„Rache ist ein Gericht, das am besten kalt serviert wird“, heißt es in einem alten klingonischen Sprichwort. Getreu diesem Motto hat KOCH-MEDIA nun den Genre-Kracher „Revenge“ (2017) im Heimkino veröffentlicht, bei dem der Titel Programm ist. Ob ein „Vergewaltigung & Rache“-Film im Jahr 2018 noch für reißerische Erwachsenenunterhaltung sorgen kann, oder hinter seinen zahlreichen Kollegen verblasst, verraten wir euch in unserer Kritik!
Originaltitel: Revenge
Drehbuch & Regie: Coralie Fargeat
Darsteller: Matilda Lutz, Kevin Janssens, Vincent Colombe, Guillaume Bouchède…
Artikel von Christopher Feldmann
Das sogenannte „Rape & Revenge“-Genre ist nicht neu, sondern überschwemmte schon in den 70er Jahren die schmuddeligen Leinwände der Bahnhofskinos. Von differenzierten Schockern, wie Wes Cravens „The Last House on the Left“ (1972), über künstlerisch ambitioniertere Werke, wie „Die Frau mit der 45er Magnum“ (1981) von Abel Ferrara, bis hin zu reiner Exploitationware, wie „I Spit on your Grave“ (1978). Schon damals als Schund und frauenfeindliche Machwerke, die lediglich auf die niederen Instinkte eines spekulativen Publikums abzielen, abgestempelt, fristete das Genre ein eher kümmerliches Dasein. Erst 2010, mit einem Remake von „I Spit on your Grave“, war „Rape & Revenge“ wieder da und entfachte erneut Diskussionen um die expliziten Gewaltdarstellungen und sadistischen Vergewaltigungselemente. Mit „Revenge“ (2017) kommt nun ein Film ins Heimkino, der die gängigen Konventionen ebenfalls bedient, jedoch dieses Mal sogar Kritiker überzeugen konnte. Was vor allem daran liegt, dass der französische Rache-Streifen weitaus feministischere Töne anschlägt und als stylische Gewaltorgie auch optisch einiges zu bieten hat. Allerdings kann er damit nur leidlich seine Logiklöcher wettmachen.
Der französische Millionär Richard (Kevin Janssens) trifft sich Jahr für Jahr mit seinen beiden Geschäftspartnern Stan (Vincent Colombe) und Dimitri (Guillaume Bouchède) in der Wüste für einen Jagdausflug. Dieses Jahr hat Richard seine Affäre Jennifer (Matilda Lutz) im Schlepptau, um noch etwas traute Zweisamkeit zu genießen. Doch Richards Kollegen kommen früher als geplant in die angemietete Villa und besonders Stan erliegt nach einem alkohollastigen Abend ihren Reizen. Als Jennifer am nächsten Morgen nicht auf die Avancen eingeht, wird sie vergewaltigt. Da Richard sie nicht überreden kann, diese Sache mit einer netten Geldsumme aus der Welt zu schaffen, spitzt sich die Situation zu. Aus Angst, Jennifer könnte zur Polizei gehen und somit die Stellungen, sowie die Ehen der Beteiligten in Gefahr bringen, stoßen die Männer sie kurzerhand die nächste Klippe hinunter, um sie zum Sterben zurückzulassen. Doch Jennifer überlebt und begibt sich auf die Jagd nach ihren Peinigern. Ein Kampf ums nackte Überleben in der Wüste beginnt!
Die Franzosen waren ja in den letzten 15 Jahren nicht gerade zimperlich was ihre Genre-Filme angeht, und auch „Revenge“ macht keine Gefangenen, was auch irgendwo eine kleine Wohltat ist. Nachdem schon das Charles Bronson-Remake „Death Wish“ (2018), mit Bruce Willis als Racheengel, mit angezogener Handbremse über die Leinwände flimmerte, dürstete es zumindest mir nach etwas konsequenterer Kost. Die bekommt man mit „Revenge“ definitiv geboten. Schon der Beginn baut eine brodelnde Stimmung auf und entlädt sich schließlich auf fiese Art und Weise. Dass der Film sich hauptsächlich auf die Vergeltung konzentriert, merkt man schon an der Tatsache, dass die zu Grunde liegende Vergewaltigung gar nicht wirklich gezeigt wird. Das mag an Coralie Fargeat liegen, mit der auch mal eine Frau in den Genuss kommt, den Männern zu zeigen was eine Harke ist. Wo sonst auf spekulative Art und Weise Titten und Ärsche der weiblichen Protagonistinnen in die Kamera gehalten werden, wird hier der Mann genauso eingefangen. Und wenn der letzte der drei Peiniger das blutige Finale dann komplett nackt bestreiten muss, hat das schon etwas leicht Parodistisches. Diese kleinen Winks werten „Revenge“ sichtlich auf, denn abseits davon folgt der Rache-Film der bewährten Genre-Formel. Eine Frau wird gepeinigt und scheinbar umgebracht, nur um schlussendlich doch zu überleben, um den Übeltätern dann ohne Gnade auf den Pelz zu rücken. Die Story ist somit äußerst schlicht, was nicht unbedingt negativ sein muss. Der Film vermeidet so gekonnt ausschweifende Exkurse und Langeweile, was dazu führt, dass die Spannung konstant erhalten bleibt. Es wird ausgiebig gelauert und gejagt, was durch das Wüsten-Setting besonders zur Geltung kommt. Man kann die Hitze förmlich spüren, in der sich die Charaktere bewegen und um ihr Überleben kämpfen.
