Derzeit verbucht die abgefilmte Version des Hit-Musicals HAMILTON massig Zuschauer auf Disney+. Aber wer braucht schon diesen modernen Firlefanz, wenn er, dank justbridge entertainment, die Möglichkeit hat, in die bunte Welt von XANADU (1980) abzutauchen, in der GREASE-Schnittchen Olivia Newton-John und Tanzfilm-Ikone Gene Kelly im wahrsten Sinne des Wortes keine Gefangenen machen. Kürzlich erschien der Film für den schmalen Geldbeutel im Keep-Case und ob sich der extrovertierte 80er-Trip lohnt, erfahrt ihr in unserer Besprechung!

Originaltitel: Xanadu

Drehbuch: Richard Christian Danus, Marc Reid Rubel
Regie: Robert Greenwald

Darsteller: Olivia Newton-John, Michael Beck, Gene Kelly, James Sloyan, Dimitra Arliss, Katie Hanley…

Artikel von Christopher Feldmann

Musicals sind eine Sache für sich. Entweder man findet es ganz toll, wenn Geschichten immer wieder von aufwendig choreographierten Tanz- und Musik-Einlagen unterbrochen werden oder man bekommt schon das kalte Kotzen, wenn man nur an legendäre Titel wie CATS (also nicht der filmische Unfall, sondern das zu Grunde liegende Bühnenstück), A CHORUS LINE, CHICAGO, MAMMA MIA oder auch die Bühnenfassung von DER KÖNIG DER LÖWEN denkt. Musicals sind Geschmackssache, sind aber auch aus dem Kino nicht wegzudenken. Man denke nur an die goldene Studio-Ära mit Filmen wie SINGIN‘ IN THE RAIN (1952), AN AMERICAN IN PARIS (1951) oder WEST SIDE STORY (1961). Aber auch moderne Klassiker wie THE ROCKY HORROR PICTURE SHOW (1975) oder GREASE (1978) werden auch heute noch heißgeliebt, verständlicherweise. Was sich die Produzenten Lawrence Gordon und Joel Silver allerdings gedacht haben, als sie Anfang der 1980er Jahre XANADU (1980) auf den Weg gebracht haben, bleibt fraglich. Als Hommage und Liebeserklärung an die Glanzzeiten des Genres in den 1940er und 1950er Jahren, ließen sie altehrwürdige Versatzstücke mit modernen Stilmitteln kombinieren. Dabei herausgekommen ist ein wirklich krudes Machwerk, dessen bizarrer Unterhaltungswert nicht abzusprechen ist.

Handlung:
Der junge Künstler Sonny Malone (Michael Beck) ist unzufrieden mit seinem Job. Als talentierter Maler ist er lediglich damit beschäftigt, aktuelle Plattencover zu vergrößern, damit diese für das Marketing verwendet werden können. Sein Leben ändert sich schlagartig, als er die schöne Kira (Olivia Newton-John) trifft, in die er sich unsterblich verliebt. Was er nicht weiß, Kira ist kein Mensch, sondern eine ins irdische Dasein gerufene Muse. Durch mehrere Umstände begegnet er auch dem gealterten Orchester-Musiker Danny (Gene Kelly), mit dem er sich schnell anfreundet. Auch er begegnete seiner Zeit einer Muse, die ihn zum Star der Big-Band-Ära machte. Gemeinsam planen sie, einen Nachtclub zu eröffnen, der sowohl modern ist, als auch den Geist von damals atmet.

Das war mal eine harte Packung. Ich habe ja schon einige Musicals, sowohl filmisch, als auch auf der Bühne, bewundern dürfen aber XANADU ist schon fast mit einer Grenzerfahrung gleichzusetzen. Was die verantwortlichen Produzenten, die eher im Action-Genre zu Hause sind, dazu getrieben hat, diese wirre und völlig von jeglichem Sinn befreite Obskurität der frühen 1980er Jahre auf das Kinopublikum loszulassen, ist mehr als fraglich, wahrscheinlich waren es die kleinen bunten Pillchen.

