Im Interview erzählen die beiden Regisseure Beck und Woods davon, wie sie in ihrer Jugend, quasi bis in die Gegenwart hinein, ständig Gespräche mit Freunden und Verwandten über den Sinn und Unsinn von Religionen diskutierten. Ergebnissoffen und mit allerlei Konfessionen kamen dabei viele Gespräche zustande. Das fanden sie so spannend und faszinierend, dass sie schon vor Jahren beschlossen, diese Diskussion in die Form eines Thrillers zu bringen, in dem die Gefahr nicht auf körperliche Konfrontation ausgelegt ist, sondern auf den Dialog. Ein Kammerspiel, in dem zwei Glaubensschwestern von einem sympathischen Religionspsychopathen auf ihren Glauben hin geprüft werden. Hugh Grant verwickelt die beiden Missionarinnen in ein intellektuell geschliffenes Gespräch, das an sich schon eine Bedrohung ist, gäbe es da nicht noch dieses Haus, dass der in Feinmechanik bewanderte Irre mit einem Uhrenwerk-Timer verriegelt hat. Damit der Film sich nicht in ein abgefilmtes Theaterstück verwandelt, heuerte man den erfahrenen Oldboy-Kameramann Chung-hoon Chung an, der sich in diesem düsteren und beengten Setting sehr wohl fühlte und mit seiner ruhigen Kameraführung großartiges leistete. Ein Thriller, der im Grunde ein langer Dialog ist, birgt von sich aus eine große Gefahr in sich: die Passivität der Figuren. Trotz einiger Stärken tappt Heretic genau in diese Falle hinein. PLAION PICTURES bringt uns den Film nun ins Heimkino.

Regie: Scott Beck & Bryan Woods

Darsteller: Hugh Grant, Sophie Thatcher, Chloe East

Artikel von Kai Kinnert

Als ihnen der charmante Mr. Reed (Hugh Grant) grinsend die Pforten zu seinem Haus öffnet, tappen Schwester Paxton (Chloe East) und Schwester Barnes (Sophie Thatcher) nichts ahnend in seine Falle. Die Flucht aus dem labyrinthischen Anwesen wird zum perfiden Versteckspiel, bei dem sich die beiden Missionarinnen nicht allein auf ihren Glauben verlassen können.

Handwerklich ist das ein ansprechender, sorgfältig inszenierter Film geworden. Besetzung, Kamera und Licht, Ausstattung und Musik sind gekonnt, da gibt es nichts zu meckern. Auch die Idee ist gut, Spannung durch ein Gespräch aufzubauen und so die Schlinge langsam um den Hals der Protagonisten zuzuziehen. Die Regisseure haben für ihr Drehbuch lange zu Religionen recherchiert und vieles an kontroversen Überlegungen in einen geschickt angelegten Dialog gegossen. Man merkt, dass die Regisseure ein Anliegen hatten. Und man merkt, dass Hugh Grant so richtig „Bock“ auf das Drehbuch hatte und vollends in den langen, man kann schon fast sagen: Monologen, aufgeht. Er macht einfach eine gute Figur als Psychopath, eben gerade durch diese gute Kameraführung und auch weil er den Irren nicht als körperliche Bedrohung spielt, sondern einfach durch seine Worte die Entschlossenheit und Ausweglosigkeit der Situation als Bedrohung zementiert. So landen die beiden Glaubensschwestern dann auch schon nach wenigen Minuten Laufzeit bei Hugh Grant in der Stube und kommen nicht mehr weg. Der Typ verwickelt sie in ein Gespräch, dem beide erst dankbar und naiv folgen, bis sie merken, dass man hier vielleicht lieber mal abhauen sollte. Doch da ist es zu spät, die Türen sind verriegelt. Stattdessen bekommt man zwei Kellertüren zur Auswahl, durch die man ja das Haus verlassen könnte. Die Türen heißen „Glaube“ und „Nichtglaube“.

