Obwohl ich den Großteil meiner Jugend in den heimischen Videotheken verbrachte, mit der scheinbaren Absicht, nach und nach das komplette Programm auszuleihen, gehört der hier besprochene Streifen zu den wenigen Filmen, an denen ich immer wieder im Regal vorbeigriff. Jetzt, wo WICKED VISION DISTRIBUTION GMBH den letzten Film mit Peter Cushing unter ihre Fittiche genommen haben, war es an der Zeit, diese Wissenslücke endlich zu schließen. Zumal ich derzeit mit meiner Tochter die alten Dracula-Filme der Hammer Studios durchschaue, in denen Cushing als cooler Van Helsing mehrfach auftrat. Doch wird auch dieser letzte Vorhang dem Kultschauspieler gerecht?

Originaltitel: Biggles

Regie: John Hough

Darsteller: Alex Hyde-White, Neil Dickson, Fiona Hutchison, Marcus Gilbert, Peter Cushing

Artikel von Christian Jürs

Zunächst ein kleiner Warnhinweis. Startet bitte nicht achtlos die Blu-ray oder DVD von Der Biggels Effekt – zumindest nicht, wenn ihr diese bereits im Player hattet und Eure Heimkinoanlage auf eine adäquate Filmlautstärke eingestellt habt. Denn auch wenn uns Wicked Vision in einer einleitenden Texttafel bereits warnt, dass es schwer war, einen brauchbaren deutschen Ton zu ergattern und die Spur sich dann doch als besser als gedacht herausstellt, ihr könntet Euer Gehör verlieren. Denn der, zugegebenermaßen saucoole, Wicked Vision-Teaser vor dem Hauptfilm ist im Gegensatz zu Letzterem in wuchtiger Lautstärke aufgespielt. Startet man also mit der optimalen Filmlautstärke neu, weckt man alle bereits sanft schlummernden Mitbewohner oder Nachbarn oder noch schlimmer…die Katze. Glaubt mir, ich spreche aus Erfahrung.

Kommen wir aber nun zum Hauptfilm: Jim Ferguson (Alex Hyde-White), ein junger New Yorker Geschäftsmann, ist gerade dabei eine Präsentation herauszuarbeiten, als das Unmögliche geschieht. Ein Blitz, der aus dem Nichts zu kommen scheint, befördert den Ahnungslosen in die Vergangenheit. Er landet im Jahr 1917, also in die Zeit des Ersten Weltkriegs, wo er sich an der Westfront wiederfindet. Dort benötigt der Pilot James ‘Biggles’ Bigglesworth (Neil Dickson) dringend Hilfe, um aus seinem abgestürzten Flugzeug befreit zu werden. Als kurz nach seinem Hilfseinsatz eine Bombe direkt hinter Jim detoniert, landet dieser wieder unsanft zurück im Jahr 1985. Zunächst zweifelt Jim an dem Erlebten und glaubt an einen bösen Traum. Als aber ein älterer Herr, der sich als Air Commodore William Raymond (Peter Cushing) vorstellt und nach Fotoaufnahmen des eigenartigen Ereignisses fragt, auftaucht, beginnt Jim seine Zweifel abzulegen. Raymond reist wieder zurück nach London, hinterlässt Jim jedoch seine Adresse. Als es abermals zu einem Zwischenfall kommt, bei dem der junge Mann in die Kriegsabenteuer von Biggels hineinkatapultiert wird, begibt sich Jim im Anschluss umgehend auf den Weg nach England, um von Raymond eine Erklärung für die Zeitsprünge zu erhalten. Dieser vermutet, es könnte sich bei Biggles um den „Zeitzwilling“ von Jim Ferguson handeln. Immer, wenn dieser in Gefahr gerät, springt Jim automatisch zurück in der Zeit, um Biggles retten zu können. Dies entpuppt sich als ungemein wichtig, denn Biggels ist der einzige, der die Deutschen, die eine neue Superwaffe entwickelt haben, stoppen und somit für ein geregeltes Ende des Ersten Weltkriegs sorgen kann. Das Chaos ist perfekt, als Debbie (Fiona Hutchison), ihres Zeichens Arbeitskollegin und Geliebte von Jim, diesem hinterher reist und ebenfalls durch den Zeitstrudel in die Vergangenheit gelangt. Wird es unseren Helden gelingen, die bösen Deutschen zu stoppen? Und funktioniert der Zeitstrudel auch in umgekehrter Reihenfolge? Fragen über Fragen.

