„Der wohl brutalste Zombiefilm aller Zeiten!“. Mit dieser Zeile wird fleißig für THE SADNESS (2021) geworben, ein taiwanesischer Schocker, der im vergangenen Jahr auf dem Fantasy Film Fest für Furore sorgte und Anfang Februar über die deutschen Kinoleinwände flimmern durfte, inklusive FSK-Segen für die ungekürzte Fassung. Für die Heimkino-Veröffentlichung sah die Sache aber weniger rosig aus und so mussten Capelight Pictures bei der SPIO-Kommission vorstellig werden, die dem blutrünstigen Streifen „keine schwere Jugendgefährdung“ attestierten. Nun kann sich jeder Gore-Fan selbst ein Bild machen, denn nach einer Media- und Steelbook-Auflage für eifrige Sammler erscheint nun die günstigere Amaray-Variante. Hier könnt ihr nochmal unsere Kritik nachlesen.

Originaltitel: Ku bei

Drehbuch & Regie: Robert Jabbaz

Darsteller: Ying-Ru Chen, Ralf Chiu, Wei-Hua Lan, Regina Lei, Emerson Tsai, Tzu-Chiang Wang…

Artikel von Christopher Feldmann

Es sind komische aber doch irgendwie goldene Zeiten für Horrorfans, insbesondere für jene der härteren Gangart. Diese hatten es in Deutschland nie leicht, sorgten unsere Sittenwächter doch stets dafür, dass das empfindsame Volk nicht mit zu vielen Brutalität in Berührung kam, ergo wurde hierzulande stets fleißig indiziert und beschlagnahmt und am besten noch zusätzlich gekürzt. Die Zeiten in denen man zu Importen greifen musste, um an ungeschnittene Fassungen heranzukommen, sind dem Himmel sei Dank allerdings vorbei, hat sich doch gerade beim Thema Zensur einiges geändert. Nach und nach erscheinen ehemals verbotene Perlen des Genrefilms in schicken Neuauflagen auf dem Markt, frei verkäuflich im Kaufhaus an der Ecke. Filme, die vor Jahren noch „keine Jugendfreigabe“ bekommen hätten, dürfen sich nun mit dem 16er-Siegel schmücken. Die Sittenwächter sind gnädiger geworden, differenzieren mehr als sie es jemals getan haben und trotzdem erscheint alle paar Jahre ein Film, der für hitzige Diskussionen sorgt. Der taiwanesische Infizierten-Horror THE SADNESS (2021) ist einer dieser Filme und dürfte dem Prüfungsausschuss der FSK wahrscheinlich erstmal sprichwörtlich vor die Füße geschissen haben, was auch der Grund dafür gewesen sein dürfte, dass dem taiwanesische Blutbad von Regie-Debütant Robert Jabbaz die Freigabe erstmal verweigert wurde. Capelight Pictures ging allerdings in Revision und im zweiten Anlauf kassierte die filmische Schlachtplatte schließlich das erhoffte 18er-Siegel, ohne dass man Kürzungen vornehmen musste. Das ist insofern erstaunlich, da THE SADNESS (2021) das härteste Stück Film sein dürfte, dass man seit langer Zeit oder auch überhaupt noch nie im Kino gesehen hat. Für die Heimkino-Auswertung hatte das Label weniger Glück, verweigerten die Sittenwächter dem Film doch die Erwachsenenfreigabe, weshalb die Juristen zur Prüfung antreten mussten und dem Ganzen das pechschwarze Siegel aufdrückten. Aber das ist ja heutzutage alles kein Problem mehr, denn es fand keine Indizierung statt, weswegen eigentlich jeder in den Genuss des Films kommen kann, wenn er denn will. Denn auch wenn das, von der derzeitigen Corona-Krise inspirierte, Werk auf dem Papier eher dünn ausfällt, Fans handgemachter und ziemlich heftiger Splatterszenen werden hier ihre helle Freude haben.

Handlung:

In Taiwan breitet sich eine aggressive Mutation des neuartigen Alvin-Virus aus, doch das Land ist gespalten, wie es mit der Pandemie umgehen soll. Während die Regierung den Ernst der Lage herunterspielt, müssen die Menschen auf den Straßen um ihr Leben kämpfen. Die Straßen werden mehr und mehr bevölkert von sadistischen, sexuell enthemmten Monstern, die die Stadt in ein regelrechtes Blutbad verwandeln. Mord, Folter, Vergewaltigung und andere Gewaltexzesse nehmen eine verstörende Eigendynamik an. Inmitten des grausamen Gemetzels setzt der junge Junzhe (Tzu-Chiang Wang) alles daran, seine Freundin Kai Ting (Regina Lei) zu finden, die er am Morgen noch am anderen Ende Taipehs zu ihrer Arbeit gebracht hat. Auf der Suche nacheinander müssen sie bis zum Äußersten gehen, um eine Chance auf das Überleben zu haben.

Regisseur und Autor Robert Jabbaz ist ein recht sympathischer und auch ziemlich ehrlicher Zeitgenosse, ließ er doch erst kürzlich in einem Interview verlauten, dass THE SADNESS lediglich deshalb entstanden ist, weil Taiwan das Corona-Virus als eines der wenigen Länder erstaunlich gut im Griff hatte und das Drehen von Filmen somit relativ unbeschwert möglich war, während Produktionen weltweit entweder pausieren oder aufwendige Sicherheitsmaßnahmen einhalten mussten, um überhaupt fertiggestellt werden zu können. Die Zeit war also günstig, Jabbaz bekam Geld, mit dem Auftrag etwas abzuliefern, am besten vor dem Hintergrund einer Pandemie. Fertig war THE SADNESS.

