Mit „Night of the Virgin“ steht uns ein ungewöhnlicher Vertreter des extremen Kinos ins Haus. Pierrot LeFou bringen uns dieses Schmankerl ungeschnitten nach Hause, und das gleich in 3 verschiedenen Editionen. Sensationsfilm oder Schnarcher der Saison?

Originaltitel: La noche del virgen

Regie: Roberto San Sebastián

Darsteller: Javier Bódalo, Miriam Martín, Victor Amilibia

Artikel von Christian Jürs

Pierrot Le Fou ist ein Verleiher der etwas anderen Art. So eine Art Arte für Hartgesottene. Filme wie „The Editor“, „The Horde“ und „The Wailing“ schmücken das Programm des Verleihers. „The Night of the Virgin“ reiht sich perfekt in diese Reihe ein. Quasi, als wenn Álex de la Inglesia das Speed abgesetzt hätte. Schräg, aber mit angenehm ruhigem Erzähltempo. Aber beginnen wir ganz am Anfang.

Die Geschichte ereignet sich in der Silvesternacht von 2015 auf 2016. Zunächst werden wir Zeuge der wohl bizarrsten Sylvester-TV-Gala aller Zeiten, in der ein Ekelpaket unangenehm auftritt und die Co-Moderatorin in eine merkwürdig unangenehme Lage bringt, als er auf ihre Schwangerschaft anstoßen möchte, von der sie selbst noch gar nichts weiß. Immerhin wünscht er sich, dass 2016 nicht große Persönlichkeiten wie Prince, David Bowie oder George Michael von uns gehen sollten. Wobei, bei letzterem wäre es ihm doch egal. Da er auch noch über Migranten herzieht, die draußen gefälschte Fußballtrikots verkaufen, macht sich der Herr im Draculakostüm (!) noch unsympathischer. Ziemlich eigenartig was da gerade geschieht, ist mir bewusst. Ein wenig geschmacklos, ja. Davon gibt es in diesem Film eine ganze Menge. Auch die Tatsache, dass die TV Gala im übelsten, Dropout geplagten VHS-Bild im schönstem 4:3 übertragen wird, zeigt, dass wir hier etwas „andersartiges“ erwarten dürfen. Nach und nach jedoch bläht sich das Bild zum Kinoformat auf , um dann als TV-Bild in einer Discothek zu enden. Vom Moderatorenteam sehen wir nichts weiter. Ihre Funktion? Einstimmung auf die bizarre Welt, die vor uns liegt.

Wir treffen den, nett ausgedrückt, hässlichen Vogel Nico (Javier Bódalo), der sich fest in den Kopf gesetzt hat heute Nacht seine Unschuld zu verlieren. Doch seine Annäherungsversuche an das andere Geschlecht enden für den Jungen mit dem Überbiss erfolglos. Als er jedoch auf die etwas in die Jahre gekommene Medea (Miriam Martín) trifft, scheint sein Ziel greifbar nahe. Er folgt ihr in ihre total versiffte Wohnung, wo sie ihn bittet nicht auf die Kakerlaken zu treten, die dort rumlaufen (!!!), dies bedeute nämlich Pech. Dreimal dürft ihr raten was dem armen Teufel passiert? Korrekt, er zertrampelt so ein Viech. Es folgt der Close Up, in dem er sich das Tier vom Schuh kratzt und in der Hosentasche verschwinden lässt. Kurz darauf bemerkt er eine goldene Statue einer nackten, weiblichen Göttin. Medea erzählt ihm von den Kriegerinnen, die dieser Göttin dienten und nur unter bestimmten Umständen schwanger werden durften. Wer nun eins und eins zusammenzählen kann, ahnt so ungefähr, warum Medea den jungen Mann mitgenommen hat.

Dieser lügt über seine Jungfräulichkeit, was weder wir (auch dank des Titels), noch Medea (kennt die den Titel?) unserem „Helden“ (hust) abkaufen. Kurz darauf beginnt sie Nico gepflegt einen runterzuholen, hört jedoch kurz vor dem Film auf mit der Schrubberei. Wenig später legt sie sich schlafen und er schleicht, nachdem er sich aus ihrem Griff befreit hat, ins Wohnzimmer. Dort denkt er sich es sei eine gute Idee wenigstens onanierend zum Erfolg zu gelangen. Ein getragener Schlüpfer der Dame soll als Vorlage dienen. Doch nach einmaligem Riechen am ranzigen Schlübber ist der als Vorlage gestorben. Ein Fotoalbum mit sexy Bildern Medeas bringt dann aber den Erfolg. Allerdings Literweise. Wo kommt das her? Ach nee, das sollte lustig sein. Naja.

