Als ich 1975 das Licht der Welt erblickte, hatte ich Gelbsucht. Die habe ich zwar fix überstanden, doch mittlerweile ist sie zurückgekehrt. Allerdings nicht in Form von gelblicher Haut, sondern als Fan italienischer Thriller, sogenannter Giallis, was übersetzt „gelb“ bedeutet. Doch genug der Scherze, jetzt wird´s ernst, denn aus dem Hause CREEPY IMAGES erschien kürzlich der erste Band einer vierteiligen Buchreihe, verfasst von Thorsten Benzel, in dem die Kinoplakate der Sechziger Jahre-Gialli aufwendig rekonstruiert- und mit reichlich Hintergrundinformationen abgebildet wurden. Ein Fest für Filmfans, welches ich mit Euch zelebrieren möchte.

Autor: Thorsten Benzel

208 Seiten – farbig

Artikel von Christian Jürs

Schaut man sich die aktuellen Filmplakate in den Schaukästen der Kinos an, so blickt man meist auf die immergleichen Photoshop-Widerlichkeiten. Ich denke da zum Beispiel an die derzeit immer noch populären Superheldenfilme, deren Motive austauschbar sind und irgendwie alle gleich ausschauen.

Das war mal anders. Denke ich an meine Kindheit und Jugend zurück, so zierten abwechslungsreiche, und vor allem optisch ansprechende, Filmplakate mein Zimmer. Von Indiana Jones und der letzte Kreuzzug, einem Plakat, dass so voller Action vollgestopft war, dass alleine das Betrachten des Posters Bilder im Kopf entstehen ließ, bis hin zu Gremlins – Kleine Monster, wo zwei unheimliche Augen und zwei Pfoten aus einer Pappschatulle hervorlugten – die Arbeiten waren höchst kreativ und versprühten bereits Atmosphäre. Doch diese Bilder sind heute gar selten, ersetzten Verleiher wie zum Beispiel MGM doch immer wieder die schönsten Kinoplakate gegen hässliche Fotocover bei ihren Neuveröffentlichungen. Warum? Dass wissen die Verantwortlichen wohl selbst nicht so genau.

Doch hier soll es diesmal um deutlich ältere Filmposter gehen, gemalt von echten Künstlern. Der italienische Gruselkrimi der Sechziger ist Thema in Band Numero Uno der Giallo Movie Posters. Diese Filme fanden ihren Anfang als Heftromane, die sogenannte letteratura gialla, die in Italien äußerst populär war. Diese Heftchen kamen zumeist im gelben Einband mit kreisförmigem Bild daher, ganz so, wie dieses Fotobuch.

Was bei uns der Edgar Wallace-Krimi war, in dem Joachim Fuchsberger, Klaus Kinski und Eddi Arent für Spannung, Grusel und Heiterkeit (!) sorgten, war dem Italiener sein Giallo, in dem Spannung und Grusel deutlich markanter vorkamen und Heiterkeit oftmals durch Sex und Gewalt ersetzt wurde. Die Italiener waren filmisch im Erwachsenensektor halt schon damals etwas weiter als der piefige Deutsche. Lustigerweise waren die letzten Edgar Wallace-Streifen in den Siebzigern dann auch Co-Produktionen mit italienischen Filmfirmen, in denen es deutlich härter zur Sache ging und die dem Giallo-Genre zugehörig sind. Doch heute wollen wir uns erstmal mit den Anfängen, also den Sechzigern, befassen.

In den ersten Seiten des vorliegenden Buches kommt Autor Thorsten Benzel mit einer Einleitung (in deutscher und englischer Sprache) zu Wort und erklärt uns die Entstehungsgeschichte der ersten, italienischen Gruselkrimis und wie die Deutschen darauf schielten (nicht umsonst lautet der Titel von Das Grauen von Blackwood Castle in Italien Giallo Cobra). Auch die späteren Einflüsse des Genres, etwa bei Brian De Palmas Dressed to Kill, bleiben nicht unerwähnt. Das Buchprojekt brauchte übrigens stolze zehn Jahre, ehe man sich traute, die kostspielige und arbeitsintensive Aufarbeitung der originalen Kinoplakate in Angriff zu nehmen und abzuschließen. Einige der Bilder lagen nur noch in minderwertiger Qualität vor und mussten von Grund auf restauriert werden. Vom ursprünglichen Zustand bemerkt man beim Verschlingen von Giallo Movie Posters – Volume 1: 1961 – 1969 aber nichts mehr, die Bilder sehen aus, als kämen die Plakate geradewegs frisch aus der hiesigen Druckerei.

Bereits auf Seite 12 geht es dann auch schon los mit einem Film aus dem Jahr 1961: Trauen Sie Alfredo einen Mord zu? mit Marcello Mastroianni. Noch kein typischer Genrevertreter, aber die Weichen waren gestellt.

Die drei Gesichter der Furcht, Blutige Seide usw. – Im Anschluss geht es Schlag auf Schlag weiter. Teilweise mit bekannten Genreklassikern, aber auch mit vielen Werken, die hierzulande nie veröffentlicht wurden. Ich könnte hier ausführliches Namedropping betreiben, doch möchte ich Euch nicht den Spaß am Schmökern nehmen und spreche stattdessen Bewunderung für die außerordentliche Arbeit aus. Die Bilder sind gestochen scharf und farbenfroh – es werden stets Poster- und Aushangbilder aus verschiedenen Ländern abgebildet und informative Texte dazugereicht.

Mögen die echten Highlights auch erst in Ausgabe 2 auftauchen, also Werke von Regielegenden wie Dario Argento oder Lucio Fulci, so lohnt sich dieser Band trotzdem. Immerhin sind Regisseure wie Mario Bava, Umberto Lenzi oder Antonio Margheriti ebenfalls bei Fans populär und ebenso berüchtigt.

Auf den letzten Seiten gibt es einen kleinen Ausblick auf den Folgeband, eine Auflistung und Aufdröselung der unterschiedlichen Plakatformate und natürlich einen Index als Überblick.

Chapeau, Herr Benzel, das Buch sieht toll aus, ist informativ und macht Lust auf mehr. Noch diesen Winter soll Band 2 erscheinen. I can hardly wait. Zum Abschluss präsentiere ich Euch noch das Buch-Vorstellungsvideo von Playzocker Reviews, welches einen genauen Einblick bietet (ich empfehle aber, den Ton zu minimieren, Zocki neigt zu lautstarken Gefühlsausbrüchen – ich muss es wissen, besuche ich ihn doch regelmäßig). Ach ja, kauft das Teil. Die fälligen 24,50€ sind hier gut investiert.

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