbeiten zum nächsten Krimi, basierend auf einem Roman von Edgar Wallace, der mittlerweile zum Aushängeschild des deutschen Kriminalfilms avanciert war. Unter dem Titel DIE TÜR MIT DEN SIEBEN SCHLÖSSERN sollte es wieder in klassische Gruselkrimi-Gefilde gehen, nachdem der Vorgänger mehr Gangsterfilm, denn klassisches Wallace-Futter war. Ursprünglich sollte die Produktion weitaus früher starten, doch das Drehbuch ließ zu wünschen übrig. Nicht etwa weil es schlecht war, sondern viel zu kostspielig für Produzent Horst Wendlandt. Johannes Kai (bürgerlich: Hans Wiedmann), der bereits DER FÄLSCHER VON LONDON (1961) schrieb, adaptierte den etwas schleppenden Original-Roman zu einem temporeichen Drehbuch, welches mehrere internationale Schauplätze beinhaltete. Da dieses Konzept ein wesentlich höheres Budget veranschlagt hätte, und das bei einer Reihe, in der selbst die London-Aufnahmen meistens aus der Konserve stammen, übergab Wendlandt das Drehbuch an den erprobten Schreiber Harald G. Petersson, der Kais Arbeit zu einer kostengünstigeren und strafferen Version umarbeiten sollte. Herausgekommen ist ein etwas langatmiger Krimi, der versucht, sich mit Mühe und mäßigem Erfolg an den klassischen Horrorfilm anzubiedern.

Handlung:
Scotland Yard steht vor einem Rätsel. Zwei Personen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, sind ermordet worden. Die einzige Verbindung zwischen den Opfern ist ein ominöser Schlüssel an einer Halskette, den beide bei sich trugen. Inspektor Dick Martin (Heinz Drache) und sein Assistent Holmes (Eddi Arent) werden erst Recht stutzig, als der Ganove Pheeny (Klaus Kinski) ebenfalls das Zeitliche segnet, kurz nach dem er von einer Tür mit sieben Schlössern berichtete, die er für einen unbekannten Auftraggeber aufbrechen sollte. Diverse Spuren führen die Ermittler nach Selford Manor, Familiensitz des verstorbenen Lord Selford, der vor seinem Tod sieben identische Schlüssel an Freunde und Bekannte verteilt hat, die eine Gruft öffnen sollen, in der der Familienschatz und somit das Erbe des einzigen Sohns Selfords lagert. Mit Hilfe von Sybil Lansdown (Sabine Sesselmann), einer weiteren Verwandten Selfords, und dem Rechtsanwalt Haveloc (Hans Nielsen), nimmt Martin die Ermittlungen auf, die ihn nicht nur zu dem auffallend verdächtigen Ehepaar Cody (Werner Peters und Gisela Uhlen) führen, sondern auch zu dem zwielichtigen Arzt Staletti (Pinkas Braun), der auf Selford Manor verweilt. Es beginnt ein Wettlauf mit der Zeit, da sich jemand darum bemüht, die wertvollen Schlüssel in seinen Besitz zu bringen.

DIE TÜR MIT DEN SIEBEN SCHLÖSSERN mag, so viel sei schon verraten, kein wirklich guter Wallace-Film sein, jedoch begann hier der stilistische Wandel der Reihe. Weniger ernsthafte Krimi-Kost, mehr Witz, mehr Tempo und mehr Trivial-Elemente bestimmten mehr und mehr die Marke. Der zweite Wallace-Film von Alfred Vohrer gehört zu jenen, die mich erst etwas später erreicht haben und noch heute bin ich im Zwiespalt in Bezug auf die Qualität des Streifens. Es gibt viele Elemente, die mich als Genre-Fan durchaus ansprechen aber auch zahlreiche Mängel, die mir das Werk als Fan der Reihe etwas madig machen. Wahrscheinlich denken viele Anhänger der 1960er-Krimiwelle ähnlich.