Den Horrorfilm dabei als „Zombiefilm“ zu bezeichnen ist eigentlich ziemlicher Quatsch, zwar bedient sich Jabbaz bei diversen Tropes des Genres, die infizierten Antagonisten sind aber immer noch denkende Menschen und lassen die modrigen Menschenfresser alá THE WALKING DEAD (2010-2022) wie Schulkinder mit Flausen im Kopf aussehen. Bevor wir uns aber dem Gewaltpegel widmen, ein paar Worte zur Handlung, wenn man diese so bezeichnen kann. Leider ist diese ziemlich dünn und fokussiert sich auf ein Pärchen, das in Mitten der Ausschreitungen und des Chaos wieder zueinanderfinden will. Dass dies natürlich nur Mittel zum Zweck ist, um beide durch diverse Gewalteskalationen schreiten zu lassen, dürfte dem Zuschauer schnell klar werden. Menschen sind in THE SADNESS lediglich Staffage, was auch ein Grund dafür ist, dass der Film trotz exzessiver Härten nie das Shock-Value eines A SERBIAN FILM (2010) erreicht, dafür fehlt ihm die Tiefe und das Investment in seine Figuren, damit der geneigte Zuschauer auch mitgehen kann.

Immerhin lässt es sich Jabbaz nicht nehmen, eine Handvoll Bezüge auf die Corona-Pandemie einzustreuen. Diese stellen insbesondere die Hilflosigkeit der Politik zur Schau, sind aber schlussendlich nicht mehr als schmuckes Beiwerk. THE SADNESS ist im Grunde klassisches Exploitationkino, welches in sich genüsslich in seinen Gewaltexzessen suhlt. Und um die Frage, die sich wahrscheinlich jeder stellt, zu beantworten: Ja, der Film ist knüppelhart und mit das derbste, was es seit langer Zeit zu sehen gab. Zwar verfehlt Jabbaz eine tiefer gehende Wirkung, aufgrund der narrativen Leere, rein grafisch geht er jedoch in die Vollen. Da die infizierten Menschen eben nicht nur töten, sondern auch genüsslich foltern und vergewaltigen, sprich ihre niedersten, sadistischsten Triebe ausleben, geht das Spektakel noch deutlich mehr an die Nieren als ein herkömmlicher Zombiefilm. Hier werden nicht nur Augen herausgerissen, Körperteile abgetrennt und Schädel zertrümmert, sondern auch Frauen in die Augenhöhle vergewaltigt und auch eine blutige, völlig überspitzte Sexszene gilt es zu „bewundern“. Zwischen all dem Splatter ist sexuelle Gewalt ein Thema, was den Streifen eine sehr nihilistische Note verleiht.

Zumindest beweist der Regisseur genug Fingerspitzengefühl, um nicht in jedem Exzess mit der Kamera bedingungslos draufzuhalten. Gerade bei Szenen, in denen es wirklich sehr weit geht und auch wirklich äußerst unangenehm wird, hat Jabbaz genug Anstand um auch mal weg zu blenden und das Kopfkino des Zuschauers anzuregen. Zudem erzeugt er stets eine sehr grimmige und fiese Grundstimmung, in dem er in manchen Momenten wirklich völlig überdreht und dem Zuschauer aufgrund der comicartigen Gewalt fast schon ein Lachen abringt, welches einem dann förmlich im Halse stecken bleibt. Immer wenn THE SADNESS im Begriff ist, zum Fun-Splatter zu werden, bekommt man eine Spitze um die Ohren gehauen, die so gar nicht lustig ist. Dabei ist der Film vor allem ein Showcase für das Make-Up-Department, denn die ausschließlich handgemachten Effekte sind erste Sahne und sehen durchweg fantastisch aus. Selbst das Platzen eine Kopfes sah man nicht mehr so eindrucksvoll wie in SCANNERS (1981) von David Cronenberg. Es ist tatsächlich plausibel, dass Capelight Pictures Probleme bei der Altersfreigabe hatte und Revision einlegen musste, denn noch vor zehn Jahren hätte man einen Film wie diesen hier sofort beschlagnahmt und am besten noch vernichtet. Ein echtes Wunder, dass man ihn im Kino wie auch auf Scheibe ungeschnitten genießen konnte bzw. kann. Eine Chance, die man als Fan des harten Horrors durchaus wahrnehmen sollte.

Für alle Sammler und Freunde des physischen Mediums erschien THE SADNESS sowohl im schicken Mediabook, als auch im Steelbook, wobei beides je mit der UHD-Scheibe und auch der Blu-ray bestückt ist. Nun erscheint auch die Amaray-Version für den kleinen Geldbeutel. Das Bild kommt mit hervorragender Schärfe daher, der Ton ist schön wuchtig. Ein Behind-the-Scenes-Featurette, ein Interview mit dem Regisseur und der Trailer befinden sich als Bonus auf der Scheibe.

Fazit:

THE SADNESS (2021) ist nicht der härteste Film aller Zeiten, dafür fehlt dem taiwanesischen Schocker einfach zu viel Fleisch im Drehbuch, um auch psychologisch wirklich an die Nieren zu gehen. Grafisch liefert Regisseur Robert Jabbaz hingegen komplett ab und brennt ein wahres Gore-Feuerwerk ab, das kaum vor etwas halt macht, dabei aber aufgrund seiner tollen Effektarbeit aber immer grandios gut aussieht. Ein Film, bei dem sich die Splatter-Kiddies und Gore-Bauern die Finger lecken werden aber auch als beinharter Infected-People-Horror hat das Ganze seine Qualitäten.

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