Donaufilm präsentiert uns diesen vielschichtigen Klassiker aus der Hand von Luchino Visconti, der sicherlich nicht den Geschmack einer breiten Masse treffen wird, Cineasten allerdings begeistern dürfte. Helmut Berger und Burt Lancaster in einem interessanten Film, der den Mikrokosmos einer dysfunktionalen Gemeinschaft aufzeigt. Neu abgetastet und restauriert bekommt der Film nun eine ordentliche HD-Auswertung, die – so viel sei verraten – leider nicht ganz perfekt ist.

Originaltitel: Gruppo di famiglia in un interno

Regie: Luchino Visconti

Darsteller: Burt Lancaster, Helmut Berger, Silvana Mangano, Claudia Marsani, Stefano Patrizi, Dominique Sanda, Claudia Cardinale

Artikel von Victor Grytzka

Manch ein Film schafft es, mich in seinen Bann zu ziehen. Dabei muss es nicht immer temporeich, schnell und hektisch zugehen. Auch die ruhigen Töne können begeistern. Eine gekonnte Darstellung von Charakteren und deren Entwicklung im Laufe einer Handlung sind nicht minder spannend, sofern man sich auf diesen ruhigen Ton, bei dem der Zuschauer als stiller Beobachter fungiert, einlassen kann. Dies schreibe ich vorweg damit der Leser weiß worauf er sich bei „Gewalt und Leidenschaft“ einlässt. Ich jedenfalls habe mich darauf eingelassen, beobachtete und interpretierte, und war am Ende fasziniert.

Ein alter und zurückgezogener Professor (Burt Lancaster) lebt gemeinsam mit seinem Dienstpersonal in einem prunkvollen Haus. Auf Ruhe und Einsamkeit legt er wert. Dies ändert sich, als eines Tages eine Dame namens Brumonti (Silvana Mangano) auftaucht, und die freie Wohnung im Obergeschoss des Hauses anmieten möchte. Anfangs noch strikt dagegen, lässt sich der Professor dann doch von der Tochter Brumontis, Lietta (Claudia Marsani) überzeugen, und bald beginnen die Umbauarbeiten. Schon in der ersten Nacht kommt es zu Problemen, und so lernt der alte Mann Konrad Huebel (Helmut Berger), Toy Boy der Signora Monti und eigentlicher Bewohner der Wohnung, kennen.  Von da an ist es vorbei mit der Ruhe. Immer weiter taucht der Professor in die Welt der kleinen Gemeinschaft ein und entwickelt dabei eine Faszination für die „Familie“ und vor allem für Konrad, um den er sich in besonderem Maße kümmert.

„Gewalt und Leidenschaft“ klar zu umschreiben oder gar zu analysieren fällt mir etwas schwer. Der Film bietet so viele Facetten, die sich zu einem großen Ganzen zusammenfügen, so dass am Ende ein Bild entsteht, dessen Interpretation immer im Auge des Betrachters liegt. Sei es nun der Wandel des Professors, der sich von einer Art „Menschenfeind“ zu einer Vaterfigur des rebellischen Konrad wandelt, die arrogante Signora, die im Grunde eine tragische Figur mit einem sehr verworrenen Privatleben ist, oder eben Lietta und Stefano, deren Rollen in diesem Kammerspiel zunächst etwas undurchsichtig sind, und erst gegen Ende der intensiv gespielten Geschichte ihre wahren Absichten und Charakterzüge offenbaren. Dabei passiert während der Laufzeit ein Wandel, der den Zuschauer unterschwellig beeinflusst. Der Charakter des Konrad wirkt zunächst unsympathisch und deplatziert, schaut man sich die Menschen an mit denen er sich umgibt, doch kristallisiert sich dann als derjenige heraus, der als Einziger eine klare Line / Einstellung repräsentiert, ohne sich durch gesellschaftliche Konventionen in eine Form pressen zu lassen. Daher rührt auch die Faszination des Charakters der von Lancaster verkörpert wird, der eine große Wandlung durchmacht. Der biedere und leicht verbitterte Mann lernt im Laufe der Handlung, dass die Welt sich weiter dreht, und man auch mal über den Tellerrand seiner eigenen vier Wände schauen muss, um sich selbst auch weiter bringen zu können. Auch die anderen Protagonisten haben eine Sache gemeinsam. Ihr gesamtes Handeln und tun dreht sich im Endeffekt um Konrad, auch wenn dessen Einfluss auf ihre Persönlichkeiten nicht immer gleich offensichtlich sind.