Das Drehbuch war, wie bereits erwähnt, eine schwere Geburt und wurde von insgesamt drei Autoren bearbeitet. Nach der Genralüberholung durch Petersson, legte Gerhard F. Hummel noch einmal Hand an das Skript, um dem Ganzen noch denn letzten Schliff zu geben. Von der ursprünglichen Story, die eine Verfolgungsjagd durch mehrere Metropolen beinhaltete, war kaum noch etwas übrig. Stattdessen setzte man auf bewährte Motive, nämlich alte Schlösser, halbseidene Figuren, ein großes Rätsel und das klassische Element der Erbschleicherei. Nur leider haben sich die zahlreichen Änderungen negativ auf das Endergebnis ausgewirkt. DIE TÜR MIT DEN SIEBEN SCHLÖSSERN brauch lange, um wirklich in die Gänge zu kommen, der Erzählfluss wirkt zerfahren und die letzte halbe Stunde des Films seltsam überladen. Da können die Türen in Selford Manor noch so knarzen, wirklich spannend oder gar mitreißend wird die Chose leider nie.

Dabei stecken auch einige schöne Zutaten in diesem Wallace-Schinken, wie zum Beispiel der Humor, der sich zwischen dem raubeinigen Inspektor und seinem quirligen Assistenten abspielt. Auch die Schauspielführung und die Inszenierung wissen zu gefallen, jedoch lässt das Drehbuch zu wünschen übrig. Auch die Tatsache, welchen Experimenten der ominöse Dr. Staletti in der Gruft der Selfords nachgeht, mag nicht so wirklich in einen Wallace-Film passen. Auch die letztendliche Auflösung sieht man als versierter Zuschauer lange kommen. DIE TÜR MIT DEN SIEBEN SCHLÖSSERN wirkt einfach zu oft unausgegoren. Eine Tatsache, die uns noch bei weiteren Beiträgen begegnen wird.

Inszenatorisch kann man dem Film nicht viel vorwerfen. Alfred Vohrer saß nach DIE TOTEN AUGEN VON LONDON (1961) zum zweiten Mal auf dem Regiestuhl für eine Wallace-Produktion aus dem Hause Rialto-Film. Da sein erster Beitrag bereits ein kommerzieller Erfolg war, vertraute man nach mehreren Experimenten ein weiteres Mal auf den eigenwilligen Stil Vohrers. Wahnwitzige Kamerawinkel, ein Gespür für morbiden Grusel und die übertriebene Schauspielerführung schlagen sich auch hier nieder. Vohrers Hang zum Trivialen war eine der größten Bereicherungen für die langlebige Reihe und prägte deutlich deren heutigen Status. Erstmals sind auch die Schüsse im Vorspann zu hören, auch der Name Edgar Wallace ziert das schwarze Bild am Anfang. Auf den kultigen Opener „Hallo, hier spricht Edgar Wallace“ musste man allerdings noch warten, dieser kam erst im nachfolgenden Film zum Einsatz. Der Hang zum Pulp oder zur Groschenromanästhetik nahm hier deutlich seinen Anfang. Ab sofort wurden die Filme skurriler aber auch stilsicherer und etablierten die Marke mehr und mehr als künstlerisch herraustechend und stilbildend, um sich von der Flut an ähnlich aufgezogenen Konkurrenz-Produktionen abzuheben.

