Fragt man mich nach den wohl unheimlichsten, klassischen Gruselstreifen, so würden mir spontan BIS DAS BLUT GEFRIERT (1963), WIEGENLIED FÜR EINE LEICHE (1964) und SCHLOSS DES SCHRECKENS in den Sinn kommen. Alle drei Filme haben gemeinsam, dass ich als Kind vor dem TV die Bettdecke gerne bis zur Stirn hochgezogen habe. Letztgenannter Titel wurde nun von CAPELIGHT PICTURES in einem wunderschönen Mediabook neu aufgelegt. Also war es an der Zeit, mir diesen Klassiker erneut zur Gemüte zu führen (Bettdecke lag bereit). Trotz Reiseverbot begab ich mich in das Schreckensschloss…

Originaltitel: The Innocents

Regie: Jack Clayton

Darsteller: Deborah Kerr, Peter Wyngarde, Megs Jenkins, Michael Redgrave

Artikel von Christian Jürs

Schloss des Schreckens schafft es, noch vor dem Einblenden des Produktionslogos eine unheimliche Atmosphäre zu erzeugen. Etwa 45 Sekunden bleibt das Bild zunächst schwarz, während der Gesang des von Georges Auric (Komponist u.a. bei Frantic) und Paul Dehn (Drehbuchautor von James Bond 007 – Goldfinger) erdachten Songs O Willow Waly bereits einen wohligen Schauer beim Publikum erzeugt. Das fanfarenlose 20th Century Fox-Logo unterstützt dieses Empfinden beim Zuschauer zusätzlich.

Was folgt, ist die Geschichte der Gouvernante Miss Giddens (Deborah Kerr), die im viktorianischen England eine Anstellung auf dem Landsitz eines für uns namenlosen Mannes, dem „Onkel“ (Michael Redgrave), erhält. Dieser hat die verwaisten Geschwister Flora (Pamela Franklin) und Miles (Martin Stephens) am Hals, für die er seine Freiheiten jedoch nicht opfern möchte. Natürlich schwant dem Zuschauer Böses und tatsächlich soll dieser auch Recht behalten. Nicht nur, dass die anfangs so freundlichen Kinder immer mehr durch seltsames Verhalten auffallen und dabei altklug daherreden, auch erscheinen der sonst so gefassten Miss Giddens plötzlich geisterhafte Erscheinungen, die nur sie zu sehen scheint. Als sie diese der Haushälterin Mrs. Grose (Megs Jenkins) schildert, mutmaßt die Dame, dass es sich der Beschreibung nach um die verstorbene Gouvernante und einen ebenfalls dahingeschiedenen Diener handeln müsste, was Miss Giddens nicht wirklich beruhigt. Als sich die Erscheinungen häufen, scheint Miss Giddens nach und nach den Verstand zu verlieren…

Regisseur Jack Clayton (Der große Gatsby) verstand es, statt auf vordergründigen Horror auf subtilen Grusel zu setzen, was einen konstant steigenden Schauder beim Betrachten dieses großartigen Psychodramas, welches auf dem klassischen Roman The Turn of the Screw von Henry James basiert, erzeugt. Neben der meisterlichen Regie ist es der hervorragenden Kamera von Freddie Francis (Dune – Der Wüstenplanet) zu verdanken, der außerdem die Regie des hervorragenden Draculas Rückkehr zu verantworten hat, dass das Schloss des Schreckens niemals altbacken wirkt. Mit aufwendigem Lichteinsatz schuf Francis gestochen Scharfe Bilder, die man so zu dieser Zeit noch nicht gesehen hatte.

Hinzu kommt, dass Deborah Kerr (Der König und Ich) einfach zum Niederknien spielt. Sie selbst bezeichnete diese Rolle als die beste Darstellung ihrer gesamten Karriere. Die anfangs noch voll im Leben stehende Dame, die im weiteren Verlauf immer mehr zwischen Furcht und Wahnsinn hin und her schlingert, nimmt man ihr zu jeder Sekunde zu 100 Prozent ab. Doch auch der restliche Cast spielt hervorragend. Insbesondere Martin Stephens als verstörender, kleiner Miles beweist, warum er ein Jahr zuvor noch im Dorf der Verdammten wohnte.

Capelight Pictures veröffentlicht den Klassiker nicht zum ersten Mal. Bereits vor acht Jahren erschien der Film auf Blu-ray in einer Softbox-Variante. Doch eine Neuabtastung des 35mm-Negativs nahm man nun zum Anlass, die in allen Belangen optisch schönere Mediabook-Variante unters Volk zu bringen. Nicht nur, dass der Film jetzt noch schärfer als zuvor daher kommt (2,20:1 in 1080p), auch das Cover mit dem Original Kinomotiv ist ein echter Hingucker.

Das üppige Bonusmaterial kennen wir allerdings bereits von der Erstauflage. So gibt es eine ausführliche Einleitung (ca. 26 Minuten) und einen Audiokommentar des britischen Historikers Christopher Frayling. Auf Blu-ray kommen diverse Featurettes, sowie das Hörspiel Die Unschuldsengel (ca. 73 Minuten) und der Kurzfilm Ultima Thule (ca. 19 Minuten) hinzu. Filmtipps sind wiederum auf DVD und Blu-ray vorhanden. Das informative und wie immer schön bebilderte Booklet stammt diesmal von Daniel Wagner. Allerdings sollte man dieses (es wird bereits auf dem Cover gewarnt) erst nach dem Konsum von Schloss des Schreckens lesen, da massiv gespoilert wird.

Denn ob es sich letztlich um ein Psychodrama, in dem eine Frau langsam dem Wahnsinn verfällt oder einen waschechten Horrorfilm handelt, sollte man nicht vorab verraten. Gruselig ist der Film allemal und sollte am späten Abend im dunklen Zimmer gesichtet werden, um die Atmosphäre vollends einzufangen. Ein echter Klassiker des wohligen, subtilen Gruselfilms.

Trailer:

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