Unter „normalen“ Bedingungen wäre FOLLOW ME (2020) ein klassischer Direct-to-Video-Titel für, nach Brutalitäten lechzende, Horrorfans gewesen. Corona sorgte allerdings dafür, dass der Streifen in den Kinos lief, immerhin herrschte im Sommer konsequente Blockbuster-Armut. Jetzt bringt Capelight Pictures den Film aber auch unter das Heimkinovolk, weswegen wir euch nochmal unsere Kritik aus dem Sommer nahe legen!

Originaltitel: Follow Me

Drehbuch & Regie: Will Wernick

Darsteller: Keegan Allen, Holland Roden, Denzel Whitaker, George Janko, Ronen Rubinstein, Pasha D. Lychnikoff…

Artikel von Christopher Feldmann

Seit einigen Jahren erfreuen sich sogenannte „Escape Rooms“ großer Beliebtheit, als rauschend Nerven kitzelnde Freizeitbeschäftigung für Menschen, die nach dem nächsten Kick suchen. Pures Gold für findige Produzenten, die nach immer neuen Konzepten suchen, um dem Publikum etwas aufregendes zu bieten. Es war nur eine Frage der Zeit, bis dieses Sujet für einen Horrorfilm genutzt werden würde. Das Ergebnis konnte im vergangenen Jahr auf der Leinwand bestaunt werden. In ESCAPE ROOM (2019) fand sich eine Gruppe von Menschen in einem zugegeben überdrehten Szenario wieder, welches mit üppigem Budget gedreht wurde und dementsprechend einige Schauwerte zu bieten hatte, vor allem was die Sets angeht. FOLLOW ME (2020) backt da schon deutlich kleinere Brötchen, denn für prunkvolle Kulissen und technischen Schnick-Schnack standen anscheinend nicht ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung. Der Horrorfilm, der seine Weltpremiere erst kürzlich auf dem Fantasy Filmfest feiern durfte, besinnt sich dabei eher auf die Basics, die schon Genre-Kollegen wie SAW (2004) und HOSTEL (2005) zu Prublikumserfolgen haben werden lassen. Allerdings biedert sich Will Wernicks Streifen, trotz guter Einzelmomente, zu offensichtlich an seine geistigen Vorbilder an und präsentiert generisches Folter-Allerlei für Allesgucker.

Handlung:
Cole (Keegan Allen) ist ein waschechter Social-Media-Star und lässt sich bei seinen Reisen und alltäglichen Abenteuern stets von seinen Followern begleiten, oftmals per Live-Stream. Zu seinem 10-jährigen YouTube-Jubiläum haben sich seine Freunde etwas besonderes für den Influencer einfallen lassen. Gemeinsam geht es per 1. Klasse nach Moskau, wo ein auf ihn persönlich zugeschnittener „Escape Room“ auf ihn wartet. Der Clou: Die ganze Aktion wird für die Follower live im Internet übertragen. Zuerst ist Cole wenig begeistert von einem schnöden „Escape Room“, hatte er sich für sein Jubiläum etwas originelleres gewünscht. Zu seiner Überraschung muss er jedoch erkennen, dass dies kein gewöhnliches Spiel ist, denn es geht schon bald nicht nur um sein Leben, sondern auch um das seiner Freunde.

Wir befinden uns in einer Zeit, in der Influencer die neuen Superstars geworden sind. Otto-Normal-Verbraucher, die ihre Follower den lieben langen an ihrem Leben teilhaben lassen und dies meistens mit Werbung für irgendwelche Produkte verknüpfen. Natürlich bietet sich dieser Trend an, in einem Film aufgegriffen und vielleicht sogar satirisch hinterfragt zu werden. Gerade im Horror-Genre sind solche Impulse herzlich willkommen. Allerdings bekommen Hoffnungsträger, die ein cleveres und vielleicht auch perfides Spiel mit dem gescholtenen Begriff erwarten einen ersten Dämpfer. FOLLOW ME macht rein gar nichts aus Elementen wie Streaming und dem zwanghaften Liefern von Content. Für die eigentliche Handlung ist es auch letztendlich völlig egal, ob Cole nun Influencer, Buchhalter, Verkäufer oder Hausmeister ist. Man merkt dem Film durchaus an, dass dieses Element lediglich benutzt wird, um eine neue Generation an Zuschauern anzusprechen, die in der stetigen Interaktion mit den Online-Persönlichkeiten stehen.

Das ist ein kleiner Wermutstropfen, interessieren uns doch die filmischen Qualitäten, die einen echten Schocker versprechen. Leider fehlt es auch hier FOLLOW ME an originellen Ideen. Die Promotion des Films lässt die Zuschauer glauben, hier handele es sich um einen Film der Macher von ESCAPE ROOM. Damit ist allerdings nicht der Kinohit aus dem letzten Jahr gemeint, sondern die günstige Variante gleichen Titels aus dem Jahr 2017, nach der so gar kein Hahn mehr kräht. Das merkt man dem hier vorliegenden Film zu jeder Sekunde an, besteht er doch aus einem Sammelsurium geläufiger Elemente, die man alle schon mal irgendwo gesehen hat. Während das erste Drittel versucht, uns die ziemlich austauschbaren Figuren näher zu bringen, denen wir den folgenden 90 Minuten beiwohnen dürfen, schmeißt einen das zweite Drittel mit Karacho in die „Escape Room“-Action, die dann auch deutlich mehr zu bieten hat, als die vorherige halbe Stunde. Zugegeben, die Charaktere sind nicht unbedingt hassenswert, nicht mal Poster-Influencer Cole, sondern schlichtweg egal und wenig memorabel. Immerhin kann FOLLOW ME ab diesem Zeitpunkt ein paar Qualitäten ausspielen.