Zeitreisegeschichten waren Mitte der Achtziger der heiße Scheiß. Nachdem 1985 Zurück in die Zukunft die Kinosääle aus den Nähten platzen ließ, sollte auch Der Biggels-Effekt von diesem Boom profitieren. Doch John Hough ist halt nicht Robert Zemeckis. Im Gegenteil, ziert Houghs Filmographie doch eher vergessenswerte Werke wie Bad Karma oder Incubus: Mörderische Träume. Auch Sequels wie Der Triumph des Mannes, den sie Pferd nannten (Teil 3!) oder Howling (Teil 4) dirigierte er. Wirkliche Highlights findet man in seiner Vita allerdings nicht. Das gilt leider ebenfalls für den hier vorliegenden Streifen.

Dabei sind die Zutaten nicht mal schlecht. Angefangen bei der Besetzung. Neil Dickson passt perfekt in die Rolle des heroischen Biggles (oder hierzulande halt Biggels), doch auch wenn der Schauspieler bis heute gut im Geschäft ist, der große Durchbruch gelang ihm nie. Selbiges gilt für Alex Hyde-White, in dessen Filmographie immerhin Werke wie Pretty Woman oder Indiana Jones und der letzte Kreuzzug zu finden sind, allerdings war er dort nur in kleinen Nebenrollen vertreten. Insbesondere er beweist sich hier als brauchbares Aushängeschild in Sachen verschmitzter Sympathieträger (hierzulande passend mit der Stimme von Benjamin Völz unterlegt). Genützt hat es seiner Karriere aber nichts, denn Der Biggels-Effekt wurde kein Kassenschlager. Egal, dafür ist Fiona Hutchison süß in der Rolle des Love-Interests und Marcus Gilbert gibt auch einen charismatischen Bösewicht ab. Und dann ist da ja auch noch Peter Cushing, der immer eine Bank ist. Am Stock gehend und von Alter, Krankheit und dem nie überwundenen Verlust seiner 1971 verstorbenen Frau gezeichnet, durfte er jedoch nur in wenigen Szenen als Erklärbär fungieren.

Und eben jene Erklärungen sind recht schwammig. Biggles und Jim sind wie erwähnt Zeitzwillinge, wie auch immer sich dies biologisch erklären lässt. Wieso, weshalb, warum – wer hier fragt, bleibt dumm. In den Vorlagen von Autor William Earl Johns, der Biggles als Romanreihe schuf, nachzulesen, dürfte wenige Erkenntnisse bringen, da die Zeitreisegeschichte erst nach dem Erfolg des Michael J.Fox Hits hinzugefügt wurde. Macht aber eigentlich nichts, da Der Biggels-Effekt ein hohes Tempo vorlegt und Erklärungen damit überflüssig macht. Doch die Actionszenen sind nicht unbedingt beeindruckend gefilmt, die Effekte, wie die reinkopierten Blitze, sind auch für damalige Verhältnisse eher Mittelmaß und der Soundtrack von Stanislas Syrewicz zerrt an den Nerven des Zuschauers. Erstaunlich, dass ausgerechet er den von mir so heißgeliebten Vampirstreifen Der Biss der Schlangenfrau ebenfalls musikalisch bereicherte. Am allerschlimmsten ist aber der grausame Titelsong „Do You Want to Be a Hero„, den Syrewicz ebenfalls komponierte. Ein ganz schlimmes Stück 80er-Musikkunst, welches heute völlig zu Recht in Vergessenheit geraten ist. Furchtbar vor allem, dass dieses Stück Musikrotze immer wieder im Film ertönt, sogar in Actionszenen. Weia.

Trotzdem weiss Der Biggels-Effekt aber ordentlich zu unterhalten – heute mehr als damals vermutlich, was am Achtzigerjahre-Retro-Charme liegt. Wer Filme wie D.A.R.Y.L. – Der Außergewöhnliche oder Condorman heute noch unterhaltsam findet, der wird auch hier seine helle Freude dran haben. Sowas drehen die heute gar nicht mehr. Ob das gut oder schlecht zu werten ist, müsst Ihr mit Eurem Geschmack ausmachen.

Sehr geschmackvoll ist aber definitiv die Veröffentlichung von Wicked Vision Distribution GmbH. Der Film erstrahlt in sehr guter Bildqualität (1,85:1). Der Ton ist, auch in deutscher Sprachfassung, trotz eingänglicher Warnung, eigentlich ebenfalls ziemlich gut (Deutsch und Englisch DTS-HD Audio Master 2.0). Untertitel sind optional in deutscher- und englischer Sprachfassung enthalten. Bonusmaterial ist, wie so oft bei Wicked Vision, tonnenweise vorhanden. So gibt es diverse Interviews, ein 25 minütiges Making Of, Musikvideos (jaaa….auch „Do You Want to Be a Hero„!!!), Trailer und TV-Spots, ein Computerspiel-Promo und vieles mehr. Die Extras liegen in englischer Sprachfassung mit dt. Untertiteln vor. Ein Booklet von Christoph N. Kellerbach gibt es natürlich oben drauf. Die drei Covermotive sind jeweils auf 333 Stück limitiert.

Trailer:

Zurück zur Startseite