Bevor kommenden Donnerstag in einer neuen Adaption von Bram Stokers klassischer Dracula-Geschichte die Demeter ihre letzte Fahrt unternimmt, kredenzt euch Universal Pictures Home Entertainment eine weitaus frischere Neuinterpretation des kultigen Blutsaugers. In RENFIELD (2023) steht aber gemäß dem Titel nicht der Fürst der Finsternis im Zentrum, sondern dessen Insekten vertilgender Diener, der so langsam die Beziehung zu seinem durstigen Arbeitgeber in Frage stellt. Wir verraten euch, ob die rasante wie auch blutige Horrorkomödie unterhalten kann, denn immerhin sind die Erwartungen entsprechend hoch, wenn sich hier schon Nicolas Cage als Ober-Vampir die Ehre gibt.

Originaltitel: Renfield

Drehbuch: Ryan Ridley, Robert Kirkman

Regie: Chris McKay

Darsteller: Nicholas Hoult, Nicolas Cage, Awkwafina, Ben Schwartz, Brandon Scott Jones, Shohreh Aghdashloo…

Artikel von Christopher Feldmann

Es ist mitunter ein schwieriges Unterfangen, Vampirfilmen, insbesondere denen, die sich mit der Figur des Dracula beschäftige, irgendetwas Neues hinzuzufügen. In den letzten Jahren versuchten sich immer wieder Autoren und Regisseure an einer Neuinterpretation des Romans von Bram Stoker, entweder als Mini-Serie für die BBC wie im Fall von DRACULA (2020) oder als unsägliche Gimmick-Veranstaltung wie DRACULA 3D (2012) von Giallo-Altmeister Dario Argento, über die jeder Filmfan gerne den Mantel des Schweigens hüllt. Dabei greift man immer wieder auf die Originalgeschichte zurück, die seit NOSFERATU – EINE SYMPHONIE DES GRAUENS (1922) immer wieder durchgekaut wurde. Auch der kommende DIE LETZTE FAHRT DER DEMETER (2023) macht da keine Ausnahme, wird doch lediglich ein Kapitel der Geschichte in Spielfilmlänge erzählt. Ganz anders ging man allerdings bei RENFIELD (2023) zu Werke, denn die Horrorkomödie, die sich als Quasi-Sequel zur klassischen Romanverfilmung von 1931 versteht, behandelt einen neuen Aspekt. Im Film geht es nämlich um die toxische Beziehung zwischen dem Grafen und dessen titelgebenden Diener, der sich langsam aber sicher an der eigenen Emanzipation versucht. Ein frischer und erstaunlich witziger Ansatz, den man mit reichlich blutiger Action aufgemotzt hat, die zwar das Ganze zwar etwas verwässert aber in ihrer Konsequenz richtig Laune macht.

Handlung:

Seit Jahrzehnten schon ist Renfield (Nicholas Hoult) seinem Herrn und Meister Dracula (Nicolas Cage) treu ergeben. Das hat Vorteile. So kann ihn der untote Vampir heilen. Er altert nicht mehr. Futtert er Käfer oder andere Insekten, entwickelt er sogar kurzzeitig außergewöhnliche Kräfte. Allerdings muss er dafür auch regelmäßig nichtsahnende und unschuldige Opfer besorgen, um sie seinem Boss zu servieren. Doch eben das macht Renfield zunehmend zu schaffen, sein Gewissen spielt da nicht mehr mit. Außerdem belastet ihn das Verhältnis allgemein, fühlt er sich in seiner Rolle doch nicht ernst genommen. Damit ist er nicht der einzige: In einer Selbsthilfegruppe lernt er diverse Leute kennen, die alle unter toxischen Beziehungen zu leiden haben. Dort hat er eine Idee, wie er aus diesem Dilemma wieder herausfindet und trifft dabei über Umwege auf den Verbrecher Tedward Lobo (Ben Schwartz) und die Polizistin Rebecca (Awkwafina

Dass RENFIELD sich als Fortsetzung des Klassikers DRACULA (1931) mit Bela Lugosi versteht und dies sogar mit einem Flashback im Stil alter Universal-Monster-Filme unterstreicht, ist für das Verständnis der Story eher unerheblich. Zwar sollte man den zu den berühmtesten Stoker-Adaptionen zählenden Film durchaus mal gesehen haben, durch die Verankerung in der Popkultur weiß aber mit Sicherheit jeder, was der Geschichte vorausging. Die Sequel-Andeutung ist aber nicht der eigentliche Clou, sondern die Beziehung zwischen dem Fürsten der Finsternis und seinem Diener, denn diese wird in den Kontext klassisch toxischer Partnerschaften gesetzt. „Renfield“ genießt im Dienst seines Herrn zwar einige Vorurteile, jedoch plagt ihn sein Gewissen, muss er den schon halb vermoderten Grafen doch nicht nur bei Laune halten, sondern ihm auch regelmäßig frisches Blut liefern. Das führt dazu, dass sich der Knecht Draculas einer Selbsthilfegruppe anschließt, in erster Linie um über Opfer toxischer Beziehungen an diejenigen heranzukommen, die den Tod in seinen Augen verdienen. Dass „Renfield“ aber in den Sitzungen nach und nach feststellt, selbst in einer solchen Bezuehung festzustecken, ist der beste Einfall des Films und sorgt für richtig gute Gags.