XANADU versucht einen stilistischen Bogen zu spannen, zum einen will der Film eine Hommage an das klassische Tanzfilm- und Musical-Kino der guten alten Zeit sein, zum anderen auch ein modernes Publikum bedienen. Jetzt könnte man meinen, dass die eher gesetzten 1940er und 1950er Jahre nicht so wirklich zu den quietschbunten, stilistisch völlig frei drehenden 1980er Jahren passen könnten. Damit liegt man auch völlig richtig, denn das Ganze passt so gar nicht zusammen. Regisseur Greenwald legt hier einen höchst befremdlichen Stilmix hin, der zwar in wenigen Momenten der klassischen Hollywood-Ära liebevoll Tribut zollt, die restlichen Anbiederungen aber mit toupierten Haaren, Disco-Pop, grellen Farben und trashigen Effekten erschlägt, selbst vor einer Zeichentrick-Sequenz wird nicht halt gemacht. Jegliche Idee, die irgendjemand am Set hatte, scheint umgesetzt worden zu sein. Das sorgt zwar immer wieder für unterhaltsam irrwitzige Momente, kann aber auf nüchternen Magen Kopfschmerzen verursachen. Hier wurde wirklich alles Furchtbare dieses Jahrzehnts versammelt und in die Extreme getrieben. Die Choreographien sind zwar höchstens mittelmäßig und sämtliche Gesangsszenen triefen vor biederem Kitsch aber eine gewisse Faszination kann man diesem kruden Machwerk nicht absprechen.

Für genauso viel unfreiwillige Komik sorgt die zusammenhanglose Story, denn eine wirklich kohärente Erzählung findet hier nicht statt und wirklich auf dem Spiel steht hier sowieso schon mal gar nichts. Der ganze Film wirkt, als hat man sich im Vorfeld lediglich Gedanken über Musik- und Tanzszenen gemacht, diese entworfen und ausgeschmückt und dann einen groben Hauch von Nichts als vermeintliche Story drum herum gestrickt, um die einzelnen Szenen mehr schlecht als recht miteinander zu verbinden. Nach Sinn und Verstand sollte man hier nicht fragen, sondern den Unfug einfach hinnehmen, dann hat man zumindest 90 unfreiwillig unterhaltsame Minuten.

Lediglich die Darsteller tragen zu einem gewissen Maß an Charme bei und damit meine ich nicht Hauptdarsteller Michael Beck, der wie ein Fremdkörper agiert und mal so gar keine Ausstrahlung hat. Wer allerdings bei Olivia Newton-John nicht schwach wird, ist selbst schuld, denn die attraktive Blondine, die sich 1978 in GREASE in die Herzen der Musical-Liebhaber sang, hinterlässt auch hier einen ganz bezaubernden Eindruck. Ebenfalls bezaubernd ist Altstar Gene Kelly, der selbst zu den ganz Großen der Tanzfilm-Stars gehört und hier sichtlich Spaß seiner Rolle hat. Der Rest der Besetzung spielt eine eher untergeordnete Rolle.

An den Kinokassen ging XANADU ziemlich baden, diente sogar als Inspiration für den Negativpreis „Goldene Himbeere“. Der Soundtrack allerdings war ein weltweiter Hit und heimste 7-fach Platin ein. Die Songs von Olivia Newton-John und dem Electric Light Orchestra sind feinste 80er-Pop-Musik, bei der man nicht drum herum kommt, mit dem Bein zu wippen. Titel wie „I’m Alive“  oder der Titelsong „Xanadu“ bleiben nachhaltig im Ohr hängen.

Nachdem justbridge entertainment den Film im Jahr 2019 als Mediabook in den Handel gebracht, hat das Label nun eine günstigere Variante im Keep-Case nachgeschoben. Wie schon die Vorgänger-Edition beinhaltet die Veröffentlichung eine sehr gute Bild- und Tonqualität. Vor allem das Bild überzeugt mit einer detaillierten Schärfe, einem guten Kontrast und natürlichem Filmkorn, was zeigt, dass hier nicht einfach nur ein Filter nach dem Anderen daraufgeklatscht wurde. Das Bonusmaterial beinhaltet nicht nur ein Sing-A-Long-Feature, sondern auch einen unterhaltsamen Audiokommentar mit den geschätzten Kollegen Florian Wurfbaum und Christoph N. Kellerback von Cine Entertainment Talk.

Fazit:
XANADU (1980) ist ein wahres Kuriosum. Ein quietschbuntes Gute-Laune-Musical, welches zwar nur eine rudimentäre Handlung beinhaltet aber in vollen Zügen den Charme der frühen 80er Jahre versprüht. Dem Otto-Normal-Verbraucher werden sich vermutlich die Nackenhaare aufstellen, Fans von Musicals und bizarren Ideen, wie sie nur zu dieser Zeit umgesetzt werden konnten, werden an diesem Machwerk ihre helle Freude haben. Mit den nötigen, bewusstseinserweiternden Substanzen im Gepäck, hat man mit Sicherheit wahnsinnige 90 Minuten vor sich!

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