Was am einfachen Drehbuch harkt, ist definitiv die Logik. Fargeats Skript wirkt in vielen Szenen einfach unrealistisch, womit die Story und die Charaktere extrem an Fallhöhe verlieren. Sei es ein angezündeter Baum, das Jagen durch die Wüste ohne Trinkwasser, das Wunden Verschließen mit einer Bierdose, Pilze als Schmerzmittel oder einfach das schiere Überleben der Hauptfigur, trotz hohem Blutverlust, schmälern das reißerische Filmvergnügen. Es ist schon schwer diese hanebüchenen Momente auszublenden.
Wo „Revenge“ besonders punktet, ist die Inszenierung. Der Film sieht extrem stylisch aus und kombiniert kräftige Fraben mit der fiebrigen Atmosphäre in der Wüste. Die ganze Bildkomposition und vor allem der Gewaltgrad erinnern an Comic-Strips für Erwachsene. Genau das ist „Revenge“ eigentlich, ein filmischer Comic für Erwachsene. Coralie Fargeat versteht es Spannung aufzubauen und lässt den Zuschauer in jeder Szene mitfiebern, um schließlich mit einem deftigen, sowie spannungsgeladenen Finale zu überraschen, dessen Intensität ich nicht erwartet habe. Dazu gesellen sich wunderschöne Panoramaaufnahmen und eindrucksvolle Szenenbilder. Auch in Sachen Gewalt steht Fargeats Rache-Thriller ganz in der Tradition des französischen Horrorkinos. Wo die 18er Freigabe bei „Death Wish“ (2018) eher lachhaft wirkte, ist sie hier definitiv gerechtfertigt. Es platzen Köpfe, es werden Wunden in Nahaufnahme aufgeschnitten und das Blut spritzt nur so durch die Gegend. Besonders eine Szene, die damit beginnt, dass jemand in eine Glasscherbe tritt, ist extrem unangenehm und äußerst graphisch. Hier haut „Revenge“ ordentlich auf die Kacke und serviert saftige Splatter-Effekte, die zudem auch noch wunderbar handgemacht sind.
Die Darsteller, von denen es nur vier an der Zahl gibt, machen einen routinierten Job. Hauptdarstellerin Matilda Lutz kann hier noch die meisten Akzente setzen und überzeugt als gepeinigtes Opfer, welches sich in einen unerbittlichen Rache-Engel transformiert. Gegen Ende wirkt sie fast schon wie eine Lara Croft im absoluten Rage-Modus, mit der man sich nicht anlegen möchte. Den größten männlichen Part besitzt Kevin Janssens, der im Prinzip den Arschloch-Geschäftsmann spielt, den man schon recht schnell hassen kann. Die beiden weiteren, französischen, Darsteller bilden mehr das blutige Beiwerk zum Endgegner.
KOCH-MEDIA hat sich die Rechte gesichert und bringt „Revenge“ nicht nur auf DVD und Blu-Ray heraus, sondern auch als Steel- und Mediabook. Enttäuschend ist dabei die Sonderausstattung, die zwar neben Trailern auch ein Making-Of, sowie ein Featurette über die Spezialeffekte, beinhaltet, wobei es sich aber nur um aneinandergereihtes B-Roll Footage handelt, welches auch nur eine Dauer von ein bis zwei Minuten hat. Hier wäre etwas mehr Ausführlichkeit, gerade im Effektbereich, wünschenswert gewesen.
Fazit:
Der französische Rache-Streifen „Revenge“ (2017) ist ein Film, bei dem der Name Programm ist. Zwar erfindet er das Genre nicht neu, jedoch streut er angenehme feministische Spitzen ein und bietet schnörkellose Erwachsenenunterhaltung. Wer dabei noch die großen Logiklöcher ausblenden kann, bekommt keinen innovativen Film, jedoch einen knallharten, blutigen, sowie spannenden Exploitationfilm geboten, der dazu noch stylisch in Szene gesetzt ist. Für Genre-Fans sehr empfehlenswert!