Wicked Vision Distribution GmbH veröffentlichte vor Kurzem einen ganz besonderen Leckerbissen für Genre-Fans und Liebhaber des guten alten Exploitation-Kinos. Mit der „Black Cinema Collection“ ehrt das Label das „schwarze Kino“ der frühen 1970er Jahre, in dem die afro-amerikanische Kultur ihre eigenen Helden abfeierte, was in einer ganzen Flut von kostengünstigen B-Movies mündete. SLAUGHTER (1972) bildet den Auftakt dieser vielversprechenden Reihe und ob der Streifen die edle Aufmachung wert ist, erfahrt ihr in unserer Kritik!

Originaltitel: Slaughter

Drehbuch: Mark Hanna, Don Williams
Regie: Jack Starrett

Darsteller: Jim Brown, Stella Stevens, Rip Torn, Cameron Mitchell, Don Gordon, Marlene Clark…

Artikel von Christopher Feldmann

Das sog. Blaxploitation-Genre erlebte seine Blütezeit in der ersten Hälfte der 1970er Jahre und entstand aus dem, durch die Bürgerrechtsbewegung entstandenen, neuen Selbstbewusstsein der afro-amerikanischen Bevölkerung. Der durchschnittliche, „schwarze“ US-Bürger wollte sich auch im Kino wiedererkennen, weshalb die Filmindustrie begann, sich auf ein gänzlich vernachlässigtes Marktsegment zu stürzen. Filme wie SWEET SWEETBACK’S BAADASSSSS SONG (1971) und SHAFT (1971), die beide heute als Genre-Klassiker gelten, waren der Kick-Off für eine ganze Flut an ähnlich gelagerten Produktionen, die meist mit geringem Budget realisiert wurden und auf ein ganz bestimmtes Publikum abzielten. So wurden soziale und politische Themen nur angerissen oder als Aufhänger benutzt, um Unterhaltung zu bieten, die meist mit Klischees arbeitet und ausgewalzt Sex und Gewalt zeigt, um die hungrigen Fans in die Grindhouse- und Drive-In-Kinos zu locken. Ganz vorne mit dabei war die Produktionsfirma American International Pictures, die sich auf die Produktion von Low-Budget-Filmen fokussierte und auch den Blaxploitation-Trend entscheidend belieferte. Mit dabei, waren auch anerkannte Perlen wie COFFY (1973), BLACK CAESAR (1973) und FOXY BROWN (1974). Ebenfalls unter Ägide von Chef-Producer Samuel Z. Arkoff entstand SLAUGHTER (1972), der perfekt in dieses Raster passt und das Genre in seiner vollen Blüte repräsentiert.

Handlung:
Nachdem seine Eltern bei einem Autobomben-Anschlag ums Leben kommen, ist Vietnam-Veteran und Ex-Green-Beret Slaughter (Jim Brown) auf der Jagd nach dem Attentäter. Getrieben von Rache, nimmt er ein Verbrechersyndikat ins Visier und richtet am Flughafen ein Blutbad an. Der wahre Strippenzieher hinter dem Anschlag, Dominic Hoffo (Rip Torn), flüchtet jedoch nach Südamerika. Um für nicht ins Gefängnis zu müssen, geht Slaughter einen Deal mit dem Finanzbeamten Price (Cameron Mitchell) ein, der ihn auf Hoffa und dessen Boss Mario Felice (Norman Alfe) ansetzt. In einem noblen Urlaubs-Resort kommt es schließlich zum bleihaltigen Katz- und Mausspiel mit den Gangstern und zum erotischen Stelldichein mit Hoffas Freundin Ann (Stella Stevens).

„Slaughter’s gonna blow your mind! Slaughter does not waste his time!“, trällert es schon zu Beginn von der Tonspur. Es war eben die Zeit potenter Helden, die schon im Vorspann gerne mal glorifiziert wurden. Getreu dem Motto „Slaughter hat dicksten Eier“ wird der Zuschauer in den Film geleitet, dem man ganz klar in seinen zeitlichen Kontext einordnen kann. Immerhin entstand der Blaxploitation-Reißer im Fahrwasser der Major-Produktion SHAFT (1971), die den potenten, schwarzen Macho-Helden, der sowohl seinen „Brüdern“, als auch der weißen Konkurrenz immer einen Schritt voraus ist, erst salonfähig machte. War Richard Roundtrees kaltschnäuziger Detektiv noch ein durchaus klarer Kommentar auf die damalige Klassengesellschaft, ähnelt Jim Browns Charakter in SLAUGHTER schon mehr einer klassischen Figur aus einem Pulp-Comic. Slaughter ist der Rächer, der erst zuschlägt und/oder schießt, bevor er eine Frage stellt. Inspiriert von damaligen Anti-Helden wie Clint Eastwood in DIRTY HARRY (1971) geht Slaughter ohne jegliches Hinterfragen von Moral seinem Auftrag nach und als Zuschauer weiß man ganz genau, dass der Streifen erst vorbei sein wird, wenn auch der letzte Baddie ins Gras gebissen hat.

Ein Featurette, welches auf der Blu-ray zu finden ist, bezeichnet den Film recht treffend als Economy-Class-James-Bond, was ich absolut unterschreiben würde. Die simple Handlung beinhaltet zahlreiche Elemente, die an die frühen Agenten-Klassiker mit Sean Connery erinnern. Sei es das Belauern und Kennenlernen des Bösewichts, die aufgeheizten Partien am Spieltisch oder das Flirten mit der Gespielin des Gegners, all diese Motive finden sich auch in dieser Low-Budget-Produktion wieder, die aber, im Gegensatz zu anderen günstig hergestellten Blaxploitation-Streifen, noch mit einem exotischen Schauplatz aufwarten kann. Die Handlung spielt zum größten Teil in einem mexikanischen Hotel, das sich an der Finanzierung beteiligte und dem ansonsten geringen Produktions-Volumen etwas Glanz verleihen konnte.

