Zum Ende des ersten Videothekenjahrzehnts hatten Unterwasserhorrorfilme Hochkunjunktur. Während im Kino James Camerons ABYSS – ABGRUND DES TODES mit seinen sensationellen Effekten für Aufsehen sorgte, konnten auch kleinere Produktionen wie LEVIATHAN und DEEP STAR SIX von diesem Ruhm an der Kinokasse zehren und hinterher vor allem im VHS-Bereich beim Konsumenten punkten. Dieses Potential nutzte LEVIATHAN Produzent DINO DE LAURENTIIS, der auch diese Low-Budget Variante seines eigenen Filmes mitproduzierte. Lange Zeit war SIRENE I hierzulande verschollen und wurde nach seiner VHS-Auswertung nicht neu veröffentlicht (von einem schäbigen Bootleg einmal abgesehen), doch nun hat WICKED VISION sich ein Herz gefasst und den gut besetzten Unterwasserschocker endlich auf Scheibe herausgebracht. Wir sind in den Abgrund abgestiegen und haben die Veröffentlichung für Euch auf Herz und Nieren gecheckt.

Originaltitel: The Rift

Alternativer deutscher Titel: Sirene I

Regie: Juan Piquer Simón

Darsteller: Jack Scalia, R. Lee Eermey, Ray Wise, Deborah Adair, Ely Pouget

Artikel von Christian Jürs

Aufruhr beim Militär. Das mit Atomsprengköpfen ausgestattete U-Boot Sirene 1 meldet sich nicht mehr, sendet aber ein Notsignal aus der Tiefe. Man fackelt nicht lange und schickt das Schwesterschiff Sirene 2 los auf Rettungsmission. Geleitet wird diese von Captain Phillips, der so gar nicht wie Tom Hanks ausschaut, sondern wie der böse Drill-Seargent aus Full Metal Jacket. Kein Wunder, übernahm doch R. Lee Eermey die Rolle. Zu seiner Crew gehören unter anderem der Ingenieur Robbins (Ray Wise) und die Biologin Nina Crowley (Deborah Adair). Letztere war einst mit dem U-Boot-Konstrukteur Wick Hayes liiert, der aufgrund seiner Erfahrung mit der von ihm entworfenen Sirene 1 natürlich an Bord nicht fehlen darf. Diesen verkörpert B-Film Recke und Ex-Dallas-Star Jack Scalia (Genetic Killers) mit damals populärer Martin Riggs-Gedächtnismatte auf der Birne.

Wick, schärfer als ein Hustenbonbon, ist zudem not amused. Er schiebt das Unglück auf die nicht in seinem Entwurf vorgesehenen Atomsprengköpfe, mit denen Sirene 1 bestückt wurde, auch, obwohl er noch gar nicht weiß, was eigentlich wirklich an Bord des verlorengegangenen U-Boots geschehen ist. Außerdem hat er ein Problem mit Autoritäten, von denen er mit dem Captain und seiner Ex-Frau gleich zwei Exemplare mit an Bord hat. Man fragt sich allerdings, was Wick von der wie ein braves Hausmütterchen frisierten Biologin wollte, bzw. immer noch will, wo doch mit Crewmitglied Ana Rivera (Ely Pouget) ein wesentlich heißeres Exemplar der weiblichen Spezies mit an Bord ist. Aber solche Probleme sind nebensächlich, denn die Suchaktion verläuft erfolgreich und man findet das verlorene Boot. Jedoch bereits kurz zuvor macht eines der Besatzungsmitglieder (Pocholo Martinez Bordiu) bei einem Tauchang unliebsame Begegnung mit ungewöhnlichen Pflanzen, die in der Tiefe, in der sich auch Sirene 1 befindet, gar nicht wachsen dürften. Er kann zwar eine Probe des Gestrüpps an Bord schicken, wird im Anschluss jedoch von den Schlingpflanzen zu Tode geknuddelt. Nummer eins aus der Reihe „Zehn kleine Ihrwisstschon“ wäre damit aus dem Weg geräumt.