Als der Film an diese Stelle kommt, habe ich auf die Uhr geschaut. Das kam mir alles sehr lang vor, denn schon nach knapp acht Minuten stehen die beiden Mädchen bei Hugh Grant im Wohnzimmer, und er redet und redet und redet und… redet. Der Monolog ist gut geschrieben, definitiv, aber Hugh Grant redet die jahrelange Recherche der Autoren als geschliffenen Text herunter und wir, die Protagonistinnen und der Zuschauer, sind zum Zuhören verdammt. Die Mädchen stehen da, geraten in Gefahr und machen: nichts. Das können sie ja auch nicht, da jede weitere Entwicklung in diesem Film sich nur über den nächsten Dialog ergibt, der zwar mit einer gewissen körperlichen Aktivität einher geht (man wechselt das Zimmer), dann aber von dem nächsten langen Text getragen wird. Als sich die beiden Mädchen nun für eine Tür entscheiden müssen, und sich so der Film in den nächsten Abschnitt aus Bedrohung & Fluchtmöglichkeit verschiebt, sind 45 Minuten vergangen.

Was folgt, ist die nächste Überlegung der Mädchen, irgendwie aus diesem Haus, nun also ein Keller, zu entkommen, was dann einige Minuten später zum nächsten langen Dialog führt. Hugh Grant kommt in den Keller und redet. Dieses Mal geht es um Tod und Wiederauferstehung. Die Mädchen müssen zuhören. Der Film baut also die Spannung weiter auf, verdonnert seine beiden Hauptdarstellerinnen aber dazu, sich auch diesen Text von Hugh Grant anhören zu müssen und behindert so ihre Aktivität, in die jede Passivität von Protagonisten einmal umschlagen müsste, denn sonst bleibt das Drehbuch stehen und zerfällt in Zähigkeit. Es gibt zwar kleinere Momente und Andeutungen, dass sich die Mädchen vielleicht auch mal wehren könnten, aber im Großen und Ganzen ist auch das nur eine weitere Passivität, denn wer seine Spannung und ihre Katharsis rein über den Dialog abbauen möchte, kann den Trick vom Umschlagen der Passivität in Aktivität nur ein einziges Mal im Dialog als Überraschung leisten. Die Mädchen warten also auf den Moment, wo sie den Spieß umdrehen können, Hugh Grant also durch einen Dialog so aus der Fassung bringen, dass eine Flucht möglich ist. Und so wartet auch der Zuschauer auf diesen Moment. Eine Stichwaffe konnten sie schon unauffällig in ihren Besitz nehmen. Im Keller kommt es dann zu einem skurrilen Experiment, bei dem die beiden Glaubensschwestern aber auch wieder nur zusehen können.

Im weiteren Verlauf kommt es zwar zu einem Fluchtversuch, aber man weiß sofort, dass dies nur einer zeitlichen Dehnung der Spannung dient, denn eine dramatische, körperliche Auseinandersetzung ist nicht Teil der Filmidee, daher kann das eigentliche Finale nur ein Dialog sein, der dann vielleicht noch in einem kurzen Einsatz einer Stichwaffe mündet. Es dauert dann auch über 80 Minuten, bis der Film endlich diesen einen Moment erreicht, in der eine Glaubensschwester plötzlich verbal Oberwasser bekommt und Hugh Grant so in Bedrängnis bringt, dass eine Flucht möglich wäre. Bis dahin sind die Mädchen allerdings – mehr oder weniger – nur der Zuhörer von Hugh Grants Ausführungen. Ihnen bleibt nur das Warten auf den richtigen Moment, und das zieht sich hin. Nach über 80 Minuten schlägt die Passivität kurz in Aktivität um, was Minuten später dann wieder in einem Dialog mündet, der dann die endgültige Entscheidung bringen wird.

Heretic hatte viel vor, verlor sich dann aber in einem sorgfältig geschriebenen, aber sehr selbstverliebtem Dialog zum Thema Religionen. Für mich standen die beiden Hauptdarstellerinnen gut 85 Minuten vor Hugh Grant herum und konnten nicht mehr machen als Zuhören. Kurze Versuche des Widerstands münden in einem weiteren Dialog. Diese angedichtete Passivität nervte mich zutiefst, baute der Film doch eine konstante Spannung auf, ohne sie jedoch bei den Hauptfiguren so ankommen zu lassen, dass sie aktiv werden und um ihr Leben kämpfen würden. Die Regisseure wollten ein textlastiges Kammerspiel schreiben, bei dem sich der Thrill´ und die Auseinandersetzung nur durch Worte ergeben sollten. Fast wäre es ihnen gelungen.

Das Bild der gesichteten Blu-ray ist sauber, satt und klar, der Ton ist gut. Als Extras gibt es einen Audiokommentar mit den Regisseuren Scott Beck und Bryan Woods, Interviews und Trailer. Das Mediabook verfügt, laut Verleiherangabe, außerdem über ein umfangreiches Booklet.

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