Es werden nicht nur Beziehungsklischees verhandelt, auch die Emanzipation des Dieners gestaltet sich als großer Spaß für den Zuschauer, muss er doch erst lernen wie es ist, unter normalen Menschen in der modernen Welt zurechtzukommen, verbrachte er doch die letzten Jahrhunderte stets an der Seite des Blutsaugers. Dass die Chose so gut funktioniert liegt in erster Linie an den glänzend aufgelegten Hauptdarstellern. Nicholas Hoult, der seine Karriere an der Seite von Hugh Grant in der Nick-Hornby-Verfilmung ABOUT A BOY (2002) begann, macht einen fantastischen Job und brilliert als eingeschüchterter Außenseiter, der sein eigenes Leben hinterfragt. Der Scene-Stealer ist aber erwartungsgemäß Nicolas Cage, der sich mit seiner Rolle als Vampirfürst einen Lebenstraum erfüllt hat und ordentlich vom Leder zieht. Dem Hollywoodstar ist die grenzenlose Spielfreude anzumerken, zumal er nicht nur für fünf Minuten durchs Bild huscht, sondern einen gewichtigen Part einnimmt.

Auch die restlichen Darsteller machen einen guten Job, vor allem Ben Schwartz als Möchtegern-Gangsterboss und Awkwafina als Polizistin, die mit „Renfield“ irgendwann ein sympathisches Duo bildet und ihren gewohnt trockenen Humor zum Einsatz bringen darf. Doch in RENFIELD ist nicht alles Gold was glänzt, spielt der Film seine besten Ideen doch nicht konsequent aus. Stattdessen bildet der Konflikt zwischen dem toxischen Gespann eher den Rahmen für eine Handlung, die sich irgendwann auf einen Erzählstrang konzentriert, der sich um die örtlichen Mafiafamilien dreht. Dieser Gangsterplot ist recht gewöhnlich und überraschungsfrei, hat man so etwas doch schon in unzähligen anderen Filmen gesehen. Somit geht die Originalität etwas verloren und der eigentliche Aufhänger wird schnell zum Nebenschauplatz. Hier wäre es wirklich besser gewesen, wenn man sich vollständig auf die Dracula/Renfield-Idee gestützt hätte.

Dass Regisseur Chris McKay sichtlich Mühe hat, irgendetwas interessantes aus dem Bandenkrieg herauszuholen, fährt er eine Reihe Actionszenen auf, in denen Nicholas Hoult seine „Superkräfte“ einsetzten darf, wird er nach reichlich Insektenkonsum doch zu einer Art „John Wick“, der es mit reihenweise Schergen aufnehmen darf. Inszenatorisch kommt das Ganze aber natürlich nicht ansatzweise an den Standard heran, den Keanu Reeves zuletzt präsentieren durfte. Zwar lässt McKay das Blut ordentlich spritzten und nicht selten gibt es comicartigen Splatter zu bewundern, mit der Zeit nutzt sich das aber merklich ab. Da RENFIELD aber nur schlanke 90 Minuten lang ist, kommt selten Langweile auf und die Darsteller trösten über so manch uninspirierte Idee und die ein oder andere wackelige Actionsequenz hinweg.

Uns lag zur Ansicht die Blu-ray aus dem Hause Universal Pictures Home Entertainment vor. Bild- und Tonqualität sind absolut auf der Höhe, auch wenn dadurch ein paar mittelprächtige CGI-Effekte schnell ersichtlich sind. Im Bonusmaterial gibt es zahlreiche Featurettes zu bewundern, sowie einen Audiokommentar, Deleted Scenes und das Making-Of zu einer unveröffentlichten Szene. Ein Wendecover ohne FSK-Flatschen ist ebenfalls an Bord.

Fazit:

RENFIELD (2023) ist eine unterhaltsame Horror-Action-Comedy-Sause mit einem cleveren Aufhänger, guten Gags und reichlich Blut. Zwar gestaltet sich der Mafia-Plot etwas mau, doch das Tempo ist so hoch, dass man als Zuschauer trotzdem großen Spaß hat, zumal Nicolas Cage als „Dracula“ so richtig aufdrehen darf. Ein kurzweiliger und sympathischer Streifen für das abendliche Programm.

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