Beim Street-Food heißt die Vermischung verschiedener Zutaten und Geschmäcker aus allen Herrenländern Fusion und dient der Findung neuer Geschmacksexplosionen, etwas, was die meisten Menschen auf dieser Welt positiv stimmt. Denn Essen ist und bleibt etwas, was über alle Grenzen hinweg verbindet. Die Überraschung des guten Geschmacks lässt eben allen Streit vergessen. Das muss sich auch Abe gedacht haben, der 12jährige Multinationen-Junge, der in Big Apple lebt und den ständigen Streit in seiner Familie erleben muss. Atheistische Semiten, Palästinenser und Moslems zieren den allabendlichen Esstisch im Wohnzimmer und Abe, begnadeter Hobbykoch, sucht nach dem richtigen Rezept zur Versöhnung der Familie. Der Film lief 2019 in der Sundance Kids Kategorie auf dem Sundance Film Festival und strandete Anfang 2020 als VoD. PANDASTORM PICTURES brachte den Film nun auf den heimischen Markt.

Originaltitel: Abe

Regie: Fernando Grostein Andrade

Darsteller: Noah Schnapp, Seu Jorge Mário da Silva, Mark margolis, Dagmar Domincyk

Artikel von Kai Kinnert

Der 12-jährige Abe (Noah Schnapp) ist anders als seine Schulfreunde. Statt auf Autos, teure Klamotten oder Selfies steht er aufs Kochen. Heimlich durchstreift er nachts die Restaurants und Märkte der brodelnden Metropole New York auf der Suche nach neuen Inspirationen. Bei einem seiner Streifzüge begegnet er dem Streetfood-Künstler Chico (Seu Jorge). Dessen kreative Kochkunst vereint die unterschiedlichsten kulturellen Einflüsse. Das bringt Abe auf die Idee seine zerstrittene Familie durch eigene, neue Rezepte zusammenzubringen. Denn als Sohn palästinensischer und israelischer Eltern kann er es keinem seiner Verwandten recht machen.

Hin- und hergerissen zwischen den Religionen und Traditionen begibt er sich auf eine diplomatische Mission ganz im Zeichen des Geschmacks.

Filme über das Kochen übersteigern gerne kunstvoll das Zubereiten und Kredenzen von Gerichten, angereichert mit reichlich Feel-Good-Momenten um Liebe, Kommunikation, Familie und Restaurant-Geschichten. Das Genre ist quasi auf seinen eigenen Tellerrand beschränkt und bezieht dabei dennoch meist eine Menge Lebensgefühl aus den Umständen des Kochens selber. So auch in diesem Film, in dem Abe, ein 12jähriger Junge, sich mit wunderlichem Interesse und Begabung mehr für Gerichte aus aller Welt interessiert, als für Freunde oder die Playstation. Mit seiner kindlich-begeisternden Inselbegabung wäre er im echten Leben auf jeder Gesamtschule als Streber verurteilt und wohl auch ein Mobbing-Opfer, jedoch nicht in der Welt von Soulfood.

Dass Abe eigentlich keine Freunde hat, macht der Film immer wieder deutlich, denn Abes Freunde existieren nur in den sozialen Netzwerken. So beginnt der Film auch mit einem flotten Zusammenschnitt aus dem Internet, in dem Abe sein virales Leben vorstellt und dabei selber zugibt, das er nicht einen Freund aus dem Internet real getroffen hat. So gesehen ist Abe ein Kind dieser Zeit, hoch kommunikativ im Internet, aber wenig sozial eingebunden in der realen Welt. Außerhalb des Netzes gibt es eigentlich nur seine Familie, ein multiethnischer Haufen, der sich ständig beim Essen in den Haaren liegt. Ganz im Stile der aktuellen Filme aus dem Nahen Osten, ist Soulfood, geschrieben von palästinensischen Drehbuchautoren und von einem brasilianischen Regisseur verfilmt, geprägt von den religiösen und politischen Konflikten, die sich in aufgeladenen Diskussionen entladen und keine Lösung für ihre familiäre Situation finden. Natürlich finden diese Konflikte in der Familie liebevoll statt, niemand verspürt Hass, es gibt keine eigentliche Zwietracht, sondern immer nur den Reiz, beim Abendbrot die Politik zum Thema zu machen.

Während seine Familie ihren hauseigenen Nahostkonflikt ausdiskutiert, postet Abe seine Begeisterung für Essen im Internet und macht sich Abends heimlich auf den Weg zu dem Hotspot des NYC-Streetfoods, wo er den Koch Chico kennenlernt. Dank seiner Hartnäckigkeit und der geschmacklichen Neugier fürs Kochen darf Abe als Praktikant bei Chico einsteigen, lernt so noch südamerikanische Fusion-Geschmacksexplosionen kennen und beginnt eine Geschmacks-Karte und Rezepte zu entwickeln. Da Abe aber niemanden von seinem heimlichen Praktikum erzählt hat und auch Chico nicht weiß, dass seine Eltern nichts von seinem Ausflug wissen, wird Abe irgendwann vermisst und Panik macht sich in der Familie breit. Alle Angehörigen tun sich zusammen und machen sich im Viertel auf der Suche nach ihm.

Natürlich endet die Sache gut und beim Essen – vereint durch Abes Geschmacksexplosionen und seiner glücklichen Rückkehr. Liebe geht durch den Magen, Familie auch – das ist die Prämisse des Films. Der Konflikt ist harmlos und der Spannungsbogen ebenso. Abe hätte gerne Frieden am Tisch, ist viral im Netz und hat als einziges Abenteuer das Praktikum bei Chico, von dem die Eltern keine Ahnung haben. In dieser Harmlosigkeit ist das tatsächlich ein gänzlich familienfreundlicher Film für Kinder, die hinterher mit ihren Eltern kochen wollen. So gesehen ein rührender Ansatz und tatsächlich bekommt man Appetit und wünscht sich, das der Streifen besser die Kurve bekommen hätte.

Die große Stärke des Films ist Noah Schnapp, der Abe lebendig und liebenswert spielt. Auch die Sachen mit dem Internet sind flott und originell geschnitten, dazu gibt es einige schmackhafte Momente des Kochens, die einem das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen. Seine Schwäche hingegen ist die fehlende Spannung und die arg konventionelle Inszenierung außerhalb der Essens- und Internet-Schnittfolgen. Filmisch ist Soulfood – Familie geht durch den Magen eine digitale Low-Budget-Produktion, die Chicos Küche wie beim ZDF aussehen lässt und auch sonst nur selten Kinofilm sein mag. Der Film bezieht seinen Charme durch Noah Schnapp, einer friedfertigen Handlung und dem Kochen, unbestritten, aber insgesamt reicht das nicht aus.

Der Film ist unrund, zu harmlos und damit für sein dramaturgisches Nichts zu zäh. Die Ansätze, das Fusion dieser Produktion, sind spannend und liebenswert, doch leider wurde der Garpunkt des Films verpasst. Das reichte nicht.

Das Bild der DVD ist klar und der Ton gut. Als Extras gibt es einen Trailer und eine Trailershow.

Trailer:

PS: Wahrlich schade an Soulfood ist, das es keine Rezepte gibt. Da wird einem 85 Minuten lang Appetit gemacht und nicht ein Rezept im Abspann. Das wäre die Chance gewesen, verdammt. Darum ging es doch: kocht was und esst zusammen, vergesst den anderen Scheiß.

Und was esse ich jetzt morgen?

Zurück zur Startseite