Die Wise Guys sangen es bereits „Das ist der Hammer“ – Anolis liefert uns einmal mehr den Beweis, dass die legendären Hammer-Studios nicht nur in der Lage waren, Gothic Horror zu inszenieren, sondern auch im Thriller Genre ihre Fühler erfolgreich ausgestreckt haben. Willkommen im „Haus des Grauens“…

Originaltitel: Paranoiac

Regie: Freddie Francis

Drehbuch: Jimmy Sangster

Darsteller: Janette Scott, Oliver Reed, Alexander Davion, Sheila Burrell

Artikel von Christian Jürs

Für mich waren die Hammer Studios immer ein Hort der Vampire, Werwölfe und von Frankensteins Monster. Erst im digitalen Zeitalter bekam ich überhaupt mit, dass die britische Filmschmiede auch im Thrillergenre ihre Fühler ausgestreckt haben. So konnte ich immer wieder kleine Perlen wie „Der Satan mit den langen Wimpern“ entdecken. Auch heute durfte ich mich mit „Haus des Grauens“, dessen DVD ich bislang aus mir heute unbegreiflichen Gründen immer im Regal stehen ließ, erneut von einem kleinen, ungeschliffenen Juwel überraschen lassen.

Aber was konnte bei einem Drehbuch von Jimmy Sangster schon schief gehen? Immerhin war der Mann zeitlebens verantwortlich für viele der Dracula- und Frankensteinfilme aus dem Hause Hammer. Seine, von ihm selbst nicht gemochte, Regiearbeit „Nur Vampire küssen blutig“ liebe ich zudem von ganzem Herzen. Doch auch mit Freddie Francis auf dem Regieposten konnte nicht viel schief gehen. Zwar befand sich dieser noch am Anfang seiner Karriere, doch konnte der spätere Regisseur vom großartigen „Draculas Rückkehr“ bereits hier seine Stilsicherheit unter Beweis stellen. In schönstem Schwarzweiß, angelehnt an die Werke seines Idols Alfred Hitchcock, schuf er hier einen Thriller voller inszenatorischer Eleganz.

Dies beweist er gleich zu Beginn, wenn die Kamera über die für die Handlung schicksalhaften Klippen hinweg, weiter über einen Friedhof samt Familiengrab in die Kirche hinein findet. Dort finden sämtliche Hauptfiguren zusammen, deren Schicksal im Laufe des Filmes über von Relevanz sind.

Die Familie Ashby musste in der Vergangenheit mehrere Schicksalsschläge hinnehmen. Nicht nur die Eltern verstarben vor mehreren Jahren, nein, auch ihr Sohn Tony stürzte sich vor mehreren Jahren die einleitenden Klippen hinab in den Tod. Seine Leiche wurde zwar nie gefunden, lediglich ein Abschiedsbrief blieb den Hinterbliebenden. Diese bestehen aus der kalten Tante Harriet (Sheila Burrell), der durch den Tod ihres geliebten Bruders verängstigten Eleanor (Janette Scott) und dem alkoholsüchtigen und aufbrausenden Bruder Simon, den man mit Oliver Reed nicht treffender besetzen hätte können. Außerdem wären da noch Eleanors Krankenschwester Françoise (Liliane Brousse), die eine Affäre mit Simon hegt und ein plötzlich auftauchender Fremder (Alexander Davion), der nicht nur dem Verstorbenen Tony zum Verwechseln ähnlich sieht, sondern auch behauptet, eben dieser Tote zu sein. Sein Timing könnte nicht besser sein, denn in wenigen Tagen sollte das Erbe unter den Geschwistern aufgeteilt werden. Hierbei versucht Simon immer wieder, seine Schwester als geistig verwirrt hinzustellen. Das Auftreten des vermeintlich Toten ist für ihn natürlich ein weiterer Stolperstein zum großen Erbe. Doch ist der vermeintliche Tony wirklich der Todgeglaubte oder ein Schwindler?

Auch wenn die Story weit weg von wirklichem Thrill oder gar allzu großen Überraschungen ist (den Plottwist gegen Ende kann man durchaus erahnen), gibt es neben der gelungenen Atmosphäre und dem durchaus durchdachten Drehbuch einen Hauptgrund, diesen Film unbedingt ins Regal zu stellen. Dieser lautet ganz klar: OLIVER REED

Auch wenn alle Darsteller eine gute Vorstellung bieten, so werden sie durch den noch jungen, späteren Hollywoodstar locker an die Wand gespielt. Bereits zwei Jahre zuvor konnte der Mime für die Hammer Studios als vom Schicksal gebeutelter Werwolf in „Der Fluch von Siniestro“ brillieren (und danach an der Seite Peter Cushings in „Die Bande des Captain Clegg“ auftreten). Hier steht ihm der Wahnsinn teilweise beängstigend ins Gesicht geschrieben. Beispielsweise in einer Kneipenszene, in der er mit Dartpfeilen auf einen anderen Gast losgeht und dabei mit großen, irren Augen direkt in die Kamera starrt, spürt man auch als Zuschauer die Bedrohung. Nur gegen Ende übertreibt er hier und da. Trotzdem eine beeindruckende Leistung. Doch auch die anderen Schauspieler können überzeugen.

Anolis bringt uns den Film jetzt entweder im Mediabook (in zwei wunderschönen Covervarianten) oder für den etwas schmaleren Geldbeutel als Einzel-BluRay. Als Bonus gibt es neben einem Making Of noch den Trailer, Werbematerial und Bildergalerien. Vor allem aber der wie immer unterhaltsame Audiokommentar von Dr. Rolf Giesen, zusammen mit Volker Kronz, lohnt die Zweitsichtung gleich im Anschluss an den eigentlichen Film. Auch Bild und Ton sind natürlich über jeden Zweifel erhaben.

Ein kleiner, feiner Thriller aus den Hammer Studios in einer mehr als würdigen Edition. Wer Oliver Reed mal wieder schön irre spielen sehen möchte, ist zudem hier gut aufgehoben. 80 Minuten, die wie im Flug vergehen. Der deutsche Titel ist allerdings irreführend.

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