Daher braucht sich das kurzweilige Grindhouse-Fest auch nicht hinter anderen Vertretern zu verstecken, denn rein optisch gehört der Action-Thriller zu den gelungensten Werken des Genres. Das liegt nicht nur an der hübschen Kulisse, die dem Ganzen in der Tat einen Hauch von Bond-Exotik verleiht, sondern auch an den Fähigkeiten des Regisseurs Jack Starrett, der in den 1970er Jahren eine ganze Reihe von action-lastigen Krachern wie RACE WITH THE DEVIL (1975) oder WALKING TALL: FINAL CHAPTER (1977) inszenierte und mit CLEOPATRA JONES (1973) einen weiteren Kultfilm der Blaxploitation-Ära verantwortete. Starrett war gut genug, um aus wenig viel herauszuholen. So besticht SLAUGHTER durch eine gute Kamera, die die Actionszenen ansehnlich einfängt und hier und da durch interessante Perspektiven punktet. Auch der Schnitt weiß zu überzeugen und lässt das Material erstaunlich hochwertig aussehen. Dazu kommt noch die Tatsache, dass der Streifen zu keiner Zeit langweilig wird, sondern immer in Bewegung bleibt. Egal ob Shootouts, Kloppereien oder Verfolgungsjagden, die 91 Minuten Laufzeit gehen schnurstracks vorbei und unterhalten auf ganzer Linie.

Die Hauptrolle bekleidet hier der legendäre Jim Brown, der bei Drehbeginn, anders als viele Kollegen, bereits ein etablierter Star war. Brown spielte von 1957 bis 1966 Football in der Profi-Liga NFL und gilt als einer der besten Spieler in der Geschichte des American Football und ist heute sogar in drei Ruhmeshallen vertreten. Nach seiner Sportkarriere baute sich Brown ein zweites Standbein als Schauspieler auf und war unter anderem bereits in DAS DRECKIGE DUTZEND (1967) und EL CONDOR (1970), bevor er SLAUGHTER drehte. Ähnlich wie Richard Roundtree verkörpert Brown den klassischen Helden-Typus des Blaxploitationfilms, ohne dabei aber allzu dominant gegenüber Frauen zu agieren, da er sich bewusst gegen dieses Image wehrte. In Sachen Action lässt er dagegen nichts anbrennen und funktioniert als schlagfertiges Alpha-Tier. Ihm gegenüber steht mit Rip Torn ein versierter Schauspieler, der mit ungeheurer Intensität den Bösewicht verkörpert und das darstellerische Highlight des Films bildet, während Darstellerinnen wie Stella Stevens und Marlene Clark eher die weibliche Zierde des Ganzen sind und Don Gordon als Slaughters Kollege eher als Comic-Relief genutzt wird. In einer Szene gibt sich dann noch Schauspiel-Veteran Cameron Mitchell die Ehre, der nach seinem Karriere-Hoch in den 1940er und 1950er Jahren vermehrt Auftritte in Exploitation-Schmonz hinlegte und dabei auch nicht dem absoluten Bodensatz fernblieb, wie zum Beispiel die Action-Gülle DEADLY PREY (1987).

Die Veröffentlichung aus dem Hause Wicked Vision Distribution GmbH ist ein wahrer Traum für Freunde wiederentdeckter Perlen des abseitigen Genre-Kinos. SLAUGHTER kommt als Auftakt der „Black Cinema Collection“ daher und neben der eigentlichen Edition, gibt es noch einen, auf 1500 Stück limitierten, Sammelschuber dazu, in den sich dann die neun weiteren Titel problemlos einsortieren lassen. Das Keep-Case beinhaltet sowohl die Blu-ray, als auch die DVD-Version. Bild- und Tonqualität sind erste Sahne, gerade optisch bleiben keine Wünsche offen. Auszeichnend sind dabei eine tolle Schärfe, satte Farben und der Verzicht auf zu viele Filter, die dem Streifen den filmischen Charme rauben. Der Ton liegt in Englisch und Deutsch vor, bei der Synchron-Fassung lässt sich zwischen einer gefilterten und einer ungefilterten Version wählen. Auch das Bonusmaterial weiß zu überzeugen und punktet mit einem exklusiven Audiokommentar von Dr. Gerd Naumann und Christopher Klaese, einem Featurette mit dem Titel „Der Gangster als stilbewusster Antiheld“ von Andreas Rauscher, dem deutschen Kinovorspann, einer Bildergalerie und dem Trailer. Als Sahnehäubchen gibt es noch ein 24-seitiges Booklet von Christoph N. Kellerbach, das sich mit der Entstehungsgeschichte des Films befasst. Eine rundum mehr als gelungene Edition!

Fazit:
SLAUGHTER (1972) kann als wahre Perle des klassischen Blaxploitation-Kinos bezeichnet werden. Irgendwo zwischen Rache-Streifen und James-Bond-Knock-Off angelegt, poliert Jim Brown bösen Buben die Kauleisten. vor angenehm südlicher Kulisse. Das sind 91 Minuten feinster B-Movie-Spaß, der in einer tollen Edition daherkommt. Absolute Kaufempfehlung!

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