„Viva LaManor!“ Nach einer erfolgreichen Auswertung im VoD-Sektor, ist der schwarzhumorige Menschenjagd-Spaß THE HUNT (2020) nun auch als physisches Medium im hiesigen Heimkino erschienen. Ob sich die provokative Blumhouse-Produktion, die in den USA vorab für viel Wirbel gesorgt hat, auch lohnt, könnt hier nochmal in unserer Kritik nachlesen, die wir bereits zum digitalen Veröffentlichungstermin geschrieben haben!

Originaltitel: The Hunt

Drehbuch: Nick Cuse, Damon Lindelof
Regie: Craig Zobel

Darsteller: Betty Gilpin, Hilary Swank, Wayne Duvall, Ethan Suplee, Ike Barinholtz, Emma Roberts…

Artikel von Christopher Feldmann

Ursprünglich sollte THE HUNT (2020) im September des vergangenen Jahres in den US-Kinos anlaufen. Eine Verkettung von nicht förderlichen Ereignissen verhinderte dies jedoch abrupt. Mehrere Amokläufe, die sich wenige Wochen zuvor ereigneten und dabei mehr als 30 Todesopfer gefordert hatten, rückten den Actionthriller aus dem Hause Blumhouse Productions in ein schlechtes Licht und ließen einen Film, in dem blutige Jagd auf Menschen gemacht wird, pietätlos erscheinen. Als ob das noch nicht genug wäre, wetterten zahlreiche Republikaner gegen den Streifen, allen voran US-Präsident Donald Trump höchstpersönlich, die dem satirischen Ton nicht gerade positiv gegenüberstehen, denn immerhin werden hier stereotype Vertreter ihres Gleichen massakriert. Grund genug für Universal, den Manhunt-Film vom Radar zu nehmen und zu verschieben, was natürlich zu einem kleinen Hype führte, zumal man mit den kontroversen Kritiken geschicktes Marketing betreiben konnte. Schließlich erfolgte am 13. März doch noch ein Kinostart, der wahrscheinliche finanzielle Erfolg wurde jedoch vom Corona-Virus zunichte gemacht. Nun müssen sich Genre-Fans mit einer verfrühten Heimkino-Auswertung im VoD-Geschäft begnügen, natürlich auch in Deutschland. Der Hype verspricht aber mehr, als das, was der Film letztendlich halten kann. THE HUNT ist schwarzhumorig, satirisch und bissig, verliert aber nach einem starken Auftakt zunehmend an Drive.

Handlung:
Zwölf fremde Menschen erwachen auf einer Wiese. Sie wissen weder, wie sie dort hin gekommen, noch warum sie augenscheinlich entführt wurden. In einer Holzkiste mitten auf der Wiese befindet sich, neben einem kleinen Schwein, ein Arsenal an unterschiedlichen Waffen, die die Fremden auch sofort bitter nötig haben, als aus der Ferne das Feuer auf sie eröffnet wird. Schnell stellen sie fest, dass hier Unbekannte auf der Jagd sind und sie die Beute darstellen. Einzig, die in einer Autovermietung arbeitende, Crystal (Betty Gilpin) schafft es zunächst den Spieß umzudrehen und sich gegen die Jäger zu behaupten, nur um festzustellen, dass hier ein ganz besonderes Spiel gespielt wird. Reiche Liberale machen ihrem politischen und gesellschaftlichen Frust Luft, in dem sie erzkonservative Republikaner, Rassisten und Rednecks zu Leibe rücken.

Das Thema „Menschenjagd“ ist im Filmgeschäft nichts Neues, gab es doch schon einige Genre-Vertreter, die die Thematik für erwachsenes Unterhaltungskino genutzt haben. Vom Klassiker THE MOST DANGEROUS GAME (1932) bis hin zu Action-Vehikeln wie HARD TARGET (1993) oder SURVIVING THE GAME (1994), die Jagd auf unsere Spezies war immer ein Garant für handfestes Entertainment. Während jedoch in den genannten Beispielen schurkische Fieslinge das Feuer auf unschuldige Sympathieträger eröffnen, haben die Drehbuchautoren Damon Lindelof und Nick Cuse im Falle von THE HUNT das Konzept geschickt variiert und auf den Kopf gestellt. Die eigentlichen Guten, liberale Geschäftsleute, die sich für Gleichberechtigung und gegen Rassismus, sowie Homophobie aussprechen, nehmen den Part der Antagonisten ein, die Opfer sind all jene, die sie verachten: Stolze Waffenbesitzer, Alt-Right-Idioten, Stammtisch-Podcaster, Rassisten und Vollblut-Republikaner, die ihr Kreuz voller Nationalstolz bei Donald Trump eintragen.

