Wer im Regal neben Gomorrha noch Platz hat, kann dank STUDIOCANAL nun aufrüsten, denn das Semi-Beinahe-Background-SpinOff von Gomorrha erschien nun auf BD. Basierend auf dem gleichnamigen Buch von Roberto Saviano, widmet sich das erprobte Team Saviano/Sollima nun dem globalen Transportweg des Kokains und findet dabei erneut starke Figuren und einen cineastischen Stil, der die Serie gleichauf mit seinem mächtigen Cousin aus Neapel bringt. Doch hier bestellt nicht Genny Savastano aus seinem Bunker heraus fünf Tonnen Kokain, sondern Don Vito aus Kalabrien, der damit den Hass seines Enkelsohnes auf sich zieht. Das Herz der Finsternis kennt keine Gnade.

Regie: Stefano Sollima

Darsteller: Andrea Riseborough, Guiseppe de Domenico, Dane DeHaan, Gabriel Byrne, Harold Torres, Tchéky Karyo

Artikel von Kai Kinnert

ZeroZeroZero folgt einer Kokainlieferung von der Bestellung durch die Kalabrische Mafia über ihren Weg von Mexiko bis nach Europa. Die Serie beleuchtet den Machtkampf zwischen einflussreichen Drogenclans, kriminellen Familiendynastien und korrupten Geschäftsleuten. Vom lokalen Dealer über mächtige Drogenbosse bis hin zur legalen Wirtschaftswelt, alles ist miteinander verknüpft. Doch was passiert, wenn ein Glied der Kette reißt?

Roberto Saviano weiß viel über die kalabrische Mafia und hat zwei breit recherchierte Bücher zu dem Thema geschrieben. Seit seinem ersten Buch, „Gomorrha„, lebt Saviano unter ständigem Polizeischutz und wird selbst bei Interviews in Deutschland von Polizisten begleitet. Verständlich, denn Deutschland ist ein Paradies für die Gomorrha. Für die hiesigen Ermittlungsbehörden ist die Mafia derartig mit Francis Ford Coppolas „Der Pate“ behaftet, dass man ihren Einfluss lange Zeit einfach nicht ernst genommen hat. Die Morde von Duisburg im Jahre 2007, bei der sechs Menschen vor einem Restaurant von der ‚Ndrangheta erschossen worden sind, änderten dies. Grund war eine Familienfehde zwischen zwei Mafia-Familien, die mit einem Karnevalsscherz 1991 in San Luca begann und mit den Morden in Duisburg endete. Es ist kein Zufall, das San Luca auch in der Serie eine wichtige Rolle spielt. Wer das Böse wählt, wird vom Bösen gefressen werden

Die Serien beginnt mit Gabriel Byrne, der im Kugelhagel liegt und aus dem Off spricht: „Vertraust Du auf die Liebe? … Liebe vergeht. Vertraust Du auf dein Herz? …Dein Herz hört irgendwann auf zu Schlagen. […] Vertraust Du auf Deine Kinder? Sobald Du ihnen kein Geld mehr gibst, werden sie behaupten, Du würdest sie nicht mehr lieben. […] Was geschieht wenn Du nicht mehr nützlich bist?“ Und dann steigt der alte Don Mino aus seinem Bunker ans Tageslicht, irgendwo in Kalabrien und löst mit seiner Bestellung von fünf Tonnen Kokain eine Ereigniskette aus, die sich über drei Erzählstränge in drei Ländern auf acht Folgen verteilt. Aus dem Off wird hier später nicht mehr erzählt werden, doch Byrne führt uns so passend in eine herzlose und von Gier getriebene Welt ein, in der es die Funken der Menschlichkeit schwer haben und leicht erlöschen.

Don Mino will sich für die Familien in der Region nützlich machen, denn sonst hält man ihn für Schwach und damit dem Tode geweiht. Doch leider spielt sein Enkelsohn Stefano dabei nicht mit, denn der hasst seinen Großvater und will, dass der Deal mit dem mexikanischen Kartell scheitert und die Schweine seinen Opa fressen. Hungrige Schweine sind eben eine beliebte Praktik für die Ermordung und gleichzeitige Entsorgung von Opfern – und Schweine gibt es in Kalabrien genug.

