Die Nacht der blutigen Messer! Wir schlagen das nächste, mittlerweile 23. Kapitel unserer Edgar-Wallace-Retrospektive auf. Als dritter Farbfilm der Reihe, geht DIE BLAUE HAND (1967) stark in Richtung Horror und sorgt für knapp 90 Minuten schauerliche Unterhaltung. Wie sich der Streifen im Kontext der Serie schlägt, erfahrt ihr wie immer bei uns!

„Hallo, hier spricht Edgar Wallace!“

Drehbuch: Alex Berg

Regie: Alfred Vohrer

Darsteller: Harald Leipnitz, Klaus Kinski, Diana Körner, Carl Lange, Ilse Steppat, Siegfried Schürenberg, Hermann Lenschau, Albert Bessler, Thomas Danneberg, Peter Parten, Ilse Pagé…

Artikel von Christopher Feldmann

1967 standen die Zeichen bei Rialto Film auf Sturm. Es begann ein zahlreiches Hin- und Herschieben geplanter Projekte, vor allem die Produktionen zahlreicher Karl-May-Filme bereitete Kopfschmerzen, da vergangene Filme, auch von anderen Produktionsfirmen, nicht den erhofften Erfolg brachten. Die Realisierung weiterer Western im Winnetou-Universum gestaltete sich als risikoreich, verschlangen die, im ehemaligen Jugoslawien gedrehten, Streifen doch ordentlich Produktionskosten und mussten daher bedeutend mehr zahlendes Publikum anlocken, um schwarze Zahlen zu schreiben. Bei Wendlandts zweitem Baby, der Edgar-Wallace-Reihe, sah das schon anders aus. Im Vergleich zur zweiten Hausmarke waren die Krimis wesentlich rentabler, weil günstiger in der Produktion. Auch war das deutsche Publikum den Wallace-Thrillern wesentlich treuer, als den Karl-May-Stoffen, die sich immer weiter abnutzten. Zwar gingen auch die Einspielergebnisse der Wallace-Filme etwas zurück, sie waren jedoch immer noch rentabel genug. Nach der deutsch-britischen Ko-Produktion DAS GEHEIMNIS DER WEIßEN NONNE (1966) sollte wieder ein Film rein deutscher Machart folgen. DIE BLAUE HAND (1967) war wieder gewohnt unterhaltsames Grusel-Krimi-Einerlei und ist nach wie vor einer der stärkeren Beiträge der Farbfilm-Ära.

Handlung:

Dave Emerson (Klaus Kinski), Sohn des nach Amerika entflohenen Earl of Emerson, wird des Mordes an dem Gärtners Edward Amery angeklagt. Mit Hilfe eines Gutachtens des Irrenarztes Dr. Mangrove (Carl Lange) wird Dave in dessen Anstalt eingewiesen, bis ein Unbekannter ihm zur spontanen Flucht verhilft. Zurück auf Schloss Gentry überschlagen sich die Ereignisse, denn ein Wärter, der Dave verfolgte, wird von einer vermummten Gestalt mit einer blauen eisernen Hand ermordet. Auch Daves Zwillingsbruder Richard (Klaus Kinski) verschwindet plötzlich spurlos. Um unerkannt zu bleiben übernimmt der Flüchtige kurzerhand dessen Identität, was sowohl von seiner Stiefmutter Lady Emerson (Ilse Steppat), als auch von seinen weiteren Geschwistern Myrna (Diana Körner), Robert (Peter Parten) und Charles (Thomas Danneberg) unbemerkt bleibt. Lediglich Inspektor Craig (Harald Leipnitz) von Scotland Yard kommt hinter dem Schwindel, ist jedoch von Daves Unschuld überzeugt als „die blaue Hand“ gleichzeitig einen Mordanschlag auf Myrna verübt. Wer steckt hinter den Morden und welche Rolle spielt der undurchsichtige Dr. Mangrove, dessen Anstalt ein Geheimnis zu bergen scheint?