Kurze Zeit später ist Medea wieder wach. Nico will sie verlassen, wird jedoch mehrfach aufgehalten. Sei es durch ihr weinen und schluchzen oder einfach, weil er sein Handy vergaß, Nico kommt einfach nicht weg. Als dann auch noch der gehörnte Ex-Freund (Victor Amilibia) vor der Tür auftaucht und Nico offenbart, dass er ihn zu Hackfleisch verarbeitet, sollte er ihn in die Finger bekommen, erleichtert die Sache nicht. Und was ist das für ein hässlicher, juckender Ausschlag, den Medea plötzlich am ganzen Körper trägt?

Dies ist nicht etwa eine Inhaltsangabe bis kurz vors Finale, nein, hier ist gerade einmal ein Drittel der Laufzeit vergangen. Und bis hierhin blieben die Kotztüten, die beim Fantasy Film Fest vor der Vorstellung von „The Night of the Virgin“ verteilt wurden, ein netter Werbegag. Das bisschen Sperma (naja, kein bisschen, „das viele Sperma“ wäre wohl korrekter) kann doch heute keinen zwölfjährigen, der American Pie gesehen hat, mehr erschüttern. Nein, die Ekelszenen gibt’s erst im Finale. Bis dahin ist es ein leider etwas weiter und teilweise auch unschöner Weg. Denn so unterhaltsam die verzweifelten Fluchtversuche auch sind, so auf Zwang politisch unkorrekt kommt die Szene, in denen die homosexuellen Nachbarn statt dem aus dem Fenster zu ihnen nach oben schauende und um Hilfe bittende Nico beizustehen, lieber am offenen Fenster zu ficken und dem armen Würstchen unter ihnen nachdem sie ihn wüst beschimpften noch das gebrauchte Kondom ins Gesicht zu werfen, herüber. Das die Beiden im Abspann dann noch als aktiver- und passiver Sodomist genannt werden, grenzt an Geschmacklosigkeit. Auch die Penner unten auf der Straße sind wenig hilfsbereit und machen sich über den armen Nico lustig. Man fragt sich, ob der Film hier einfach nur provozieren möchte oder tatsächlich eine gewisse Stellung bezieht. Zu vermuten wäre Ersteres, denn Selbstzweck hier an der Tagesordnung. So lässt Medea das Handy des jungen Mannes einfach in ihrer Muschi verschwinden (ja, ich schreibe Muschi, nicht Vagina, der Film hält sich ja auch nicht zurück), was wir in Nahaufnahme präsentiert bekommen. Doch erst wenn es im Film zur unvermeidlichen Geburtsszene kommt, die wohl zu den widerlichsten Szenen der jüngeren Filmgeschichte gehört, dann treten bei empfindlichen Zuschauern die Kotztüten in Aktion. Denn was hier an Blut, Sperma, Kotze und Sekret in allen erdenklichen Formen zum Einsatz kommt, dass dürfte so noch nie dagewesen sein. Als gestandener Filmfan kann man dies allerdings auch ziemlich witzig finden, so wie es eigentlich gewollt ist. Ich fand´s unterhaltsam.

Zusammenfassend kann man sagen, dass „Night of the Virgin“ nicht die Horrorneuentdeckung ist, die uns hier prophezeit wurde, trotzdem für den vom normalen Filmalltag genervten Horrorfan einen Blick wert sein sollte. Die wenigen oben bereits erwähnten Szenen, die gegen die Wand gefeuert wurden stehen einer Vielzahl skurriler Einfälle gegenüber, die einen positiven Gesamteindruck hinterlassen. Eine knappere Laufzeit von 90 Minuten (Länge: 118 Minuten) hätte dem Film aber gut getan, denn die ein- oder andere Länge gilt es zu überwinden.

Die FSK Hürde wurde erfolgreich bestanden, was früher sicher nicht möglich gewesen wäre, heute allerdings nachvollziehbar ist („Nymphomaniac Teil 1“ hat sogar ein FSK 16). Auch sind die Ekelszenen nicht allzu häufig auftretend und wenn, dann im Kontext selten brutal. Aber auch nicht „Braindead“-lustig. Eher so „Bäääh, das ist ja wiederlich.“ – aber mit einem leichten Grinsen im Gesicht.

Jetzt stellt sich Euch natürlich noch die Frage, welche Edition lege ich mir zu? Wenn man nur am reinen Film Interesse hat, sollte die einfache Amarayauflage ausreichen. Dort gibt es zwar nur den Trailer und etwas, was sich „Absurd Stuff“ schimpft, echte Fans greifen allerdings eh zum üppig ausgestatteten Mediabook, welches außerdem noch einen Kurzfilm, Making Of- und B-Roll-Material sowie einiges mehr bietet.

Horror und Ekel für den außergewöhnlichen Geschmack. Vielen Zuschauern dürfte der Zugang zu diesem schrägen Werk verwehrt bleiben. Ich empfand den Gesamtausdruck sehr positiv, wenngleich ich auf ein paar der Provokationen, auch der Handlung wegen, verzichtet hätte. Generell wäre hier und da weniger mehr gewesen. Trotzdem ein interessanter und sehenswerter Film.

Trailer:

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