Auf der Besetzungsliste tummelt sich wieder einmal eine bunte Mischung aus bewährten Gesichtern und erfrischenden Newcomern. Heinz Drache gab hier seinen Einstand als Wallace-Inspektor, der den raubeinigen Konterpart zum smarten Joachim Fuchsberger bildet. Drache erlangte seinen Durchbruch mit dem Fernseh-Mehrteiler DAS HALSTUCH (1962), welcher sich großer Beliebtheit erfreute und als „Straßenfeger“ galt. Eine Bereicherung für Horst Wendlandt, der hier einen frischen aber auch zugkräftigen Namen etablieren konnte. Wallace-Stammschauspieler Eddi Arent gibt mit viel Hingabe den humorvollen Sidekick, in einer größeren Rolle als in den vorhergegangenen Filmen. Die weibliche Hauptrolle vertraute man Sabine Sesselmann an, die bereits in DAS GEHEIMNIS DER GELBEN NARZISSEN (1961) positiv hervorstechen konnte. Auch Pinkas Braun, Jan Hendriks und Ady Berber waren wieder mit von der Partie, in den, für die Darsteller, üblichen Rollen. Besonders Braun legt als irrer Dr. Staletti eine besonders manische und erinnerungswürdige Performance aufs Parkett. Klaus Kinski spielte hingegen nur eine kleine Rolle zu Beginn des Films. Für Werner Peters und Gisela Uhlen war es die erste Beteiligung in einem Wallace-Film, von denen noch mehrere folgen sollten. Hans Nielsen, der später noch in DAS INDISCHE TUCH (1963) auftreten sollte, gab ebenso sein Wallace-Debüt. Allerdings ist seine Rolle eher mau, wie auch seine vorhersehbare Schauspielleistung. Er ist mit Abstand der schwächste Mime in diesem Film.

Der schillerndste Newcomer dürfte aber zweifelsohne Siegfried Schürenberg sein. Der bekannte Schauspieler und Synchronsprecher verkörpert hier zum ersten Mal den Scotland Yard-Chef Sir John, eine Rolle, die er noch in zahlreichen weiteren Filmen spielen sollte. Schürenberg gehörte ab diesem Film zum Stammpersonal der Reihe. Hier noch recht ernst und autoritär, wurde die Figur erst nach und nach zur Karikatur. Übrigens, DIE TÜR MIT DEN SIEBEN SCHLÖSSERN war die erste von vier Ko-Produktionen mit einem französischen Unternehmen. Les Films Jacques Leitienne beteiligte sich an den Kosten, was von Rialto-Film dankend angenommen wurde. Die Dreharbeiten begannen am 26. Februar und dauerten bis zum 30. März 1962 an. Gedreht wurde in Berlin-Tempelhof und auf der Berliner Pfaueninsel, die noch mehrere Male als Kulisse für einen Wallace-Film dienen sollte. Die Innenaufnahmen entstanden zum zweiten Mal in den UFA-Filmstudios, wo auch schon für DIE SELTSAME GRÄFIN (1961) gedreht wurde. In Hamburg entstand lediglich die Bahnhofszene, und zwar am alten Bahnhof in Altona, der 1979 abgerissen wurde. Eine weitere Sequenz schaffte es gar nicht in den fertigen Film. Der Mord an dem ersten Opfer, welcher nur über die Dialoge bekannt wird, wurde ursprünglich ebenfalls gedreht und war als Opening gedacht, letztendlich aber herausgeschnitten. Für die Musik war zum dritten Mal Peter Thomas zuständig, der dieses Mal aber einen eher mauen und wenig memorablen Score ablieferte.

Der Film wurde von der FSK ohne weitere Schnittauflagen ab 16 Jahren freigegeben, seit 1991 ist er frei ab 12 Jahren. Die Uraufführung fand am 19. Juni 1962 im Europa-Filmpalast in Frankfurt am Main statt. Nach dem eher mauen Geschäftsergebnis von DAS RÄTSEL DER ROTEN ORCHIDEE (1962) gelang Rialto-Film mit diesem Krimi ein echter Kassenschlager, der den sechs finanziell erfolgreichsten Wallace-Filmen überhaupt zählt. Und das, trotz weitaus schlechterer Kritiken!

Fazit:
Im Kontext der Reihe, würde ich DIE TÜR MIT DEN SIEBEN SCHLÖSSERN (1962) im unteren Mittelfeld ansiedeln. Kein Totalausfall aber ein recht langwieriger, zerfahrener Krimi, dem es irgendwie an Rhythmus fehlt, was die gute Besetzung nicht kaschieren kann. Die abstrusen Mad-Scientist-Elemente machen es auch nicht wirklich besser und wollen nicht so recht passen.

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