Das Absolvieren der Aufgaben in dem russischen Kellergefängnis (Wo auch sonst, wenn nicht im Ostblock?) erweist sich als erstaunlich geerdet. Statt High-Concept-Räumen mit an Fantasy grenzenden Spielereien, gibt es rostige Zellen, in denen man mechanische Rätsel lösen muss. Hier kommt einem unweigerlich die SAW-Reihe in den Sinn, sehen die lebensbedrohenden Gefängnisse von Coles Entourage doch aus, wie rudimentäre Testversionen aus dem Bestand von Jigsaws Folter-Werkstatt. Eine eiserne Jungfrau mit mit Zahnrad-Mechanismus oder die 3-Liter-5-Liter-Knobelei aus STIRB LANGSAM 3 (1995), deren Lösung verhindern soll, dass Coles Freundin in einem Wassertank ertrinken muss, findet hier Verwendung. Das ist insofern ganz nett, da die Rätsel und die dazugehörigen Todesfallen noch realistisch gehalten sind und tatsächlich in der Realität so funktionieren könnten. Allerdings ist das vorhersehbare Szenario, welches gute Einzelmomente bietet aber nie wirklich überraschend ist, auch schnell wieder vorbei und Regisseur und Autor Wernick wirft uns direkt in eine harmlose Variante von Eli Roths Torture-Porn HOSTEL (2005). Hier werden Cole und seine Buddys russischen Folterknechten ausgeliefert, die mit ihren Opfer allerlei perversen Scheiß anstellen, zur Befriedigung eines betuchten Publikums, die sich gegen Kohle dem Geschehen per Stream beiwohnen. Auch hier bietet FOLLOW ME lediglich bekannte Versatzstücke, glatzköpfige Metzger mit Maske und Lederschürze inklusive.

Inhaltlich bietet der Film eben keine Überraschungen und reiht ein Versatzstück des 2000er Horrors an das nächste. Farblose Figuren in einem Szenario bei dem man sich immer wieder denkt „Ich weiß, was jetzt kommt!“. Dementsprechend lassen einen auch die Schicksale der einzelnen Protagonisten kalt. Auf den letzten Metern versucht Wernick dem Streifen doch noch etwas Klasse zu geben und zaubert einen fiesen Schlusstwist aus dem Hut, den man, wenn man nicht zu sehr an das Thema „Typ bekommt waghalsiges, gefährliches Geschenk“ denkt, auch als Überraschung empfinden kann, das stumpfe Gerüst aber auch nicht sonderlich aufwertet, denn an dieser Stelle ist es für Wendungen eigentlich schon zu spät. Inszenatorisch sieht man dem Film durch aus sein schmales Budget an. Schon die erste halbe Stunde zeigt Moskau lediglich aus der Konserve, die Szenen mit den Darstellern sind auffallend frei von russischen Impressionen und scheinen irgendwo anders aufgenommen worden zu sein. Auch in Sachen Gore hält sich FOLLOW ME erstaunlich zurück und bietet nur wenig explizite Gewalt. Zwar darf Cole in einer Szene einen Schlüssel aus menschlichen Innereien fischen, bleibt es für den Rest des Films der so ziemlich einzige Moment, in dem es Gekröse gibt. Der Rest geschieht im Ansatz oder wird gänzlich im Off abgehandelt. Hier hat man deutlich auf eine lockere Freigabe gesetzt, weswegen die deutsche Jugendfreiheit des Films (FSK 16) auch nicht verwundert. Die Darsteller sind solide, der ganze Rest aber leider nur maximal mittelmäßig.

Eigentlich hätte FOLLOW ME bereits im September erscheinen sollen, aufgrund der kurzfristigen Kino-Auswertung wurde der Release in den Dezember verschoben. Capelight Pictures bietet neben der Blu-ray- und DVD-Variante auch eine 4K-UHD-Disc an. Uns lag die blaue Scheibe vor, die mit sehr guter Bild- und Tonqualität glänzen kann. Als Extra gibt es jedoch leider nur den Trailer.

Fazit:
Mit FOLLOW ME (2020) landete ein weiterer kleiner Horrorschocker in den Kinos, der normalerweise direkt im Heimkino verramscht werden würde. Da gehört Will Wernicks vorhersehbarer und nur leidlich spannender Mix aus ESCAPE ROOM (2019), SAW (2004) und HOSTEL (2005) allerdings auch hin, denn wirklich Neues oder gar aufregendes wird der Fan hier nicht vorfinden. Wer allerdings seine Ansprüchen herunterschraubt und generell dem filmischen Fast Food nicht abgeneigt ist, der wird mit dem Film zumindest noch ausreichend bedient.

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