Die Pflanze beginnt derweil, an Bord ein Eigenleben zu entwickeln und wächst rapide. Als schließlich die Überreste von Sirene 1 inspiziert werden, wird schnell klar. Hier geht etwas furchtbares vor sich und die Pflanzen haben direkt damit zu tun. Ein Kampf um Leben und Tod entbrennt, bei dem der Großteil der Crew die Endcredits nicht lebend erreichen wird…

Wo fange ich an, wenn ich über Sirene 1 berichten soll? Vielleicht mit der Tatsache, dass Regisseur Juan Piquer Simón zuvor für die zurecht als SchleFaz geadelten Streifen Slugs und Supersonic Man verantwortlich war. Das ist aber gar nichts Schlechtes, denn beide Filme waren, so beschissen sie auch sind, zwei der unterhaltsamsten Trashfilme aus der Sauffilmreihe von Arthousesender Tele5. Und genau da reiht sich auch Sirene 1 ein, nur deutlich gelungener. So sieht das gelbe U-Boot dem Exemplar verdammt ähnlich, welches ich als Kleinkind mit in die Wanne nahm, um es zwischen dem Badeschaum (Eisberge) tauchen zu lassen – aber hier kann mich meine Erinnerung auch täuschen. Erstaunlich sind auch die Räumlichkeiten an Bord. Liebevolle Pappmachébauten, die vor allem eins sind, nämlich zu groß und zu geräumig. Von der klaustrophobischen Stimmung eines Das Boot ist hier nichts zu spüren. Stattdessen gibt es 20m²-Räume, wie Beispielsweise die Kommandozentrale, deren Deckenhöhe ungefähr die einer Altbauwohnung vorweist. Dafür ist aber alles hübsch in dunkelblau und rot ausgeleuchtet, damit die richtige Tiefseestimmung aufkommt. Hinzu kommen ganz viele Blinkelichter und Knöpfe, für die wohl jeder Experte trotzdem ein Handbuch benötigen würde.

Das mag jetzt alles sehr negativ klingen, bereitet aber eine Menge Spaß und wird durch drei Dinge deutlich aufgewertet. Da wäre zum Ersten das enorm hohe Tempo, welches der Film von Anfang an besitzt. Nach kurzer Figureneinführung, die einem das weitere Schicksal des jeweiligen Charakters quasi mit Leuchtbuchstaben auf die Stirn tätöwiert (inkl. des obligatorischen, ach so überraschenden Verräters in den eigenen Reihen), geht das Grusel-Ramba-Zamba auch schon los, womit wir bei Punkt zwei der Gründe, die für den Film sprechen, angelangt wären. Die Schmoddereffekte sind nämlich schön widerlich geraten und wissen zu überzeugen. Insbesondere die pulsierenden Pflanzeninfektionen wissen hier zu gefallen, aber auch die Monstereffekte sind echt dufte. Doch das war ja auch bei Slugs schon so.

Hauptargument sind aber die wirklich guten Darsteller. Okay, Jack Scalia spielt den Helden auf Autopilot und auch Dauerwellenträgerin Deborah Adair bleibt unauffällig, dafür gibt es aber den immer wieder gern gesehenen Ray Wise (Dead End, Twin Peaks) und den aus Full Metal Jacket am prägnantesten in Erinnerung gebliebenen R. Lee Eermey, der auch einen eigentlich mittlemäßigen Horrorreißer wie das Texas Chainsaw Massacre Remake mit seinem Auftritt als fieser Sheriff Hoyt gleich um zwei Klassen besser wirken ließ. Seine Figur kommt hier sogar erstaunlich sympathisch weg, was durchaus überrascht.

Bild- und Tonqualität sind für einen alten, ranzigen Videothekenheuler wie Sirene 1 erstaunlich gut. Auch das Bonusmaterial ist mit diversen Featurettes, Interviews, Trailern und einer Bildergalerie einmal mehr gewohnt fett, wie von Wicked Vision gewohnt. Obendrauf gibt es natürlich ein Booklet, dass von Christoph N. Kellerbach (who else?) verfasst wurde und wieder einmal alles wissenswerte über die Produktion zusammenfasst.

Fans von Filmen wie Deep Star Six und Leviathan werden auch diesem Mix aus Alien, Abyss und Co. etwas abgewinnen können. Unter Horrorfans meiner Generation hat der Film einen hohen Bekanntheitsgrad und war damals sehr beliebt. Wer also einen Hang zum B-Film mit viel Splatter und temporeichem Handlungsverlauf nach bekanntem Muster hat, sollte hier fix zugreifen, denn die Stückzahl ist streng limitiert.

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