Gleichzeitig gibt es Gabriel Byrne, der mit seinem Familienunternehmen vor dem Bankrott steht und sich ein Containerschiff kauft, um so die Fracht von Mexiko nach Europa zu bringen. Seine Kinder Emma und Chris (Andrea Riseborough und Dane DeHaan) müssen dafür sorgen, dass der Container mit fünf Tonnen Koks, in Jalapeño-Dosen verpackt, ihren Zielort erreichen. Und das wird nicht leicht werden. Zwar startet die Tour mit einem Schiff, doch das Geschwisterpaar wird sich bald in der Sahara wiederfinden und dem IS nicht entgehen können.

In Monterrey, Mexico, spielt Vampiro (Harold Torres) die entscheidende Rolle, denn er gehört zu einer militärischen Spezialeinheit der mexikanischen Drogenfahndung und ist vom Kartell gekauft worden. Doch auch das Kartell ahnt nicht, das Vampiro ganz eigene Pläne hat: er wird sich mit seiner Einheit absetzen, neue Soldaten anheuern und mit einer extrem brutalen Truppe den Krieg gegen alle Kartelle antreten, um selbst die Macht über den Drogenhandel übernehmen.

Die Erzählung der Serie wechselt sich zwischen diesen drei Ebenen organisch ab und liefert so einen packenden Bogen, der es in sich hat und spannende Bilder für seine Inszenierung findet. Es ist schwer, genauer auf die Serie einzugehen ohne sie zu spoilern, jedoch kann man frei sagen, dass es Emma bis nach San Luca bringen wird und sie später auf einem Sofa sitzt, auf dem man nicht sitzen möchte. Das Bild ist großartig, ein brillanter Schluss für eine vielschichtige Figur, die das Potential für eine zweite Staffel besitzt.

Potential besitzt auch Harold Torres, der den eiskalten Soziopathen Vampiro spielt und ein echter Volltreffer für die Serie ist. Die Rolle hat es in sich und Torres ist ein erfahrener, erstklassiger Schauspieler, der Vampiro als rätselhaften und eisigen Dampfkessel anlegt. Auch seine Figur bewegt sich vielschichtig durch die Story und bekommt sogar eine kleine Lovestory verpaßt, die allerdings nicht perfider sein könnte.

ZeroZeroZero ist voll von real motivierten Ereignissen, gedreht an Originalschauplätzen, die das Monströse dieses brutalen Geschäfts mit teils krassen Situationen verdeutlichen. Es gibt Bilder in ZeroZeroZero, die sich einprägen. Sei es das verblutende Schulmädchen in der ersten Folge, später die drei Toten an der Autobahnbrücke, dann die Erschießung von 30 unschuldigen Menschen auf offener Straße, der Angriff während eines Kindergeburtstages oder Emma auf dem Sofa – die Brutalität ist real, dramaturgisch perfekt inszeniert und niemals Selbstzweck. Regisseur Stefan Sollima entfaltet gekonnt seine cineastische Kraft in literarischer Qualität und leistet sich so Kino im TV-Format. Optisch irgendwo zwischen seiner Regiearbeit Sicario 2 (2018) und Gomorra angesiedelt, inszeniert Stefano Sollima ZeroZeroZero wie einen langen Kinofilm, der dank seines guten Drehbuchs keine Schwächen im Mittelteil hat und einen gelungen Schluss liefert.

Das ist richtig gut erzähltes Serien-Kino, keine der acht Folgen hängt hier durch.

Wer Gomorrha und Il Cacciatore – The Hunter (2018) schon mochte, sollte hier zuschlagen. Der Fan wird nicht enttäuscht werden. Wer nur so auf der Suche nach einer guten und rund erzählten Serie ist, darf hier getrost einen Blick wagen. ZeroZeroZero ist brutal, eigen in der Art und doch zugänglich, bestens besetzt, real motiviert und optisch durchdacht. Gerne mehr davon.

Das Bild der BD ist natürlich gut, satt und sauber, der Ton ist gut. Extras gibt es keine.

Trailer:

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