Bei DIE BLAUE HAND handelte es sich erstmals seit DER UNHEIMLICHE MÖNCH (1965) wieder um einen echten Romantitel von Wallace, was allerdings nicht bedeutet, dass es sich hier um eine werkgetreue Verfilmung jenes Schmökers handelt. Wendlandt gab ein Drehbuch in Auftrag, wobei sich die erste Fassung noch stark am Roman orientierte, aufgrund des angestaubten Plots verwarf man dies. Herbert Reinecker schrieb daraufhin ein Treatment, das aber ebenfalls verworfen wurde, jedoch einige Jahre später als Grundlage für den Film DIE TOTE AUS DER THEMSE (1971) diente. Ein weiteres Treatment, das von Fred Denger und Harald G. Petersson geschrieben wurde, stieß schon auf mehr Zustimmung, wobei in allen Fassungen, sowie in der Romanvorlage „die blaue Hand“ als Symbol für den unbekannten Hauptverbrecher dient. Reinecker bekam den Auftrag die Idee von Denger und Petersson auszuarbeiten, übernahm einige Motive aus seinem Entwurf und machte aus dem titelgebenden Symbol ein reißerisches Mordinstrument, was schließlich von der Produktion begrüßt wurde.

Die Handlung des Films folgt im Großen und Ganzen bekannten und ausreichend etablierten Motiven. Wieder ist eine adelige Familie, samt Schloss. Dreh- und Angelpunkt der Geschichte, es geht um Erbschleicherei und die Szenerie wird mit zahlreichen dubiosen Figuren gefüllt. Auch das beliebte Whodunit-Element findet seinen Platz in der Gestalt eines vermummten Mörders, der sein Unwesen treibt. DIE BLAUE HAND bedient das deutsche Publikum nach Maß, wahrscheinlich war dies nach dem durchaus etwas anders gelagerten DAS GEHEIMNIS DER WEIßEN NONNE auch nötig, denn der durchschnittliche Kinobesucher mag eben klassische Kost. Und trotzdem bildet der Krimi den Auftakt zu einem neuen Stil, denn ab diesem Punkt fanden immer wieder neue Ausrichtungen und Themen in der Serie Platz. DIE BLAUE HAND geht deutlich in Richtung Horror und erinnert in diversen Momenten nicht nur ungefähr an den italienischen Giallo, der zu diesem Zeitpunkt schon deutlich erwachsener daherknam. Alfred Vohrer biedert sich dem an und serviert deutlich härtere Szenen, wenn „die blaue Hand“ mit seinem eisernen Messerhandschuh zuschlägt. Dass man hier natürlich keine Blutfontänen erwarten darf, versteht sich von selbst, für einen rein deutsch produzierten Krimi einer so populären Reihe, ist dies aber schon außergewöhnlich.

Der Plot verläuft indes geradlinig und funktioniert nach gängigen Wallace-Standards. Scotland Yard muss wieder mehrere Baustellen beackern und nicht nur die Identität des Mörders lüften, sondern auch den Grund allen Übels ermitteln. Dabei streut das Drehbuch zahlreiche Wendungen ein, um den Zuschauer bei der Stange zu halten. Gerade das Figurenpersonal wird wie gewohnt halbseiden dargestellt, sei es der neugierige Butler, die geheimnisvolle Schlossherrin oder der dubiose Anwalt. Der Handlungsverlauf ist dabei nicht immer voll und ganz schlüssig, das gehört bei Wallace aber zum guten Ton.

Für die Regie war hier wieder Alfred Vohrer verantwortlich. DIE BLAUE HAND läutete zudem eine besondere Schaffensphase ein, denn Vohrer sollte auch alle weiteren Produktionen bis 1969 inszenieren, bevor er zur Firma Roxy Film wechselte und Rialto hinter sich ließ. Der erfahrene Krimi-Routinier hat sichtlich Spaß an der Schauer-Komponente und kreiert Spannungsszenen am laufenden Band. Das Tempo ist überraschend hoch und der Film vermeidet somit Langeweile, denn es passiert immer irgendetwas. Vohrer hat natürlich auch die üblichen Taschenspielertricks auf Lager, um den Zuschauer am Geschehen zu halten, sei es eine besondere Kameraeinstellung, reichlich Kunstnebel und den inflationären Einsatz von Schlangen und Ratten. DIE BLAUE HAND ist eine filmische Geisterbahn, die zwar heute keinen mehr erschrecken dürfte aber für knapp 90 Minuten vergnügliches Pulp-Entertainment sorgt. Die Zeiten der stilvollen Kompositionen eines Harald Reinl sind endgültig vorbei, diese Art von Edgar-Wallace-Film steht für exploitative Unterhaltung.