Doch was soll uns – den Zuschauern – dies nun sagen? Es sind klare Kritiken an einer Gesellschaft enthalten, die sehr viel Wert auf eine gute öffentliche Darstellung legt, dabei aber aus den Augen verliert dass es nicht wichtig ist wie andere dich sehen, sondern dass du mit dir selbst im Reinen bist. Auch politische Themen – wie der ewige Klassenkampf zwischen „links“ und „rechts“ werden angesprochen, und auch dort läuft es am Ende darauf hinaus, dass solche Sachen einen Menschen weder „gut“ noch „schlecht“ machen, so lange man versucht die anderen zu akzeptieren wie sie sind. Ein Thema, das wohl niemals an Aktualität verlieren wird.

Am Ende bleibt eine bewegende Geschichte mit einem sehr traurigen Ende für alle Beteiligten. Diese wird – wie bereits erwähnt – nicht jedermanns Geschmack treffen. Denn „Gewalt und Leidenschaft“ ist kein Film, den man nebenher einfach mal so schaut. Man muss sich darauf einlassen und rund 2 Stunden lang einfach mal etwas auf sich wirken lassen. Leichte Unterhaltung sieht anders aus, aber wenn man sich entscheidet den Film mit Bedacht anzuschauen, so wird man mit einem tollen Erlebnis belohnt.

Ein ganz großes Lob gebührt dem Zusammenspiel von Lancaster und Berger. Hier treffen zwei außerordentliche Schauspieltalente aufeinander. Es ist eine wahre Freude die Beiden bei ihrem Spiel zu beobachten. Ein zentrales Thema, eine Art Vater-Sohn-Beziehung wurde von beiden verstanden und perfekt umgesetzt. Es harmoniert einfach. Doch auch dem restlichen Cast muss man dieses Lob zu Teil werden lassen. Jeder spielt auf hohem Niveau und lässt keinen Grund zur Klage. In einer kleinen Nebenrolle sehen wir Claudia Cardinale, die immer ein Grund ist sich einen Film anzusehen, auch wenn sie hier wirklich nur am Rande auftaucht, aber für das Verständnis von Lancasters Charakter eine wichtige Rolle spielt.

Donaufilm hat eine ordentliche, aber bei weiten keine perfekte Scheibe abgeliefert. Das Bild kommt recht sauber daher, das leichte Filmkorn steht dem Film gut und insgesamt kann man den Detailgrad und die Bildschärfe als zufriedenstellend bezeichnen. Allerdings ist mir in manchen Szenen, insbesondere an den Bildrändern, ein gewisses Maß an Unschärfe aufgefallen. Ob dies der Vorlage geschuldet ist weiß ich nicht, doch für mich ist es jetzt kein „KO-Kriterium“. Penible Zuschauer mögen das vielleicht anders sehen. Der Ton liegt in Englisch, Italienisch und Deutsch in DTS-HD 2.0 vor. Der deutsche Ton ist sehr sauber und kommt ohne Brummen und Knistern daher, allerdings hapert es ein wenig an der Dynamik, und „S-Laute“ neigen zum Zischeln. Und schon wieder – das klingt jetzt schlimmer als es tatsächlich ist, erwähnt haben wollte ich es trotzdem.

Eine Sache die dann doch gestört hat muss ich aber erwähnen. Von 1 Std. 25 Min. bis ca. 1 Std. 27 Min. läuft der Ton minimal asynchron (um die 0,2 Sekunden), pendelt sich danach aber wieder ein.  Trotzdem – ich bin sehr empfindlich wenn es einen Bild/Ton Versatz gibt, andere mögen sich daran weniger stören.

Am Ende bleibt ein toller und außergewöhnlicher Film in einer ordentlichen VÖ, der sich in den Regalen der Cineasten einen Platz verdient hat. Vielen Dank, Donaufilm!

Trailer:

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