Das gibt dem betagten und vielfach aufgekochten Stoff einen frischen, wie auch frechen Dreh. Allerdings hüten sich die Autoren vor Pauschalisierung, denn in THE HUNT bekommen beide Seiten ihr Fett weg. Nicht nur die Gejagten werden mit satirischen Einschüben zu völligen Idioten degradiert, die mit Verschwörungstheorien und bedenklichen Aussagen um sich werfen, auch die Liberalen müssen einstecken. Der Film kritisiert nicht nur eine bestimmte Seite, sondern generell die gesellschaftliche Spaltung. Auf beiden Seiten gibt es die Extreme, auf der der liberalen Schnösel sind es letztendlich die übertriebene politische Korrektheit und der moralische Zeigefinger in Zeiten von Social-Media. Das sorgt für viele witzige Szenen, etwa wenn sich ein betagteres Jäger-Pärchen über mutmaßliche Twitter-Äußerungen eines Kandidaten aufregt oder man sich darüber streitet, dass bei der Auswahl der Gejagten auf eine ausgewogene Gender-Politik geachtet werden soll. Diese Art von Humor macht besonders in der ersten Hälfte richtig Laune, allerdings geht dem Film dann zunehmend die Puste aus, die Gags bleiben oberflächlich oder laufen zunehmend ins Leere. Nette Seitenhiebe auf Vorverurteilung im Internet machen zwar Sinn und sind durchaus clever, werden aber selten wirklich ausgearbeitet und bleiben stellenweise bloße Behauptung.

Das Gleiche lässt sich über die Inszenierung und das Pacing sagen. THE HUNT geht fast von Minute Eins an in die Vollen. Kaum hat der Film begonnen, wird schon aus allen Rohren gefeuert und damit ein hohes Tempo vorgelegt. Dabei hält man sich auch nicht mit Gekröse zurück. Kehlen werden aufgeschnitten, Körper zerfetzt und Köpfe weg geschossen, in THE HUNT geht es durchaus blutrünstig zur Sache. Der Fokus liegt primär auf der Action, was zu Beginn eine echte Granate verspricht, jedoch kann der Film das anfängliche Tempo nicht halten und sackt nach der ersten Hälfte merklich ab. Dabei bleiben nicht nur die satirischen Spitzen oberflächlich, sondern auch der Flow. Die langen Rückblenden bieten umständliche Erklärungen und bremsen das Spektakel weitestgehend aus. Erst zum Finale holt Regisseur Craig Zobel nochmal die Kohlen aus dem Feuer und serviert einen unterhaltsamen Endkampf. Insgesamt sieht man dem Ganzen das doch recht moderate Budget an, Sets und Ausstattung sind relativ unauffällig, was dem filmischen Genuss an sich jedoch keinen Abbruch tut.

Darstellerisch punktet der Film mit GLOW (2017-)-Star Betty Gilpin, die eine tolle Performance abliefert und wunderbar ambivalent bleibt. Ansonsten gibt es noch ein Wiedersehen mit, der ansonsten mittlerweile eher unauffälligen, Hilary Swank, die besonders im Finale zeigt, dass in ihr immer noch das MILLION DOLLAR BABY (2004) steckt. Der Rest der Besetzung beschränkt sich jedoch auf kleine Nebenrollen und Cameos. Lindelof und Cuse machen sich einen Spaß daraus, den bekannten PSYCHO-Effekt zu verwenden, um vermeintliche Hauptfiguren, gespielt von bekannten Gesichtern, anzuteasern, nur um sie gleich wieder über den Jordan springen zu lassen. Nette Idee, die aber weniger zündet, wenn man es mehrfach wiederholt.

THE HUNT steht ab dem 14. Mai als Video on Demand auf Amazon zur Verfügung, wahlweise mit deutscher Synchronisation!

Fazit:
THE HUNT (2020) legt das Thema „Menschenjagd“ erneut auf. Allerdings drehen die Macher den Spieß auf erfrischende Art und Weise um und servieren einen blutigen Actionthriller, der durch seinen schwarzen Humor und seine politischen Seitenhiebe eine Zeit lang ziemlich Spaß macht. Allerdings geht dem Film zunehmend die Puste und die Ideen aus und bevor das Finale noch einmal punkten kann, muss man sich mit Leerlauf und wenig Bissigkeit begnügen. Ein Film, der seinem Hype nicht ganz gerecht wird aber dennoch ordentlich unterhält und besonders in geselliger Rund funktionieren sollte.

Christopher auf Letterboxd – Your Life in Film folgen

Zurück zur Startseite