Ursprünglich sollte Hans Lothar die Rolle des Inspektors verkörpern, starb jedoch noch vor den Dreharbeiten, weswegen Harald Leipnitz zum Zuge kam, der bereits in DIE GRUFT MIT DEM RÄTSELSCHLOSS (1964) und DER UNHEIMLICHE MÖNCH (1965) zu sehen war. Leipnitz gibt routiniert den Ermittler, bleibt aber im Vergleich des restlichen Personals eher blass und erreicht nie die Präsenz eines Joachim Fuchsberger oder Heinz Drache. Ihm zur Seite steht Paradebösewicht Klaus Kinski, dieses Mal sogar in einer Doppelrolle, der erstmals innerhalb der Reihe eine sympathische Figur spielen darf, was dem kontroversen Mimen spielend gelingt. Kinski ist der eigentliche Star des Films und stiehlt Leipnitz, der nach diesem Film Abschied von der Serie nahm, jede Szene. Diana Körner spielt als Myrna ihre erste Kinorolle und gibt routiniert das weibliche Opfer. Andere Darstellerinnen vor ihr haben da weitaus mehr Eindruck hinterlassen.

Großartig ist zudem Carl Lange, der bereits im Auftakt DER FROSCH MIT DER MASKE (1959) zu sehen war. Als diabolischer Irrenarzt zieht er alle Register und ist ein wirklich hervorragender Schurke. Auch Ilse Steppat, die ebenso wie Lange nach diesem Film die Reihe verließ, brilliert als undurchsichtige Schlossherrin. Mit Gudrun Genest und Hermann Lenschau hatte man zudem zwei gute Nebendarsteller an Bord und auch Thomas Danneberg, den man vorzugsweise als Synchronstimme von Sylvester Stallone, Arnold Schwarzenegger oder Terence Hill kennt, gibt sich hier als Charles Emerson die Ehre. Natürlich dürfen auch Siegfried Schürenberg als Sir John und Albert Bessler als dubioser Butler nicht fehlen. Für Bessler war es der letzte Wallace-Auftritt. Ilse Pagé, die bereits eine Nebenrolle in DER BUCKLIGE VON SOHO (1966) inne hatte, ist hier erstmals als Sir Johns Sekretarin Miss Finlay zu sehen, eine Rolle, die sie in allen weiteren Wallace-Filmen von Vohrer spielen sollte. Für die Musik war in diesem Fall Martin Böttcher verantwortlich, der hier mit seiner treibenden Musik seinen besten Wallace-Score vorlegte, zumindest meiner Meinung nach.

Die Dreharbeiten fanden von 09. Februar bis zum 22. März 1967 statt. Gedreht wurde dieses Mal ausschließlich in West-Berlin, auf London-Aufnahmen verzichtete man gänzlich. Als Drehorte dienten das Jagdschloss Grunewald für die Außenansicht der Irrenanstalt und zwei Villen für die Außenansicht Schloss Gentrys, sowie die Eingangshalle des Emerson-Residenz. Alle weiteren Aufnahmen fanden in den CCC-Studios statt. Die FSK vergab zuerst eine Freigabe ab 18 Jahren, da man allerdings den Mord an Charles Emerson nachträglich kürzte, bekam der Film die 16er-Freigabe. Seit 1991 ist der Film in dieser Fassung ab 12 Jahren freigegeben. Die Uraufführung fand am 28. April 1967 in Berlin statt und mit 1,7 Millionen Besuchern, feierte man einen weiteren Wallace-Erfolg, der sich mit den folgenden Produktionen steigern sollte.

Fazit:

Wallace goes Horror! DIE BLAUE HAND (1967) legt deutlich die Marschrichtung kommender Filme vor. Mehr Grusel, mehr Schauwerte und mehr Spaß. Alfred Vohrer inszenierte hier schon fast einen wendungsreichen Slasherfilm, der aber immer noch die bekannten und liebgewonnen Elemente besitzt. Zwar fehlt es hier und da etwas an Finesse und Logik, unterhaltsam ist der temporeiche Krimi aber allemal!

3,5 von 5 Schlangen in Dr. Mangroves Irrenhaus!

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